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The Counselor

The Counselor

THRILLER/DRAMA: USA, 2013
Regie: Ridley Scott
Darsteller: Brad Pitt, Michael Fassbender, Cameron Diaz, Penélope Cruz, Javier Bardem, Rosie Perez

STORY:

Der Counselor könnte mit seinem Leben eigentlich zufrieden sein: Tolle Anzüge, schickes Auto, wunderschöne Freundin. Aber weil genug nie genug ist und der teure Diamant am Verlobungsring gar so verlockend funkelt, lässt er sich auf einen Deal mit einem mexikanischen Drogenkartell ein. Schwerer Fehler ...

KRITIK:

Was ist hier bitte passiert? Cormac McCarthy, einer der renommiertesten US-Autoren, dessen Leinwand-Adaptionen NO COUNTRY FOR OLD MEN und THE ROAD allerorts bejubelt wurden, wagt sich auf seine alten Tage erstmals an ein Originaldrehbuch. Ridley Scott, der sich nach Jahrhundert-Werken ALIEN und BLADE RUNNER eigentlich nichts mehr beweisen müsste, übernimmt die Regie. Und halb Hollywood reißt sich um eine Rolle in diesem Prestige-Projekt.

Und dann das: Hämische bis wutschnaubende Verrisse, wohin man blickt und klickt. Ein Blutbad an der Kinokasse. Von einer "Goldenen Himbeere" als schlechtester Film des Jahres ist gar die Rede. Ihr ahnt vielleicht, dass ich hier zu einer etwas anderen Einschätzung gelange: Meiner bescheidenen Meinung nach ist THE COUNSELOR nichts weniger als ein großartiger Film.

Auch wenn sich das jetzt affektiert oder gar doof anhört: Ridley Scott hat einen Meta-Film gedreht, der sich lediglich als Thriller tarnt und landläufigen Erwartungshaltungen den (abgeschnittenen) Mittelfinger entgegenstreckt. An der Oberfläche ist alles cool: Prächtige Schauwerte, betont slick und stylisch fotographiert. Eye-Candy hart an der Grenze zum Augenkrebs.

Aber: Die Story? Nebensächlich. Offene Fragen? Einige. Spannungsdramaturgie? Drauf hatte McCarthy schlicht keine Lust. Vielleicht kann er das auch nicht oder will es nicht können. Charakter-Entwicklung? Findet nicht statt; die Charaktere agieren von Anfang an im moralfreien Raum und sehen keinen Anlass, daran im Laufe des Films etwas zu ändern.

Anscheinend reicht das bereits, um selbst als intelligent eingeschätzte Kritiker verbal Amok laufen zu lassen.

Bei derartigen Verrissen fragt man sich unweigerlich: Wie stockkonservativ ist die etablierte Filmkritik (und das Actionthriller-Publikum) eigentlich? Ist denn niemand mehr in der Lage, ein klein wenig über das Offensichtliche hinauszublicken? Ein Werk in einen größeren Kontext zu stellen? Das Subversive, das Hinterfotzige, das Abgründige und Beunruhigende unter der bewusst irreführenden Hochglanz-Verpackung freizulegen?

Und glaubt mir, an diesem Film ist einiges beunruhigend. Dabei rede ich noch nicht mal von den zwei, drei exzessiven Gewaltspitzen, die sich nachdrücklich in die Netzhaut einbrennen. Und auch nicht von den vereinzelten Anflügen grenzwertigen Psychopathen-Humors, dessen kaltschnäuziger Zynismus das Lachen gleich wieder im Keim erstickt.

Das Beunruhigende an diesem Film ist die völlige Abwesenheit jeglicher Moral. Radikaler und nihilistischer als so ziemlich jeder Film der letzten Jahre stellt THE COUNSELOR die Humanität, die Menschlichkeit per se in Frage. Mitgefühl? Empathie? - Kann man im Drogengeschäft nicht brauchen. Liebe? Eine Illusion, ein Manipulations-Werkzeug, ein Mittel zum Zweck, nicht mehr. Hier herrscht eine Brutalität und Gefühlskälte, die einen frösteln macht.

Einen derart pessimistischen Befund zum Zustand der Menschheit, den muss man erst einmal verkraften. Ich strebe hier gewiss keinen Doktortitel in Küchenpsychologie an, aber die Verbitterung, die Angst, die Trauer und die Hilflosigkeit, die Ridley Scott nach dem überraschenden Tod seines Bruders verspürt haben muss, die spiegelt in der Figur des Counselors (wie immer großartig: Michael Fassbender) wider. Also auch ein persönliches, möglicherweise Ridley Scotts persönlichstes Werk. Was die armseligen Verrisse allerorts noch dümmlicher und oberflächlicher erscheinen lässt. Nuff' said.

The Counselor Bild 1
The Counselor Bild 2
The Counselor Bild 3
The Counselor Bild 4
The Counselor Bild 5
FAZIT:

Ein Anwalt lässt sich aus Gier mit der mexikanischen Drogenmafia ein und bereut seine Entscheidung augenblicklich ... Ridley Scott inszeniert das Originaldrehbuch von Corman McCarthy im Sinne des Autors: Konsequent gegen jegliche Erwartungshaltungen. Die ahnungslosen Zombie-Kritiker schäumten vor Wut, das (Massen-)Publikum blieb fern. Grandioser, radikal dialoglastiger Anti-Thriller. Spitzen-Schauspieler. Love it or hate it.

In diesem Sinne: "In diesem Geschäft muss man Sinn für Humor haben, sonst ..."

WERTUNG: 9 von 10 Drahtschlingen
Dein Kommentar >>
Fiji | 06.02.2014 22:26
Schöne Kritik. Ich fand den Film großartig, für mich zusammen mit La Grande Belezza der Film des Jahres. Irgendwie komisch, wie einheitlich das Kritikerecho auf den Film ausfällt.

Yo, Pat Bateman, trage von Zeit zu Zeit auch Schildmützen in geschlossenen Räumen. Was hat das mit irgendwas zu tun?



>> antworten
FilmFan | 25.12.2013 22:15
einer der schlechtesten filme die ich gesehen
habe....sinnlose dialoge und teilweise unnötige
szenen....zum glück retten die letzten dreissig
minuten einigermassen etwas. Im Kino sind glaub 20
Prozent vorzeitig gegangen. Man hätte viel mehr
draus machen können weil die schauspielerische
Leistung und grundidee eigentlich ziemlich gut war.

FAnd in den letzten Jahren nur Hangover 3 deutlich
schlechter. Würde 2 von 5 Sternen geben.
>> antworten
Gregor | 07.12.2013 15:19
Schöne Review Boss! Ist wohl die erste vernünftige zum Film, die ich bisher gelesen habe. Ich verstehe die Aufregung auch nicht so wirklich. Im Prinzip zeigt THE COUNCELLOR ja die gleiche Welt, die auch bereits in NO COUNTRY FOR OLD MEN beschrieben wurde. Ist diesmal nur eben eindeutig ein Thriller-Drama (und kein Action-Thriller) geworden. Und ich finde, was den dramatischen Teil betrifft, ist der Film von der ersten bis zur letzten Szene hin sogar ganz klassisch aufgebaut und es bleibt auch keine Frage (z.B. zum Inhalt bestimmter Datenträger) offen. Nur die Handlung um den Drogentransport ist ein wenig lückenhaft. Aber schließlich spiegelt das nur, dass der Councellor in dieser Welt selbst nicht den Überblick hat. Und wenn sich Leute über Charktere, wie den von Javier Bardem aufregen, dann frage ich mich doch, ob die dessen Rolle im Coens Film tatsächlich vollkommen ernst genommen hatten. 9/10 Punkte sollten es hier wirklich schon sein!
Harald | 07.12.2013 20:59
Danke!
filmstarts.de ist übrigens auch eine recht treffende
& vernüftige Besprechung gelungen. Auch wenn das
Fazit dort nicht gerade euphorisch ausfällt, hat der
Autor immerhin die Intention des Films verstanden.
Und eine sensationell gute Besprechung, nein,
eigentlich eine philosophische Grundsatzdiskussion
gibt's bei den lieben Menschen von fm4:
fm4.orf.at/stories/1729389
>> antworten
Pat Bateman | 06.12.2013 17:25

Schön zu sehen, dass filmtipps einmal mehr nicht in das selbe Horn wie das Gros der übrigen Rezensionen (35% rottentomatoes ernsthaft?) bläst.
Ich sah den Film als Preview und amüsierte mich bereits im Vorfeld über die Sorte Zuschauer, welche Schildmützen in geschlossenen Räumen zu tragen pflegt und deren abzusehende Reaktion auf einen Film, den zu sichten man offensichtlich anhand des fehlleitenden Trailers entschieden hatte.


8 von 10 Putzerfischen
Pat Bateman | 06.12.2013 17:28

"dasselbe", pardon
>> antworten
oldboy | 02.12.2013 17:48
gutes review! - guter film....aber nur mit drogen oder alkohol....etc....
genießbar ;)
>> antworten
Monezza | 30.11.2013 11:45
Gestern gesehen und ratlos aus dem Kinosaal gegangen. Trotz voller Konzentration und dem unbedingten Willen, den Film zu mögen ist mir genau das nicht gelungen. Man kann auf einige der entscheidenden Komponenten eines Films wie Story, Logik, Spannung, Charakterentwicklung verzichten, wenn diese durch andere Stärken z.B. durch Atmosphäre, clevere Dialoge oder einen markanten Stil aufgefangen werden. Nicht aber auf alle zusammen. Ein Film soll in letzter Konsequenz ja unterhalten und/oder zum nachdenken oder reflektieren anregen. Nach Betrachtung des Counselors bleibt nichts als die nüchterne Erkenntnis, dass der Mensch schlecht, die Gier ein todbringendes Übel und Drogenkartelle zutiefst inhuman sind. Dafür braucht ich aber keinen Zweistunden-Film, da reicht es die Zeitung aufzuschlagen. Die Dialoge wechseln zwischen philiosophisch-pointiert und erschreckend belanglos, oft wirken sie einfach nur völlig konstruiert und kreisen ums sich selbst. Die Schauspieler mit Ausnahme von Cameron Diaz bekommen ob der dem Drehbuch geschuldeten Enge bzw. Eindimensionalität der Figuren nichts, womit sie arbeiten könnten und versuchen verzweifelt, das Beste herauszuspielen. So lässt einen der Film trotz einiger eindringlicher Szenen ein einfach nur leeres, unbefriedigendes Gefühl zurück. Und mit der Frustration darüber, was an Potential hier verschenkt wurde.
>> antworten
Andreas | 30.11.2013 09:25
hmm, klingt jetzt mal nicht so schlecht... aber wenn du schreibst
<<
Die Story? Nebensächlich. Offene Fragen? Einige. Spannungsdramaturgie? Drauf hatte McCarthy schlicht keine Lust."
>>
ist das schon eher bedenklich, weil das sind doch hauptkriterien für einen guten Film?

Aber naja, vielleicht gibt es das Teil ja irgendwann mal an einem Black Friday günstig zu erwerben.
Harald | 30.11.2013 10:35
Ich weiß, das Gros des Publikums braucht Storys und
Spannung - und ganz wichtig: Befriedigende
Auflösungen. Wehe, wenn Fragen offen bleiben. Wehe,
wenn der Logik-Analyzer auf Fehler stößt. Aber: Gibt
es im wirklichen Leben so etwas wie Logik und
Handlung? I doubt it.
Oder, wie Klaus Kinski mal gesagt hat: "Nie wäre
mir in den Sinn gekommen, das, was ich ausdrücken
wollte, in die Zwangsjacke eines dieser idiotischen,
fürs Publikum zusammengeschusterten Film-Handlungen
zu verschnüren; mit ihrer pedantischen und
diktatorischen Logik und 'Continuity'."
a-l-e-x | 30.11.2013 12:03
Da hast Du R. Scott aber ein nettes Geburtstagsgeschenk bereitet
Harald! Da wird er sich freuen!

Wenn sich der Film wirklich als Film "dekonstruiert" um sich auf einer
anderen Ebene wieder zu "rekonstruieren" klingt das ganz nach
meinem Geschmack - muss ich mir dann wohl doch ansehen. Ich
vertrau dir da voll und ganz!

Dass du allerdings Kinski zitierst halte ich für ein wenig bedenklich ;-)

Harald | 30.11.2013 12:47
Der Mensch Kinski war ein Schwein. Der Künstler Kinski ist
m.E. unantastbar.
a-l-e-x | 30.11.2013 15:00
ich bin da eigentlich eh bei dir. Aber seit ich "Ich brauche Liebe"
gelesen habe, habe ich Angst vor Kinski, sowohl von der Person, als
auch vom Künstler. Das war für mich - einer Unschuld vom Lande -
dann doch etwas zu starker Tobak.
Nic | 30.11.2013 15:59
aetigen!
Fiji | 06.02.2014 22:19
Schöne Kritik. Hat mir sehr gut gefallen, für mich zusammen mit La Grande Belezza der Film des Jahres. Irgendwie komisch, wie einheitlich das Kritikerecho auf den Film ausfällt.
>> antworten