HORROR: GB, 2008
Regie: Tom Shankland
Darsteller: Eva Birthistle, Stephen Campbell Moore, Hannah Tointon, Rachel Shelley
"(THE CHILDREN) lässt das Blut in den Adern gefrieren..." -
...steht groß auf dem Cover des vorliegenden Films. Ein viel bemühter Werbespruch, der im Fall von Tom Shanklands zweitem Horrorstreifen nach W DELTA Z gar nicht mal so unwahr ist, hier aber um einen wichtigen Zusatz ergänzt werden müsste. Denn THE CHILDREN lässt vor allem Elternblut gefrieren.
Ich war das erste Mal seit Jahren wieder kurz davor, dass alte tröstende Mantra "It's only a movie, it's only a movie, it's only..." aufzusagen. Was wohl daran liegt, dass ich - seit selbst Vater - bei Horrorfilmen, in denen Kinder bedroht oder zur Bedrohung werden, sehr viel empfindlicher reagiere als früher in den kinderlosen Tagen, wo man bei FRIEDHOF DER KUSCHELTIERE noch mehr mit Fred Gywnnes Achillessehne gelitten hat als mit dem kleinen Gage bei seinem letzten Papierdrachenflug. THE CHILDREN beschreibt mit den Waffen des Horrorfilms den elterlichen SuperGAU. Ich verwette meine ganzen gesammelten Elternbriefe, dass dieser Film all diejenigen, die selbst schon Mama oder Papa sind, garantiert Unwohlsein und die eine oder andere verdammt beunruhigende Erfahrung bescheren wird...
Stellt euch einfach vor, ihr seid mit euren lieben Kleinen zu Besuch im idyllisch wie abgeschieden in einem winterlichen Wald gelegenen Haus eurer Schwester, die einen Ehemann und ebenfalls kleine Kinder hat. Plötzlich verändert sich die Wesensart eurer Kinder. Es beginnt zunächst mit ungewohnter stiller Zurückgezogenheit. Dann kommen Husten, Blässe und Übelkeit hinzu. Die Grippesymptome verschwinden rasch; nur sind die Kinder nun nicht mehr diesselben: Sie sind böse. Nicht nur etwas unartig im Sinne von Nase popeln, "Scheiße" sagen oder den Teller nicht leer essen wollen; nein, sie sind richtig böse.
Ich werfe mal vier Filmtitel in den Raum: THE INNOCENTS, DIE KÖRPERFRESSER KOMMEN, EIN KIND ZU TÖTEN, KINDER DES ZORNS...
Jetzt habt ihr schon einmal eine gute Vorstellung davon, in welche Richtung THE CHILDREN gnadenlos und wahrlich ohne Rücksicht auf Verluste marschiert.
Insbesondere der Letztgenannte dürfte Tom Shankland bei seinem zweiten Horrorfilm Modell gestanden haben (auch wenn er in einem Interview diesbezüglich neben THE INNOCENTS nur DAS OMEN nennt). Doch ich hatte während THE CHILDREN immer QUIEN PUEDE MATAR A UN NINO? vor Augen. Shankland verlagert das Geschehen von der sonnenüberfluteten spanischen Urlaubsinsel in ein kleines Familiendomizil in einem schneebedeckten, englischen Wald.
Auch wenn THE CHILDREN natürlich nicht den Klassikerstatus des legendären spanischen "Horror & Innocence"-Geniestreich aus den 70ern teilt; in einer Beziehung multipliziert er den Schrecken dann doch. Hatten es Serradors Protagonisten aus EIN KIND ZU TÖTEN noch mit fremden Kindern zu tun, sehen sich Shanklands Erwachsene dem eigenen Fleisch und Blut gegenüber.
Bevor sich hier der Schnee zum ersten Mal rot färbt, hat Shankland unser (elterliches) Urangst-Zentrum schon einige Male erfolgreich und zermürbend bombardiert. Die eine Szene, in welcher ein noch gesundes Kind ("Bitte! Ich will nicht zu denen. Ich habe Angst!") zu den anderen noch unerkannt, aber schon infizierten Kindern zum Schlafen ins Kinderzimmer gesteckt wird ("Komm schon. Du bist die Älteste. Du darfst jetzt Mummy sein. Und dann bekommst du zur Belohnung noch einen Stern!"), ist so ein eiskalter, subtil Unter-die-Haut-Schlüpfer ebenso wie jene, in der man sieht, dass von der verschwundenen Hauskatze nur noch das Halsband geblieben ist und dieses nun wie eine Trophäe zwischen Kinderspielzeug hängt...
Dann eine aus der Vogelperspektive verfolgte Blutspur im Schnee, die in ein quietschgelbes Kinderzelt führt.
Die leitet die zweite Hälfte des Films ein. Und in dieser beweist Shankland, dass er durchaus im Stande ist, Alptraumszenarien noch schrecklicher zu machen. Dann wird aus subtil plötzlich hammerhart. Und es wird verdammt blutig. Allerdings verkommt THE CHILDREN selbst dann nicht zur plumpen Splatterei, sondern der Film behält seine beklemmende Wirkung bei; intensiviert sie gar noch.
Denn auch die bösen Kinder in THE CHILDREN; obgleich sie längst zu gefühllosen, mörderischen Bestien geworden sind, beherrschen eines immer noch: Bei Bedarf können sie immer noch die Maske eines Kindes aufsetzen, Kindertränen weinen und an Mutterherzen appelieren.
Und so stellt sich auch für die Erwachsenen in diesem Film - wie schon vor fast vierzig Jahren bei Narciso Ibánez Serrador - die grausamste aller Fragen: Who can kill a child?
Wenn Kinder sich plötzlich in eiskalte, mörderische Bestien verwandeln...- Was auf den ersten Blick nach einem lauen KINDER DES ZORNS-Aufguß aussieht, ist in Wahrheit viel größer. Der leider etwas untergangene zweite Horrorfilm von Tom (W DELTA Z) Shankland ist an einem Horror & Innocence-Klassiker wie etwa Serradors EIN KIND ZU TÖTEN überraschend nahe dran. Der Brite liefert hier einen kompromisslosen wie extrem beklemmenden Horrorfilm, der sich nach einer halben Stunde in einen schier auswegslosen Alptraum hineinsteigert und insbesondere Eltern den kalten Schweiß auf die Stirn treiben dürfte. Geheimtipp!