HORROR: USA, 2008
Regie: Yam Laranas
Darsteller: Jesse Bradford, Amelia Warner, Carlos Leon, Jamie Bloch
Frisch aus dem Gefängnis entlassen bezieht der Ex-Knacki Bobby die Wohnung seiner kürzlich verstorbenen Mutter in einem heruntergekommenen New Yorker Mietshaus. In der Nachbarschaft munkelt man, dass die Frau in ihrer Wohnung verrückt geworden und im Wahn verhungert ist. Doch bald hört auch Bobby seltsame Geräusche aus der Nachbarswohnung. Und dann begegnet ihm ein kleines, unheimliches Mädchen. Verliert Bobby ebenfalls den Verstand oder wird das Haus tatsächlich von den zornigen Geistern einer vergangenen Tragödie heimgesucht?
Irgendwann im Jahre 2004 entstand auf den fernen Philippinen im Zuge des damals grassierenden RING-Fiebers und dem damit verbundenen Heißhunger des Horrorfandoms auf moderne asiatische Geisterfilme ein ebensolcher. Und dem Vernehmen nach ist SIGAW -so der Titel des besagten Werks- gar nicht mal so schlecht.
Weil jedoch zumindest der breitere Teil des amerikanischen Publikums ziemlich gut darin ist, Filme zu ignorieren, die nicht Born in the U.S.A. sind, kam es natürlich nicht in Frage, SIGAW einfach für den amerikanischen Markt zu lizenzieren; nein, ein Remake musste her. Zu diesem Zwecke haben die Headhunter im Auftrag Ihrer Majestät Hollywood kurzerhand Yam Laranas, den jungen philippinischen Regisseur von SIGAW, in die Traumfabrik "entführt", ihm ein größeres Budget, eine amerikanische Crew und schaurigeres Dämonen-Makeup zur Verfügung gestellt und "Play it again, Yam!" befohlen.
Diese Praxis hat ja mittlerweile eine lange, will nicht sagen, unselige Tradition. Dabei befindet sich der gute Yam dort durchaus in prominenter Gesellschaft. Schließlich wurden vor ihm schon Regisseure wie Bornedal, Haneke, Maas, Nakata oder Shimizu aus ihren filmischen "Provinzen" nach Rom - Verzeihung! - Hollywood beordert, um von ihren Werken noch einmal amerikanisierte Kopien anzufertigen. Über Sinn und Unsinn dieser Praxis lässt sich nun sicherlich trefflich streiten, doch hier und heute wollen wir das nicht näher erörtern.
Kommen wir stattdessen zum vorliegenden THE ECHO, der -wie ihr richtig vermutet- das besagte US-Remake von SIGAW ist; eigens vom Regisseur des Originals im Jahr 2008 neuverfilmt. Mit fünfjähriger Verzögerung erscheint das Werk nun auch in unseren Breitengraden.
Besser spät als nie - denn nachdem auch ich mich nach RING, JU-ON, SHUTTER, TOMIE 1 bis 25 und ihren vielen, vielen Epigonen langsam, aber sicher satt gesehen hatte, habe ich sie in letzter Zeit wieder vermisst: die guten alten, asiatischen Dämonenmädchen; mit ihren schwarzen, langen Haaren, dem ungesunden Teint und den aufklaffenden toten Mündern...
Bevor Regisseur Laranas in der zweiten Filmhälfte dann tatsächlich die alten Dämonen aus THE GRUDGE wieder heraufbeschwört und sie auch recht gekonnt tanzen (oder besser: aus dem Nichts auftauchen, aus Schränken herauskriechen oder in finsteren Treppenhäusern Leute zu Tode erschrecken) lässt, ist THE ECHO zunächst noch eine klaustrophobisch-düstere Paranoia-Mär in bester "Hell in a Appartment Building"-Manier.
Da ist dieses etwas schäbige Mietshaus. Da ist diese verschlossene, seltsame Nachbarschaft. Und die mit bedrückenden Erinnerungen vollgestopfte Wohnung der vor kurzem in aller Einsamkeit und scheinbar im Wahn verstorbenen Mutter unseres von Jesse (FLAGS OF OUR FATHERS) Bradford gespielten Helden, einem nicht unsympathischen frisch aus dem Gefängnis entlassenen Knacki. Über den stickigen, heruntergekommenen Korridoren und Räumlichkeiten dieses Hauses liegt eine Patina der Furcht und Schuld. Eine ungemütliche wie unheilschwangere Atmosphäre, die sowohl von Laranas' düsterem Inszenierungsstil als auch von Matthew Irvings Kamera immer wieder stimmig akzentuiert wird.
Anfangs ist THE ECHO noch ganz seinem Titel verpflichtet und versucht vor allem über die Tonspur Beklemmung zu schüren. So ist der Vorspann lediglich mit dem agonischen Geplapper einer verstörten und zu Tode geängstigten Frau untermalt und nicht mit Musik. Später hört der Hauptprotagonist des Öfteren geisterhafte Stimmen oder wird Ohrenzeuge von häuslicher Gewalt, die offenbar in der Wohnung nebenan stattfindet.
Der erste fiese Erschrecker lässt dennoch nicht lange auf sich warten. Der Spuk manifestiert sich alsbald auch visuell. Dabei sind die gespenstischen Erscheinungen ganz nach der bewährten, asiatischen Schablone modelliert und sehen dank dem gelungenen Dämonen-Makeup wahrlich scary aus. Tauchen sie anfangs noch dosiert auf; fallen sie in Filmhalbzeit 2 im Stakkato über so ziemlich alle handelnden Figuren her; über die Schuldigen wie die Unschuldigen.
Es wäre interessant zu wissen, ob Laranas auch in seinem Original-SIGAW derart inbrünstig Shimizus JU-ON gehuldigt hat oder ob er dort der subtilen Schiene etwas länger gefolgt ist. Doch egal ob die nun im Dauerfeuer eingesetzten Geistererscheinungen und Schockmomente zum Hollywood'schen Remake-Diktat gehören oder nicht: An der Art und Weise, wie Laranas seine Zerrbilder gequälter Seelen in Szene gesetzt hat, gibt es nichts auszusetzen. Haltet mal Ausschau nach der Szene, die ich einfach mal ganz nebulös als die "Sprung-aufs-Bett-Sequenz" bezeichne.
Waschküchen, Abfallluken, Wandschränke oder der verborgene Platz hinter dem alten Klavier mit den blutbesudelten Tasten; dort wo sich das in ein jeder Paranoia-Immobilie unvermeidliche Loch im Gemäuer befindet. Alles Orte, wo Alpträume leicht zum Leben erwachen können. Das weiß Yam Laranas und in diesen finsteren Ecken fühlt er sich auch sichtlich wohl.
Das Ambiente stimmt. Keine Frage. Die größten Schwächen des Films liegen auch woanders. Nämlich in seiner Überraschungsarmut. Die Twists, die Auflösung, der Schluss - nichts kommt wirklich unerwartet. Und ja; wenn man sich etwas auskennt, dann entpuppen sich selbst die creepy scenes als Reprisen bewährter Schockmomente aus den unheimlicheren Werken des modernen asiatischen Geisterfilms. Zweifelsohne beherrscht Laranas die Kunst des Gänsehautschürens mittels gekonnt in Szene gesetzter Schreckgestalten und perfidem Geräuscheinsatz; doch ebenso offenkundig ist, dass der junge Philippine sich bei THE GRUDGE oder SHUTTER nicht nur ein paar schwarze Haarsträhnen abgeschaut hat.
Somit ist auch THE ECHO kaum instande, seinem mittlerweile arg repetitiven Genre wirklich neue Impulse zu geben. Das gewisse Etwas an Überraschung, Originalität oder Verstörung, welches etwa Genrekollegen wie UZUMAKI, KAIRO, EXTE oder INFECTION bieten, geht dem Film ein wenig ab.
Dennoch bringt Laranas das Altbewährte stimmig, düster und oft auch gänsehautschürend unheimlich auf den Bildschirm. Zugutehalten möchte man ihm auch, dass er zumindest versucht, so etwas wie Gesellschaftskritik in seinen Spuk einzubinden. Sein Film prangert jene mangelnde Zivilcourage an, die in unserer heutigen "Wegseh-Gesellschaft" in immer stärkerer Ausprägung anzutreffen ist. Insbesondere deutet Laranas auf die Tragödien, die sich hinter verschlossenen Mietswohnungstüren abspielen. So verhungert in THE ECHO eine ältere Frau in ihren vier Wänden und Szenen häuslicher Gewalt dürfen ungebremst in einem blutigen Familiendrama eskalieren, während die Nachbarschaft es den drei Affen gleichtut. Man hört weg. Sieht nicht hin. Sagt nichts. Und dass obwohl es nebenan lange und laut genug gewimmert, geweint, geschrieen hat, bevor es totenstill geworden ist. Allerdings irritiert in diesem Kontext dann die Tatsache etwas, dass sich die Geister in THE ECHO ihre Opfer völlig willkürlich ausgucken; und nicht nur jene heimsuchen, die Schuld durch Passivität auf sich geladen haben.
Ein Manko, das man nicht überbewerten sollte. Denn letzten Endes ist THE ECHO eben ein Horrorfilm, der berechtigterweise die übernatürlichen Terrorakte seiner Dämonenmädchen in den Vordergrund stellt. Und als atmosphärische GRUDGE-Coverversion, die nebenbei noch die Paranoia-Gitarren und mit leise-tragischen DARK WATERS-Untertönen spielt, schlägt sich THE ECHO wahrlich nicht schlecht.
2008 durfte der junge philippinische Regisseur seinen vier Jahre zuvor entstandenen Horrorfilm SIGAW in Hollywood noch einmal drehen. Mit größerem Budget, amerikanischer Crew und schaurigerem Dämonen-Makeup. 2013 kommt THE ECHO nun auch in unseren Breitengraden zu DVD & Blu-ray-Ehren. Ein starkes Drittel lang ist das "Hell in a Apartment"-Horror reinsten paranoiden Wassers, leicht vermischt mit den tragischen Untertönen eines DARK WATER. Dann gibt es allerdings Creeping Ghost-Attacken in der Endlosschleife und zwar in bester, gänsehautschürender GRUDGE-Manier. Mit Können, Genrekenntnis und einem unbestreitbaren Gespür für Atmosphäre imitiert Yam Laranas die großen unheimlichen Meister des modernen asiatischen Geisterfilms. Damit sorgt er zwar nicht für große Überraschungen an der asiatisch geprägten Gespensterfront, aber zumindest für den einen oder anderen heftigen Erschrecker.