HORROR: GB, 2010
Regie: Howard Ford, Jon Ford
Darsteller: Rob Freeman, Prince David Osei und unzählige Zombie-Komparsen
Zombies haben Afrika überrannt. Und mittendrin in der Apokalypse bei schwindender Munition, Nahrung und Hoffnung sowie ständigen Angriffen der lebenden Toten ausgesetzt ein versprengter, amerikanischer Ingenieur und ein desertierter, afrikanischer Soldat, der seinen kleinen Sohn sucht ...
Gemessen am Coolness- oder Hipfaktor können die in Afrika marodierenden Zombies aus THE DEAD ihren Kollegen aus dem typisch amerikanischen ZOMBIELAND nicht das Wasser reichen. Keine lustigen Stippvisiten in den protzigen Villen lässiger Hollywoodstars. Keine Metallica-Songs zur Zombie-Invasion. Keine coolen Ratschläge wie aus Brooks` Survival Guide zum Z-Day im Gepäck und auch keine hübschen, toughen Girlies an der Seite. Bei der Apokalypse in THE DEAD herrscht leider keine Partystimmung.
Leider? - Fulci sei Dank! Auch wenn ich persönlich keine Probleme mit einem Zombiefilm der Marke ZOMBIELAND habe und mich dabei durchaus amüsieren kann; bei einem wie THE DEAD geht mir das Dead Heart aber erst so richtig auf. Der orientiert sich in Zeiten der sprintenden, ironischen, lustigen oder gewollt-trashigen Zombies nämlich noch an der alten Schule.
Nicht, dass ich dem modernen, gegenwärtigen Zombiefilm per se nichts abgewinnen könnte. Ganz im Gegenteil. Die beiden aus Großbritannien - mit den Bestandteilen "28" und "later" in ihren Titeln- beeindruckten mich mit ihrer delikaten apokalyptischen Stimmung und der spanische Live-Frontbericht aus dem unter Quarantäne stehenden und mit kannibalischen Amokläufern verseuchten Haus mit seinem rohen Furor. Doch in den Erstgenannten toben bekanntlich keine Zombies, sondern virenbedingte Super-Tollwütige und [REC] gab sich im Sequel der Lächerlichkeit preis, als er seine Zombieapokalypse mit einer "per Biss übertragenen dämonischen Besessenheit" zu erklären gedachte.
In THE DEAD jedoch gibt es "richtige" Zombies ganz nach der Lesart eines Romero oder Fulci - und die feiern hier eine glorreiche Rückkehr. Es sind wandelnde Tote, die die Welt der Lebenden längst überrannt und ins Chaos gestürzt haben und die wie übel versehrte, menschenfressende Schlafwandler mit verstörender Langsamkeit, aber unbarmherziger Zielstrebigkeit den letzten Überlebenden nachstellen.
Das Genre erfindet dieser von den britischen Gebrüdern Howard und Jon Ford realisierte Film sicherlich nicht neu. Nein, die Geschichte ist sogar ausgesprochen minimalistisch und lässt sich gut mit "Zwei Männer in Afrika - einer auf der Suche nach seinem kleinen Sohn, der Andere nach einem Flugzeug, das ihn aus dem Land bringen könnte; im Überlebenskampf inmitten einer Zombie-Apokalypse" auf den knappen Punkt bringen. Dabei haben die beiden Hauptfiguren nicht nur mit den lebenden Toten, sondern auch mit Hunger, Durst, knappem Treibstoff und zunehmender Hoffnungslosigkeit zu kämpfen. Mehr bietet das Drehbuch eigentlich nicht. Aber auch nicht weniger.
THE DEAD hebt sich nicht mit Originalität oder neuen Ideen aus der Masse heraus, sondern weil der Film das alte Lied vom "World War Z" völlig humorlos, gänzlich ironiefrei, knochentrocken und mit buchstäblichem Todernst spielt. Daraus erwächst ein 104-minütiger, minimalistischer, aber perfekt komponierter Soundtrack zum Untergang der (atmenden) Menschheit.
THE DEAD setzt den apokalyptischen Würgegriff gleich in der ersten Minute an und lässt nicht mehr los. Dabei bedient er sich eines durchaus repetativen Szenarios; das einer verzweifelten, kopflosen und vor allem eher wortkargen Flucht durch ein endzeitliches Land, welche durch ständige, zermürbende Konfrontationen mit den omnipräsenten Zombies geprägt ist. Viel Abwechslung bietet THE DEAD dabei zugegebenermaßen nicht, aber dafür eine beeindruckende Konsequenz und ein fortwährendes, angesichts immer knapper werdenden Munition-, Benzin und Nahrungsvorräten stetig stärker werdendes Gefühl der Ausweglosigkeit. Selbst wenn sich ein Protagonist durch die Wüste schlägt, zu einer abgelegenen, scheinbar gottverlassenen Berglandschaft hin, in der Hoffnung wenigstens dort einmal einen Moment verschnaufen zu können, sehen wir nicht weit hinter ihm schon den ersten Toten auftauchen. Und wenn der Protagonist aufblickt, sind dort bereits zwei oder drei. Und wenn er sich dann umschaut hat er fünf, sechs weitere im Rücken.
Es ist diese bedrückende "Die Toten sind überall und du bist nirgends sicher!"-Situation, die aus THE DEAD einen intensiven Horror- und einen mächtig beklemmenden Zombiefilm macht.
Dem Zuschauer wird ebenso wie den Protagonisten keine Ruhe gegönnt. Ja, nicht einmal ein befreiendes Lachen durch eine ironische Entschärfung oder eine übertrieben dargebotene Over-the-edge-Splatterei. THE DEAD ist nicht effekthascherisch, sondern setzt auf knapp angesetzte und heftig ausgeführte Gewaltmomente. Dabei erreicht man bei gutgemachter Handarbeit mit viel Latex, Kunstblut und Metzgereimaterialen durchaus den Goregehalt eines härteren Zombiefilms - und kam damit trotz Ironie-Askese einem Wunder gleich ungeschoren durch die FSK!
Doch die stärksten Trümpfe in den bleichen, zerfetzten Leichenfingern von THE DEAD sind wohl die Afrika-Location mit ihren Wüsten, Steppen und Barackensiedlungen (was alte Genrehasen natürlich sofort in Erinnerungen an Fulcis WOODOO - SCHRECKENSINSEL DER ZOMBIES oder Matteis HÖLLE DER LEBENDEN TOTEN schwelgen lässt) und natürlich diese Atmosphäre zum Schneiden. Die Ford-Brüder beschwören in ihrer (im übrigen wunderbar fotografierten und mit einem Killer-Score unterlegten) Zombiepremiere die unheimlichsten und stimmungsvollsten Momente von WOODOO, als dort die Toten durch nächtliches Gehölz oder durch staubige entvölkerte Geisterdörfer wankten, um am Ende eine Mission zu belagern, immer und immer wieder herauf.
Im Ergebnis ist dies ein zwar nicht innovativer, aber großartig beklemmend inszenierter Horrorfilm. Was für die ZOMBIELAND-Jugend eventuell zu uncool, zu unzeitgemäß und zu langsam geschnitten sein könnte, sollte für Freunde der alten Zombie-Schule ein Grund zum Feiern sein. Weil THE DEAD nicht nur die ehernen Regeln eines "Dead"-Film einhält, sondern die einst von den Meistern Romero und Fulci geschriebene Partitur einer Zombie-Apokalypse darüber hinaus perfekt interpretiert.
Zombies halten Blutgericht in der afrikanischen Steppe...- Dies tun sie ohne ironische Entschärfung, ohne Stakkato-Schnitt, ohne lässige Oneliner und ohne olympiareifen Sprinterqualitäten. Aber dafür mit Zombies, die mit allerlei fiesen Versehrungen aufwarten, einer bedrohlichen, alptraumhaften Endzeitstimmung und mit handgemachten Splattereffekten der Marke "Kurz und heftig". Über allem thront eine finstere Ausweglosigkeit und eine Atmosphäre, die Erinnerungen an die unheimlichsten Momente aus Lucio Fulcis WOODOO weckt. So und nicht anders stelle ich mir einen Zombiefilm ganz im Geiste der alten Meister Romero und Fulci vor!