OT: The Image - The Punishment of Anne
EROTIK: USA, 1975
Regie: Radley Metzger
Darsteller: Carl Parker, Rebecca Brooke, Marylin Roberts
Auf einer schicken Pariser Party macht Jean durch seine langjährige Freundin Claire die Bekanntschaft der jungen Anne. Schnell wird klar, dass die beiden Frauen nicht in Freundschaft verbunden sind, sondern durch eine intensive sadomasochistische Beziehung, in der die dominante Claire die ihr sklavisch ergebene Anne nach Belieben benutzt und missbraucht. Um Annes Hörigkeit zu demonstrieren, wird sie von Claire an Jean "verliehen". Der nimmt das Angebot fasziniert an und verliert sich bald in der bizarren Welt aus Demütigung, Schmerz und Lust. Bis er eines Tages zu weit geht, und die Ereignisse eine unerwartete Wendung nehmen...
Es ist eine ernüchternde Erkenntnis: Je länger eine Cineastenkarriere dauert, umso seltener werden die Filme, die einen sprachlos machen, die einen geplättet zurücklassen mit der Frage: "Verdammt, was war DAS denn?" und die einen noch Tage später beschäftigen. Und doch stolpert man vereinzelt und meist unverhofft über derartige Ausnahmefilme.
So ging es mir kürzlich mit dem 1975 von Radley Metzger inszenierten THE IMAGE, auch bekannt als THE PUNISHMENT OF ANNE.
Ohne Übertreibung - nach dem Abspann dieses Films musste ich erst mal tief durchatmen! Und etwas Abstand gewinnen von der eben erlebten emotionalen Achterbahnfahrt.
In Fankreisen als einer der außergewöhnlichsten Erotikfilme ever kolportiert, vermischt THE IMAGE in einer (zumindest von mir) nie gesehenen Art und Weise wunderbare Bildkompositionen, edle Sets, überzeugende Darsteller, wahrhaft heiße Erotik und total verstörende Szenen zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den nicht gerade massentauglichen Themen Sadomasochismus und sexuelle Machtspiele.
Regisseur Radley Metzger scheut dabei nicht davor zurück, das Geschehen explizit zu zeigen. Und ich meine explizit. THE IMAGE ist kein billiges Softcore-Filmchen mit etwas nackter Haut und verspieltem Hinternklopfen, sondern echtes Adult-Material. Wenn auch keine Penetrationen gezeigt werden, so sind doch einige Szenen klar im Hardcorebereich angesiedelt. Auch die SM-Praktiken des Trios zeigt Metzger ungeschönt und ohne feiges Wegblenden. Was dazu führt, dass manche Szenen gegen Ende des Films, vor allem aber das Kapitel "The Gothic Chamber" ans Unkonsumierbare grenzen - sogar für abgehärtete Filmfreaks. Und für alle die mit kinky sex nichts am Hut haben sowieso. Der auf mainstream geeichte Zuschauer bleibt schon lange vorher fassungslos auf der Strecke zurück.
Das kann man jetzt - je nach Sichtweise - als Warnung oder als Empfehlung auslegen. Fakt ist: dieser Film verlangt einem einiges ab. Doch trotz allem wirkt das Gezeigte gerade im Vergleich zu thematisch ähnlich gelagertem Trash nie selbstzweckhaft oder reißerisch, sondern dient der schonungslosen aber ehrlichen Darstellung eines sexuellen Abhängigkeitsverhältnisses und dessen Auswirkungen auf Körper und Seele der Betroffenen.
Abseits des härteren Materials inszeniert Metzger aber auch unglaublich intime und hocherotische Momente. Der Regisseur machte sich nach Fertigstellung von THE IMAGE im Hardcore-Bereich erfolgreich einen Namen. Unter seinem Pseudonym Henry Paris gilt er als einer der wichtigsten Vertreter des porno chic der Siebziger.
Müsste ich den Film deuten, würde ich sagen, dass Jean die Personifizierung einer beliebten Männerfantasie ist: Sex mit zwei Frauen (von denen er mit einer machen kann, was immer er will). Die fragile Konstellation der drei zerbröckelt ironischerweise in dem Moment, als Jean die Grenze zwischen dem Ausleben seiner Sexfantasien und wahrer Intimität überschreitet. Der darauf folgende Zusammenbruch ist unausweichlich und die Frage, wer eigentlich wen dominiert, wird am Ende auf überraschende Art variiert. Der Film kann somit als eine Veranschaulichung der Mechanismen sexueller Machtspiele und auch als Kommentar zum Thema "Sex ohne Gefühle" verstanden werden.
THE IMAGE ist nicht perfekt. Das Tempo ist über weite Strecken sehr gemächlich und das Voice-over hätte man sich meiner Meinung nach sparen können, da es nicht wirklich viel erklärt sondern eher ablenkt. Auch die Dialoge klingen manchmal mehr nach Drehbuch als nach Alltagssprache. Doch unterm Strich bleibt ein außergewöhnlicher, optisch ansprechender Film, der einen prächtig unterhält und auch stimuliert, dann wieder verstört und sogar abstößt, sich auf jeden Fall aber für lange Zeit ins Gedächtnis eingräbt.
THE IMAGE ist ein absolut ungewöhnlicher Erotik-SM-Hardcore-Arthouse-Drama-Bastard. Faszinierend aber schwer verdaulich. You have been warned!