DRAMA/BIOPIC: BE/NL, 2010
Regie: Lee Tamahori
Darsteller: Dominic Cooper, Ludivine Sagnier, Raad Rawi
Glamouröser kann ein Job nicht mehr sein: Feinster Stoff mindestens von Armani am Körper, maßgeschneiderte Schuhe, Rolex-Uhr, unlimitiertes Spesenkonto, Lamborghini als Dienstwagen. Einziger Nachteil: Die Arbeit ist potentiell lebensgefährlich, was mit der Person des Auftraggebers zu tun hat. Der hört nämlich auf den Namen Uday Saddam Hussein, ist Diktatoren-Sohn von Beruf und braucht dringend einen Doppelgänger für heikle öffentliche Auftritte. Die Wahl fällt auf Udays ehemaligen Schulkollegen Latif, der Saddam Junior zum Verwechseln ähnlich sieht. Je mehr Zeit Latif mit dem psychopathischen Sadisten Uday verbringt, desto klarer wird ihm, dass er schon tot war, als ihm das "Angebot" unterbreitet wurde ...
Zum ersten Mal gelesen hab ich über diesen Film - nein, ich will euch jetzt nicht beeindrucken - in dieser New York-Times-Teaser-Ausgabe, die Montags dem Standard beiliegt. Die Kritik war recht freundlich - und es sollte leider die einzige positive Filmbesprechung bleiben, die mir zu THE DEVIL'S DOUBLE untergekommen ist.
Im deutschen Sprachraum wurde THE DEVIL'S DOUBLE, der lose auf dem umstrittenen Buch "Ich war Saddams Sohn" von Uday Husseins Doppelgänger Latif Yahia beruht, äußerst frostig aufgenommen.
Wenn man schwarmintelligenten Kommentaren aus der Blogospähre glauben darf, soll das Publikum bei der Premiere auf der Berlinale 2011 angeblich in Massen geflüchtet sein. Ich kann das jetzt nicht überprüfen, aber es würde zu den zahllosen humorlosen Total-Verrissen der üblichen deutschen Hochkultur-Verdächtigen passen, denen schlicht und ergreifend die ruppige Tonlage des Films nicht gepasst hat.
Fakt ist jedenfalls: Regisseur Lee Tamahori ist ein Pechvogel. Nach seinem Durchbruch mit dem vielbeachteten Maori-Drama ONCE WERE WARRIORS (1994) ist der gebürtigen Neuseeländer in Hollywood bald unter die Räder gekommen. Und das, obwohl er auch einen Bond (DIE ANOTHER DAY) dirigieren durfte.
THE DEVIL'S DOUBLE wurde für Hollywood-Verhältnisse günstige, für europäische Verhältnisse eher astronomische 19 Millionen Dollar auf Malta gedreht. Dem Film vorzuwerfen, er wirke billig und ausbeuterisch, ist selbst ziemlich billig. Wie, wenn nicht so, sollte man einen realistischen Blick ins Innere eines totalitären Systems werfen, das auf Größenwahn, grotesker Dekadenz, systematischem Terror und allgegenwärtiger Angst basiert?
Lee Tamahori hält sich jedenfalls nicht lange mit Subtilitäten auf und inszeniert seinen Film als prallen, leicht surrealen, ausstattungstechnisch in jeder Minute beeindrucken Bilderbogen aus der Hölle einer menschenverachtenden Wüsten-Diktatur. Hochglanz-Exploitation, wenn man so will, solide inszeniert und auch schauspielerisch top.
Was Dominic Cooper (Captain America) hier abzieht, ist schon verschärfter Stoff: Wie der arabische Psychopathen-Bruder von Tony Montana sauft, flucht, kokst, fickt, foltert, mordet und vergewaltigt sich Cooper als Uday Hussein durch den Film; wahlweise mit Whiskyflasche oder automatischer Waffe in der Hand. Wobei die filmische Darstellung von Uday als großes, psychopathisches Kind, das einfach nur spielen will, eh noch vergleichsweise schmeichelhaft ausgefallen ist. Wenn man Wikipedia glauben darf, soll der echte Uday zu Taten fähig gewesen sein, gegen die jeder Torture-Porn wie die Biene Maja aussieht.
Vor Coopers schauspielerischem Amoklauf kann der restliche Cast nur noch die Waffen strecken. Ludivine Sagnier (Swimming Pool) lässt in ihrer Rolle als Diktatoren-Flittchen zwar die beste Courtney Love raushängen, die sie draufhat, bleibt aber nicht nur wegen ihrer dicken Schminke etwas blass. Verschenkt leider auch der Auftritt von Saddam Hussein, der von einem mir unbekannten TV-Schauspieler namens Philip Quast gespielt wird. Wo bleibt nur Nicolas Cage, wenn man ihn braucht?
In diesem Sinne: (Saddam über Uday): "I should have killed him at birth."
Die Geschichte eines Soldaten, der von Saddam Husseins verhaltenskreativem Sohn Uday als Doppelgänger auserkoren wurde: Irgendwo zwischen (Hochglanz-)Exploitation und ambitioniertem Biopic, zwischen reißerischem Exzess-Kino und Meldodram darf Dominic Cooper in einer Doppelrolle die Sau rauslassen. Aber so was von.
Mir wird ja von schwarmintelligenten Kommentarfunktionsnutzern des öfteren vorgeworfen, ich mache mir einen Sport darauf, mich in meinen Kritiken möglichst weit vom gesunden Volksempfinden zu entfernen. Das tu ich diesmal ganz und gar nicht und vergebe genau so viele Punkte wie auf der IMDB, nämlich ...