SCIENCE FICTION DRAMA: USA, 2013
Regie: Ari Folman
Darsteller: Robin Wright, Harvey Keitel, Paul Giamatti, Jon Hamm, Danny Huston,...
Robin Wright ist eine alternde Schauspielerin, die sich durch schlechte Rollenwahl und Allüren (u.a. keine Science Fiction Rollen) immer mehr ins Abseits katapultiert hat. Nun bekommt sie ein unmoralisches Angebot. Sie soll ihr schauspielerndes Selbst an ein Hollywoodstudio verkaufen und dann aus dem öffentlichen Leben verschwinden. Als sie nach zwanzig Jahren zum futurologischen Kongress erscheint und sich von ihrer damaligen Entscheidung distanziert, ahnt sie noch nicht, das alles noch schlimmer kommen wird ...
The Congress ist der neue Film von Ari Folmann, der uns mit seinem Meisterwerk Waltz with Bashir nachhaltig verstörte, weil er es unerhörterweise wagte eine todernste Dokumentation mit den Mitteln des Animationsfilmes zu erzählen. Mit seinem Nachfolger wandelt er weiterhin auf diesen ungewöhnlichen Pfaden, weil er schon wieder einen Zeichentrickfilm rein für ein erwachsenes Publikum mit großem Fassungsvermögen realisiert. Und auch diesmal ist ihm die große Polarisierung sicher, obwohl sich der Diskurs von "Darf man so etwas in dieser Form zeigen?" zu "Soll man diesen wirren, pseudotiefsinnigen Schmarrn wirklich ernstnehmen?" verschieben wird.
Also ich muss gleich sagen, dass ich erst ganz am Ende mit The Congress versöhnt wurde, und daher absolut jeden der hier vorzeitig das Handtuch werfen würde, verstehen könnte. Der erste Akt, noch Realfilm, ist ohnehin eine wahre Katastrophe an moralisierender Verkrampfung, gestelzter Tiefsinnigkeit und schlechtem Filmemachen. Das böse kapitalistische Studiosystem mit seiner neoliberalen Verwertungslogik und die arme, quasi zur Prostitution gezwungene Schauspielerin inmitten von eigenartig sterilen Bildern, flacher Charakterzeichnung, abgedroschener Kritik an sowieso allem sowie einigen kläglich gescheiterten Versuchen von Selbstreflexion in Form von satirischer Überhöhung durch müde, selbstreferenzielle Witzchen.
In diesen zwanzig Minuten wird klar, dass Ari Folman besser im Animationsfilm aufgehoben ist, weil er mit richtigen Schauspielern offenbar nicht wirklich umgehen kann und als dramatischer Drehbuchautor auch nichts zu taugen scheint. Dann jedoch wird alles anders, wenn auch noch nicht unbedingt besser. Jetzt betreten wir erst die Vorlage Stansislaw Lems und der Film die animierte Welt und jetzt kennen wir uns überhaupt nicht mehr aus.
Das zweite Drittel des Films folgt der puren Traumlogik und ist als solche bei erstmaligem Ansehen wahrscheinlich nur von David Lynch persönlich zu entschlüsseln. Aber dieser Verlust der Übersicht und diese Verwirrung machen durchaus Sinn, weil der Film (vielleicht, sicher kann man sich ja nicht sein) von großen Veränderungen in der Welt erzählt, und was sie für uns bedeuten.
Denn als dann im dritten Akt (vielleicht) aufgelöst wird, wie es mit uns Menschen weitergehen soll und wird, fühlt man sich wohl wie Neo als er aus der Matrix erwacht. Ari Folman zeichnet mit den sperrigen Mitteln des Kunstfilms letztlich eine äußerst beunruhigende Zukunftsvision, die einen bis aufs Mark erschüttert. Nein, die Zukunft sieht eben (womöglich) nicht genauso aus, wie wir uns das seit Blade Runner immer vorgestellt haben.
Nein, wenn man das Internet und die Pharmakologie konsequent weiter denkt, dann wird es noch viel, viel .... ja was nun? Schlimmer? Das ist schwer zu sagen. Das ist aber auch der Punkt dieses Films. Er stellt Fragen, viele dieser wichtigen großen Fragen, und natürlich erlöst er uns nicht mit einfachen Antworten. Er erlöst uns gar nicht. Denn in der Hoffnung, die er verbreitet, liegt gleichzeitig die Ausweglosigkeit unserer Existenz begraben. Wie sehr belügen wir uns eigentlich wirklich um unser Leben zu ertragen?
Ich würde sagen, der Höhepunkt von The Congress ist es dem Zuseher diese schmerzliche Frage bewusst zu machen. Es ist aber nicht bis zu diesem Punkt zu gelangen, weil man sich davor durch ein Labyrinth von Verweisen, Zeichen und Zitaten kämpfen muss, in dem man sich hoffnungslos verlieren kann.
Wie schreibt Hermann Hesse als Gefangener seines pubertär-elitären Habitus so schön in seinem Steppenwolf: "Magisches Theater. Eintritt nicht für Jedermann. Nur für Verrückte." Wer diesen Code zu verstehen glaubt, der soll sich an The Congress heranwagen. Wer damit nichts anfangen kann, wird hier vermutlich weder fündig noch glücklich werden.
The Congress ist sicher keine leichte Kost für zwischendurch und krankt gerade in seinem ersten Teil an inhaltlichen und inszenatorischen Schwächen. Wer aber ein bisschen offen ist für einen traumlogischen Bilderrausch, der nach und nach um "die großen Fragen" der menschlichen Existenz kreist, wird mit einem beunruhigenden, aber auch nachhaltig berührenden Film belohnt. Wer sein Kunstfilmsoll diesen Monat noch nicht erfüllt hat, der möge sich schleunigst ins Kino begeben!