DRAMA: USA, 2013
Regie: Sofia Coppola
Darsteller: Katie Chang, Israel Broussard, Emma Watson, Claire Julien
Ihre Vorbilder heißen Paris, Lindsay, Rachel und Megan. Denen wollen sie nahe sein. So nahe, dass sie nächtens in ihre Villen einbrechen. Und weil innere Werte am meisten zählen, durchwühlen sie das Innere von Paris Hiltons Kleiderkästen und Schmuckschatullen. Da lassen sich wahre Schätze finden, mit denen man auf Facebook prima angeben kann: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der "Bling Ring", wie die Medien diese juvenile Einbrecherbande nennt, auffliegt. Und dann sind sie selbst berühmt ...
Soll noch einer behaupten, die Jugendlichen von heute würden nicht lesen. Aber geh. Dank tmz.com und Konsorten sind Rebecca (Katie Chang) und Marc (Israel Broussard) stets bestens informiert, wo Paris Hilton gerade eine Party schmeißt oder Lindsay Lohan ihren Porsche falschparkt. Rebecca hat die Königsidee: Warum nicht in die leerstehenden Villen der Stars einbrechen und ein paar der schönen Glitzerdinge mitnehmen. Paris Hilton merkt es doch gar nicht, wenn von ihren 500 Louis Vuitton-Taschen zwei fehlen.
Drei Jahre nach der spröden, aber nichts desto trotz faszinierenden Einsamkeitsstudie SOMEWHERE erzählt Sofia Coppola erneut von ihren Lieblingsthemen: Auch BLING RING (based on a true Story!) handelt von den Abgründen von Startum und Ruhm, von existentieller Verlorenheit und Einsamkeit im Goldenen Käfig. Allerdings minus der Poesie; minus dem Bitter-Süßen, minus der Unschuld, minus der Geheimnisse, die ihre Meisterwerke THE VIRGIN SUICIDES oder LOST IN TRANSLATION für sich behalten haben.
Was ja auch wieder stimmig ist: Die (Parallel)-Welt der Celebritys kennt keine Geheimnisse mehr: Jede Bauchfalte, jedes Burger-Essen, jeder Busen-Blitzer wird zur kreischenden Schlagzeile der hirnamputierten Revolverpresse.
Was der Film jedenfalls bietet, ist Eye-Candy satt. Deine Augen machen Bling-Bling. Bekanntlich hat eine gewisse Paris Hilton ihr bescheidenes Eigenheim als Dreh-Location zur Verfügung gestellt. Leute, das muss man gesehen haben. Kein Bühnenbildner dieser Welt könnte dieses Protzvilla gewordene Manifest der Maß- und Geschmacklosigkeit schöner hinkriegen.
BLING RING mag vielleicht nicht Coppolas bester Film sein. Das liegt weniger an der Regie als am wenig interessanten Personal: Nicht eine Figur im Film, die wirklich als emotionales Zentrum taugt. Mit Abstrichen vielleicht Marc, der Einzige aus der juvenilen Viererbande, der mit ein klein wenig Innenleben ausgestattet wurde. Der einen echten Sinn für Schönheit und Ästhetik besitzt und nicht bloß die Markennamen der geklauten Fetzen geil findet.
Apropos geil - oder besser gesagt nicht geil: Auffällig ist die völlige Asexualität aller Protagonisten. Was die Regisseurin wie folgt erklärt: I didn't feel like sex excited them. It was about the stuff - and dressing sexy and getting attention in clubs, and maybe being discovered. It was about being sexy to get where they wanted to. (Quelle: Interview Magazin / FM4)
Celebrity-Stalking und Klauen als Sex-Ersatz also, würde der Meisterkoch in Küchenpsychologie diagnostizieren.
Was man aber nicht übersehen sollte: BLING RING hat auch ein paar sehr schöne, schwebende Momente, die letztlich den Kinobesuch rechtfertigen: Es geht auch hier auch um (unerwiderte) Liebe, um existentielle Melancholie. Sofia Coppola weiß schon, wie sie mich rumkriegt ...
Sofia Coppola erzählt die wahre Geschichte von orientierungslosen Upperclass-Kids, die aus Langeweile in Star-Villen einbrechen, als glitzernd-glamouröse Inszenierung von Oberflächlichkeit und innerer Leere. Vielleicht nicht ihr bester Film bislang, aber dank einiger schöner Momente immer noch die Kinokarte wert.