SEUCHENHORROR: USA, 2012
Regie: Barry Levinson
Darsteller: Kether Donahue, Stephen Kunken, Frank Deal, Nansi Aluka
Just zu den Nationalfeiertagsfeierlichkeiten bricht in dem kleinen Küstenstädtchen Claridge eine Seuche aus, die innerhalb kürzester Zeit zum Tod führt und ihren Ursprung sich im Trinkwasser befindenden Parasiten zu haben scheint. Reporterin Donna und ihr Kameramann sind live vor Ort und dokumentieren den Outbreak für die Nachwelt in Ton und Wackelbild ...
Vor vielen Jahren habe ich einen Tatsachenroman mit dem Titel Hot Zone gelesen. Darin ging es unter anderem um Ebola und den Ausbruch des ebenso todbringenden Marburg-Erregers in Deutschland im Jahre 1967. Das Buch hat mich schaudern lassen. Der Angriff der Killertomaten, die sich dann als Killersprossen entpuppt haben, also die EHEC-Epidemie in Deutschland im Jahr 2011, hat mich ebenfalls zutiefst verunsichert und das ordinäre Gemüse in unserem Kühlschrank urplötzlich in so etwas Bedrohliches wie einen giftgelben Frosch oder 40 Grad Fieber verwandelt. Und ja - wenn ich am Ende noch etwas artverwandtes Fiktives aufführen dürfte - Der Schwarm von Schätzing; trotz Yrr beunruhigend, beängstigend und irgendwie vorstellbar.
Über Gedeih und Verderb eines Filmes wie THE BAY, der auf dem Found Footage-Prinzip und laut Aussage seines Regisseurs Barry (RAIN MAN, TOYS) Levinson auf über 80 % wissenschaftlich nachgewiesener Fakten basiert, und mit durchaus realen Schrecken wie Seuchen, Parasiten, Epidemien und Umweltverschmutzung operiert, entscheidet immer das Auge des Betrachters. Und zwar inwieweit es dem Film seine fiktive "Authentizität" abkauft.
Tut man dies und man hält das dargebotene Alptraumszenario von kontaminierten Trinkwasser, menschenvoninnenauffressenden Parasiten, Eiterpusteln und leichenübersäten Straßen für denkbar, dann wird euch THE BAY garantiert schlaflose Nächte bereiten. Tut man das nicht und man sieht in dem Material vom Untergang des Städtchens Claridge eine nicht auf Poltergeister, sondern auf Pestilenz getrimmte PARANORMAL ACTIVITY-Übertreibung, wird einem diese parasitäre Apokalypse ungefähr so tangieren wie einen Chinesen eine in Bayern geplatzte Weißwurst.
Um es kurz zu machen; mich hat der von Oren Peli und den für ALIENS VS PREDATOR 2 verantwortlichen Gebrüdern Strause produzierte THE BAY nicht überzeugen können. Trotz Twitter, trotz Skype, trotz Nachrichtensendungen-Outtakes, trotz Polizeiwagen-Kameras und betroffen stammelnden und amtlich irritierten Vor-Ort-Live-Reporterinnen sowie Ozeanologinnen mit furchtbarem französischen accent - für mich war THE BAY so realitätsnahe wie THE EXORCIST. Und trotzdem hat mir der Letztere entschieden mehr Angst eingejagt...
Schade. Das DVD-Menü mit seinen drastischen Bildern von Umweltverschmutzung und Fischkadavern, von aus blutenden Wunden krabbelnden Käfern und hoffnungslos überfüllten Notaufnahmen und dieser Musik, die mich irgendwie an die kalten, monströsen, elektronischen Klängen, die die unfassbaren Grausamkeiten eines PHILOSOPHY OF A KNIFE untermalt haben, erinnert hat, haben mich wahrlich Schlimmeres (im Sinne von Authentischeres) befürchten lassen.
Gestorben am 4. Juli: Parasiten-Apokalypse zum Nationalfeiertag...- Verseuchtes Trinkwasser, menschenvoninnenauffressende Asseln, fiese Hautausschläge, aufplatzende Eiterbeulen sowie eine Kleinstadt, die über Nacht zur Geisterstadt mit Hunderten von Toten wird. Barry Levinsons auf Pestilenz getrimmter Found Footage-Schocker schockt nur denjenigen, der ihm seine mittels Twitter, Digicam, Wikileaks und Nachrichtensendungen vorgegaukelte Authentizität auch tatsächlich abkauft. Ganz böse Zungen munkeln jedoch, dass da selbst ein PARANORMAL ACTIVITY mehr Realitätsnähe vermitteln konnte. Ich munkle, dass diese lästermäuligen, bösen Zungen nicht ganz unrecht haben. Weil ich mir selbst im Zeitalter von Skype und Facetime nicht vorstellen kann, dass man der besten Freundin seine parasitenschwelenden Eiterpusteln via Videobotschaft vorführt und minutiös kommentiert, anstatt sich flugs zu seinem Arzt oder Apotheker zu begeben. Aber vielleicht bin ich auch nur nicht hip.