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The Irishman - I Heard You Paint Houses

The Irishman - I Heard You Paint Houses

MOB - BIOPIC, TRUE CRIME: USA, 2019
Regie: Martin Scorsese
Darsteller: Robert De Niro, Al Pacino, Joe Pesci, Harvey Keitel, Stephen Graham, Sebastian Maniscalco

STORY:

Frank Sheeran (Robert De Niro), alternder Mobster und Auftragskiller, plaudert aus dem Nähkästchen. Dabei öffnet er für uns die Black Box der jüngeren amerikanischen Geschichte einen winzigen Spalt und lässt uns einen 3 Stunden und 29 Minuten langen Blick erhaschen.

KRITIK:

Elf Jahre lang schmorte THE IRISHMAN in der Produktionshölle. Schon 2008 plante Martin Scorsese gemeinsam mit Robert De Niro und Joe Pesci die Umsetzung des True Crime Reports  "I Heard You Paint Houses" von Charles Brandt. Doch Hollywood konnte sich mit dem Projekt einfach nicht anfreunden. Zu teuer, zu unkonventionell, zu lang fand Paramount Pictures und erteilte Scorsese schließlich die Absage. Die Entscheidung die Protagonisten digital zu verjüngen anstatt jüngere Schauspieler für die Sequenzen der 50er und 60er Jahre zu casten war dann wohl der letzte Sargnagel für die Realisierung in Hollywood.

Scorsese - ein Verfechter der großen Leinwand - wollte den Film jedoch nicht sterben lassen und kehrte deshalb Hollywood den Rücken um im Silicon Valley nachzufragen. Hier fand er ausgerechnet in Netflix einen Partner der den Film ins Programm nahm. Scorsese konnte so das Projekt ohne Eingriffe in die Umsetzung realisieren und auch für eine begrenzte Zeit ins Kino bringen was The Irishman somit auch Chancen für die Oscar-Verleihungen sichern sollte (Ein Vorgang der schon seit ROMA Schule macht und den Studios in Hollywood als Denkanstoß dienen sollte).

Das Ergebnis lässt sich sehen. Und das für unglaubliche 3 Stunden und 29 Minuten. In Zeiten in denen Features im Gespräch sind die es ermöglichen sollen Filme und Serien in 1,5 oder 2 facher Geschwindigkeit zu streamen ist diese bewusste Entschleunigung an sich schon ein Statement. Ein Statement für das Kino, für die Filmkunst und für das kompromisslose Erzählen von Geschichten.

Wer eine Fortsetzung von GOODFELLAS oder CASINO erwartet, wird vom neusten Mobster-Biopic aus italoamerikanischer Hand vielleicht enttäuscht sein. Denn The Irishman ist ein Anti-Goodfellas. Goodfellas wird auf links gedreht und schlägt von Anfang an einen melancholischen Ton an. Scorseses Mafiaepen der 90er Jahre marschierten im Takt von Tony Bennet, Sinatra und den Cadillacs. Macht - und testosterontrunken ritten die Protagonisten dem Mobster-Sonnenuntergang entgegen. Man erinnere sich an die legendäre Plansequenz aus Goodfellas, dem Copa Shot, in der Henry Hill durch den Hintereingang das Copacabana betritt nur um in erster Reihe am reservierten Tisch eine kalte Flasche Champagner vorzufinden. Life's good and it will never end.

The Irishman schließt diesen Kreis nun und tritt uns in Katerstimmung ernüchtert und stark morbid eingefärbt entgegen. Ein greiser De Niro eröffnet, nach einer längeren Plansequenz durch die Gänge eines Altenheims, die Erzählung die uns durch die schmutzigsten Ecken und dunkelsten Gassen der jüngeren amerikanischen Geschichte führt. Frank Sheerans Lincoln hält in seiner Erzählung an allen wichtigen Stationen. Die Kuba-Krise, die Invasion in der Schweinebucht, die Verfolgung der Mafia durch Robert Kennedy und die Ermordung seines Bruders sowie das Verschwinden von Jimmy Hoffa (Al Pacino).

Und schauspielerisch? Al Pacino, Bob De Niro, Joe Pesci und Harvey Keitel: Sie alle sind älter geworden, sie alle sind nicht mehr die die sie vor 30 Jahren waren. Und genau diese Tatsache macht diese Besetzung zur perfekten Wahl für diesen melancholischen Stoff. Die CGI-Verjüngung der Gesichter fällt auf aber sie stört nicht. Nach spätestens 15 Minuten vergisst man diese vollständig. Und Hand aufs Herz. Ob klassische Maske oder CGI - wo ist der Unterschied? Fakt ist alle oben genannten Gentlemen haben es immer noch drauf. Vor allem Pacino begeistert in der Rolle des neurotischen, exzentrischen und großmäuligen Jimmy Hoffa.

The Mob's Greatest Hit, die Ermordung Jimmy Hoffas ist eine der großen Hinterzimmermysterien und mittlerweile ein Treppenwitz der amerikanischen Geschichte. Das Verschwinden des exzentrischen Teamster Bosses James Riddle Hoffa stellt ein Ereignis dar, das die Verwicklungen und den Einfluss der Mafia auf die Gesellschaft und die politischen Ereignisse Amerikas während der 60er, 70er und 80er Jahre besonders verdeutlicht.

Was schon James Ellroy in seiner Underworld USA Trilogie meisterhaft zu Papier brachte, inszeniert Scorsese hier in meditativer Ruhe und ganz ohne jenen popkulturellen Zauber aus vergangenen Tagen. Als letztes Lebewohl, als Abschied vom großen amerikanischen Mafiafilm in dem die tief gezeichneten Gesichter De Niros und Pescis ihre Geschichten in vielen Momenten stumm und nur durch ihre reine Präsenz erzählen. Traurig zurück blickend und ängstlich in die Zukunft schauend.

Deep Deep Shit. Keine leichte Kost. Oper statt Rockkonzert. Dostojewski statt Marvel. Jede Szene erzählt eine eigene Geschichte. Eine nachdrückliche Empfehlung für Scorseses Slow Burner!

 

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FAZIT:

Ein 3 Stunden und 29 Minuten langer Blick in die Black Box der jüngeren amerikanischen Geschichte. Meditativ und entschleunigt erzählt von Altmeister Martin Scorsese. Nehmt euch Zeit und genießt den Abschied vom amerikanischen Mafiafilm. THE IRISHMAN - ein Instant Classic.

Zu sehen auf Netflix. Und exklusiv auf der großen Leinwand des Wiener Gartenbaukinos.

 

WERTUNG: 10 von 10 verspäteten Meetings in Badeshorts
TEXT © Djan Hajo
Dein Kommentar >>
sterneon | 09.12.2019 18:55
Die einen nennen es "entschleunigt", die anderen langweilig. Der Film ist so unbeweglich, schwerfällig und zerstreut wie ein Regie-Rentner nur sein kann. Aber weil's halt ein Scorsese ist überschlagen sich die Kritker.
dokk | 14.12.2019 20:36
tarantinos letzter war noch viel lang... weiliger ;) . hier passiert wenigstens was .
>> antworten
dokk | 04.12.2019 18:56
Ich hab mich ja sehr gefreut auf den Film, und war dann doch etwas enttäuscht. Nach "Casino" versucht er nun schon zum zweiten mal, sein Meisterwerk "GoodFellas" neu aufzulegen, aber leider fehlt es dem Irishman an Intensität. Und ohne Intensität (wie sie etwa bei "Midsommar" permanent vorhanden ist) sind 3h einfach zu lang. Ausserdem strahlen die digital verjüngten Greise einfach nicht mehr die Dynamik aus, wie in jungen Jahren. Man schaue sich nur mal die Szene an, wie er den Metzger verpügelt, das ist ja zum Schreien (unfreiwillig) komisch. De Niro stand als 30-jähriger noch richtig aufrecht, vom Scheitel bis zu den Füssen! Ausserdem wusste man ja die ganze Zeit über, dass Pacino stirbt und De Niro überlebt - hat dem Film auch nicht unbedingt gut getan.
Nicht langweilig, aber auch nicht wahnsinnig aufregend. 7/10
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