HORROR: GB, USA, Kanada, 2012
Regie: Rob Zombie
Darsteller: Sheri Moon Zombie, Bruce Davison, Dee Wallace, Judy Geeson
Heidi, die DJane von Salems rockigstem Radiosender, wird von der berüchtigten Hexenvergangenheit ihrer Heimatstadt eingeholt. Nachdem sie unter merkwürdigen Umständen in den Besitz einer mysteriösen Schallplatte gelangt und diese in ihrer Sendung abspielt, wird Heidi von satanischen Visionen heimgesucht. Es scheint, als drohe sich der uralte Fluch einst auf dem Scheiterhaufen verbrannter Hexen, ausgerechnet an ihr zu erfüllen...
An Robert Bartleh Cummings alias Rob Zombie, dem Metal-Musiker, der in Hollywood Horrorfilme drehen darf, scheiden sich die Geister. Während seine 70er Jahre-Terrorfilm-Verbeugungen HAUS DER 1000 LEICHEN und THE DEVIL'S REJECTS sich im Fandom einiger Beliebtheit erfreuen, hat er mit dem Reboot der klassischen HALLOWEEN-Serie fast für einen Eklat gesorgt. Nicht wenige Fans (Manche davon sitzen sogar in unserer Redaktion; gell, Johannes? ; ) haben Zombie nicht verziehen, was er aus dem guten, alten Michael Myers gemacht hat. Wenn er ihm ein tüllernes Balletkleidchen angezogen und eine Hello Kitty-Maske aufgesetzt hätte; die Empörung wäre kaum geringer gewesen...
Besser zurecht mit Rob Zombies Version vom blutigen Samhain kamen erwartungsgemäß die lebensjüngeren Horrorfans, die nicht mit den Werken Carpenters aufgewachsen sind, sondern von SAW & co in die Freuden des Genres eingeführt wurden. Die vermissten den Suspense nicht und wurden mit Filmblut besänftigt.
Kontroversen vorprogrammiert sind auch bei THE LORDS OF SALEM, Rob Zombies neuestem Werk. Diesmal könnten es allerdings die Jungfüchse sein, die vor den Kopf gestoßen werden.
Dass Rob Zombie einer Hexen(neben)figur den Namen "Doris von Fux" gegeben hat, ist indes kein Zufall. Viel mehr ein deutliches Indiz dafür, dass dies in Anlehnung an den österreichischen Schauspieler Herbert Fux (und vor allem wegen dessen Rolle im frühen Witchploitation-Klassiker HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT) geschehen ist. Auch der Autritt eines Inquisitors namens Matthew Hopkins -Hallo, WITCHFINDER GENERAL!- deutet in diese Richtung.
Kein Zweifel möglich: Mit THE LORDS OF SALEM versucht Rob Zombie die Reanimation der Okkult- und Hexenfilme der Siebziger Jahre. Oder besser: Er huldigt ihnen mit einem modernen Tribut.
Mit diesen Werken wiederum wird die Jugend weniger vertraut sein. Oder bei welchem U 20 stehen neben dem SAW-Septett auch alte, satanische Klassiker wie ROSEMARY'S BABY, URLAUB IN DER HÖLLE, BLOOD ON SATAN'S CLAW, SUSPIRIA, HEXENSABBAT, THE DEVIL RIDES OUT oder eben MARK OF THE DEVIL und Konsorten im Filmregal? Und wer kennt heutzutage bitteschön noch die Mutter aller Okkult-, Hexen- und Inquisitionsfilme? Den blasphemischen HÄXAN aus dem Jahr 1922? Oder Kenneth Anger? (Und gibt es eigentlich noch Filmregale - oder nur noch Dateien auf externen Festplatten?)
Auch wenn die Bildersprache urban und modern daherkommt, mitunter an Alptraum-Stilleben aus einem ambitionierten Videoclip einer satanistischen Heavy Metal-Band erinnert; all die vorgenannten Filme sind omnipräsent in Rob Zombies Hexenfilm fürs neue Jahrtausend.
Altes Hexenkapitol Salem. Vom Jahr 1664 bis heute kann man den fauligen Gestank der Scheiterhaufen riechen. Die Hexen schmähen Gott, lobpreisen Satan. Ohnehin lässt Rob Zombie seine LORDS OF SALEM überaus exzessiv Blasphemie betreiben. Textzeilen, die sich anhören, als kämen sie direkt aus dem Henochischen Schlüssel der Satanischen Bibel, aus den gotteslästerlichsten Episoden des bereits erwähnten HÄXAN, oder dem Booklet einer beliebigen Black Metal-CD.
Und, Grundgütiger, ist das wirklich Meg Foster, unsere Meg Foster, die da als alte Vettel und Oberhexe so inbrünstig aufs Kreuz spuckt? Und da sind ja auch Dee Wallace, Judy Geeson, Camille Keaton, Patricia Quinn, Barbara Crampton; aus THE HILLS HAVE EYES, DER FRAUENWÜRGER VON BOSTON, I SPIT ON YOUR GRAVE, der ROCKY HORROR PICTURE SHOW sowie dem RE-ANIMATOR. Und die alten, verhärmten, unerbittlichen Inquisitoren aus den Flashbacks in die Zeiten des Hexenhammers: Das sind Udo Kier, Billy Drago, Sid Haig, Michael Berryman, Richard Lynch, Andrew Prine... - Wow, Rob Zombie hat wirklich eine beachtliche Anzahl der alten Helden und Grand Dames unserer alten, berüchtigten Lieblingsfilme vor seiner Kamera versammelt. Inklusive Ken (DAWN OF THE DEAD) Foree...
Die Hauptrolle spielt jedoch -bei Rob Zombie unvermeidlich- seine holde, angetraute Sheri Moon Zombie. Sie macht ihre Sache als tätowiertes, Dreadlocks-tragendes Devil's Interest nicht schlecht, aber ihr geht sowohl die Fragilität einer Mia Farrow als auch die Schneewittchenhaftigkeit einer Jessica Harper ab. Mit der Konsequenz, dass wir mit ihr ein bißchen weniger mitfühlen als mit den anderen Frauen der Horrorfilmgeschichte, die in paranoiden, unheimlichen Häusern (öfters auch Mietshäusern) in den Fokus höllischer Mächte geraten. Da geht uns Bruce Davisons Schicksal schon etwas näher; welches sich in der vielleicht packendsten und diabolischsten Sequenz im Film unweigerlich erfüllt...
Ansonsten gehen THE LORDS OF SALEM -bei denen, wohl geschuldet dem musikalischen Background des Regisseurs, auch eine alte Schallplatte mit satanischen Backward Messages nicht fehlen darf- dramaturgisch ein eher gemächliches Tempo. Man setzt voll und ganz auf die Taktik der sich langsam zuziehenden Schlinge. Auf Paranoia. Blasphemie. Wie es eben guter Brauch in den meisten Okkultfilmen ist und war. Dabei gelingen Rob Zombie durchaus einige unheimliche Momente; manchmal aber kommt er auch der unfreiwilligen Komik gefährlich nahe.
Einen höheren Stellenwert als die Handlung (die für sich genommen weder Neues noch Spektakuläres erzählt) scheint diesmal ohnehin das Visuelle einzunehmen. Flashbacks zu mittelalterlichen Hexensabbaten und Scheiterhaufen, antichristliche Symbolik, fließbandmäßige Gotteslästerungen in Bild und Ton. Da scheint uns jemand mit Feuereifer ein umgedrehtes Kreuz auf die Netzhaut brennen zu wollen...
Auch wenn die LORDS OF SALEM über eine starke, dunkle Bilderwelt gebieten; die permanente Hail Satan!-Hudelei wirkt übertrieben und dürfte dem handelsüblichen Nicht-Teufelsanbeter ziemlich schnell zuviel werden. Etwas mehr Fingerspitzengefühl und Subtilität bei etwas weniger Holzhammer-Satanismus hätten sicherlich nicht geschadet. Dann vielleicht hätte sich das Konzept nicht schon vor dem Ende (etwas) müde gelaufen.
Allerdings kommt die zu den Endcredits ablaufende Kamera-Karussellfahrt in Vogelperspektive in Verbindung mit der düsteren Musik schön bedrohlich rüber. Da sorgt der Abspann für fast mehr Beunruhigung als der dann doch etwas enttäuschende Schlussakt. Das Finale bietet letztendlich nicht viel mehr als etwas verunglückte Grand Guignol im Stile eines satanistischen Musikvideoclips.
Dennoch ist Rob Zombies Hexenfilm sehr viel sehenswerter als jener Hexenfilm (MOTHER OF TEARS), den Dario Argento vor ein paar Jahren gemacht hat. Allerdings sind die LORDS OF SALEM lange nicht so gut, extravagant und stilbildend wie die Hexenfilme (SUSPIRIA, INFERNO), die Dario Argento ganz früher einmal drauf hatte. Alles in allem bin ich aber froh, dass Mr. Zombie diese gepflegte Schwarze Messe gefeiert und nicht HALLOWEEN 3 gemacht hat.
Ergo: Unheilig verdiente 6,66 Punkte.
Mit seinem neuesten Werk huldigt der (horror)filmschaffende Metalhead Rob Zombie visuell ambitioniert und penetrant blasphemisch dem Hexen- und Okkultfilm der 70er Jahre. Etwas mehr Subtilität und etwas weniger plakativer Holzhammer-Satanismus hätten sicherlich nicht geschadet. Dennoch: Nach dem umstrittenen HALLOWEEN-Reboot lächelt der Teufel wieder etwas gnädiger in Richtung seines zotteligen Sohnes.