STONER-KOMÖDIE: USA, 2018
Regie: Harmony Korine
Darsteller: Matthew McConaughey, Snoop Dogg, Isla Fisher, Stefania LaVie, Zac Efron, Jonah Hill
Er ist tiefenentspannt wie der Dude. Er hat die alte Schreibmaschine und die Feierlaune von Johnny Depp aus Fear and Loathing in Las Vegas. Und praktischerweise das Geld vom Wolf of Wall Street. So lässt es sich relaxed in den Tag hineinleben, stets mindestens einen Drink in der Hand halten und an lustigen Zigaretten ziehen, bis "die Welt wieder und wieder hallt. Dann treffe ich die Frequenz bei der ich anfange zu tanzen. Dann bewegen sich meine Finger. Alles an und in mir wirbelt durcheinander. Und die Scheiss-Wörter kommen einfach raus." Ja, so muss man sich das Leben als genialer Drogen-Dichterfürst vorstellen. Doch leider hat Moondog seit Dekaden kein Buch mehr veröffentlicht. Seine schwerreiche Frau, die ihm die süße Nichtsnutzigen-Existenz finanziert, wird langsam ungeduldig ...
Regisseur Harmony Korine zählt zu den letzten freien Radikalen in Hollywood. Als knapp 20-Jähriger sorge er mit dem Drehbuch zu Larry Clarks umstrittenem Jugenddrama KIDS für Aufsehen. Ein Film, der - ich habe mich kürzlich per Neusichtung überzeugt - leider ziemlich schlecht gealtert ist. Ich war nachgerade schockiert, wie unbeholfen und unsympathisch die Darsteller sind (Ausnahme: Chloe Sevigny, Korines damalige Freundin), wie plakativ auf Skandal getrimmt der Film eigentlich ist, wie lieblos hingerotzt er wirkt, wie sehr ihm Sinn für Timing und Ästhetik fehlen.
Völlig ratlos zurückgelassen hat mich ein weiterer Aufreger-Film von Harmony Korine, nämlich TRASH HUMPERS (2009), ein auf VHS (!) gedrehter Amoklauf wider jegliche Geschmackskonvention, in der eine debile Rentnergang vor und auf Mülltonnen masturbiert. Ob TRASH HUMPERS nun ein verstörender Horrorfilm, ein auf VHS gedrehtes Manifest des Wahnsinns, ein Portrait einer völlig durchgedrehten Gesellschaft oder einfach nur ein schlechter Scherz war, ist retrospektiv auch schon wieder egal.
Vollkommen irre hört sich sein abgebrochenes Projekt FIGHT HARM an, wo der Regisseur sich von Passanten, die er provozierte, vorsätzlich krankenhausreif prügeln ließ. Quasi FIGHT CLUB in echt. Richtig großartig hingegen war SPRING BREAKERS (2012), ein starbesetzter, gewaltexzessverliebter Party-Kunstfilm in zuckerlbunten Neonfarben, von dessen bizarrer Schönheit man sich kaum sattsehen kann.
Man merkt vielleicht: Bei diesem Regisseur weiß man nie, woran man gerade ist. Alles kann passieren. Alles kann schliefgehen. Alles kann aber auch großartig werden. So wie THE BEACH BUM. Korine konnte ein beachtliches Star-Aufgebot vor der Kamera versammeln, allen voran Matthew McConaughey als derangierten Exzess-Poeten Moondog. In der Rolle seines Lebens, das klingt vielleicht ein bisschen zu endgültig, aber ich wüsste nicht, wo der ehemalige Romantic Comedy-Schönling je mehr Eindruck hinterlassen hat. Rust Cohle, bitte kurz weghören. Danke.
Freuen darf man sich weiters auf Snoop Dogg, der im Wesentlichen sich selbst spielt. Auf Isla Fisher als Moondogs schwerreiche Ehefrau, Jonah Hill als arschlöchrigen Agenten, Martin Lawrence als Delphin-Freund Captain Wack und Zack Efron als wahnsinnigen Reha-Insassen, von dem sogar Moondog noch etwas lernen kann.
Stoner-Comedies sind ja per se anarchisch. Die einzige Regel ist, dass es keine Regeln gibt. So stolpern wir voller Staunen (und fallweise Befremden) mit Mr. Moondog von einem bekloppt-surrealen Szenario ins nächste. McConaughey fühlt sich sichtlich wohl als torkelnder Mittelpunkt eines bizarren Films, so lustig, geistesgestört und exzessiv, wie ihn nur ein Underdog-Regisseur wie Harmony Korine hinbekommt.
Restlose Begeisterung will sich aber doch nicht einstellen. Es ist nämlich so: Aus küchenpsychologischer Sicht fragt man sich als Zuseher durchaus irritiert, was so ein Mötley Crüe-Lifestyle, diese permanente Weggetreten-Sein mit dem Menschen früher oder später macht. Kann man so alt werden? Wer ist Moondog eigentlich wirklich? Spürt der Mann eigentlich noch irgend etwas, abseits vom nächsten substanzeninduzierten Kick? Kann man Tragödien und Schickssalschläge einfach wegkiffen? Ist - kleiner Spoiler voraus: "Mann, ich vermisse sie. Sie konnte überirdisch blasen. Mein Schwanz hat riesig ausgesehen in ihren kleinen Händen" alles, was einem einfällt, wenn ein geliebter Mensch stirbt? Fragen über Fragen. Moondog würde über solche Überlegungen wohl mitleidig lachen. Und die nächste lustige Zigarette anzünden.
Matthew McConaughey torkelt als Quersumme aus dem Dude und Hunter S. Thompson durch die Bars der Florida Keys, stets einen Drink in der Hand und eine lustige Zigarette im Mundwinkel. Erhellende Antworten auf die großen Fragen des Lebens darf man sich von Harmony Korines Meta-Stoner-Comedy naturgemäß eher nicht erwarten. Ein bemerkenswert bizarres und streckenweise nicht unlustiges Kino-Erlebnis geht sich aber allemal aus.