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The Awakening

The Awakening

HORROR: GB, 2011
Regie: Nick Murphy
Darsteller: Rebecca Hall, Dominic West, Imelda Staunton, Isaac Hempstead Wright

STORY:

England im Jahr 1921: Die junge Schriftstellerin Florence Cathcart hat schon unzählige Betrügereien hinter vermeintlich übernatürlichen Phänomenen aufgedeckt und viele Geisterbeschwörer als Scharlatane überführt. Doch dann wird die skeptische Geisterjägerin zu einem düsteren Jungeninternat gerufen, in dem es spuken soll. Gespenstische Schemen tauchen auf Klassenfotos auf; ein Schüler kam auf rätselhafte Weise ums Leben. Während Dinge geschehen, die Florences rationales Weltbild mehr und mehr ins Wanken bringen, beginnt sie zu ahnen, dass die unheimlichen Vorgänge irgendwie mit ihrer eigenen persönlichen Hölle verknüpft sind...

KRITIK:

Wenn man den Angaben auf der internationalen Filmdatenbank glauben darf, dann ist der erste Kinofilm des zuvor ausschließlich im TV-Bereich tätigen Nick Murphy am Boxoffice fürchterlich gefloppt. Nicht einmal ein Viertel seiner Produktionskosten vermochte er wieder einzuspielen.

Das lag sicherlich nicht daran, dass sein Film so desaströs schlecht wäre, sondern wohl eher an einem unglücklichen Timing. THE AWAKENING ist wohl schlicht und ergreifend zum falschen Zeitpunkt in die Kinos gekommen. Offenbar steht dem derzeitigen Publikum nicht der Sinn nach einer guten, im besten Sinne altmodischen Geistergeschichte.

Dabei hätte THE AWAKENING die Verfilmung einer vergessenen Gruselstory von James Herbert sein können; eine aus dessen Haunted / Totentanz-Phase. Und wer diese Bücher kennt, dürfte wissen, dass dies nicht der schlechteste Stoff für traditionellen, subtilen Grusel fernab jeglicher Gore-Kleckerei ist. Das Drehbuch, welches Murphy im Verein mit Stephen (schrieb GOTHIC für Russell und DAS KINDERMÄDCHEN für Friedkin) Volk verfasst hat, schlägt in diese Kerbe.

In den unheimlichen Kulissen eines alten, historischen Jungeninternats (inklusive den dunklen Gewässern eines gespenstischen Sees sowie einem angrenzenden nebeligen Wald) spielen großartige Darsteller(innen) wie Rebecca (THE TOWN) Hall sowie der aus der gefeierten Fernsehserie THE WIRE bekannte Dominic West mit allem Herzblut und geben dieser tragisch-sinistren wie zum Ende hin erstaunlich twistreichen Ghost story die nötige emotionale Tiefe. Denn wie jede gute Geistergeschichte berichtet auch diese hier vom Drama der menschlichen Vergänglichkeit. Es geht um den schmerzhaften Verlust von geliebten Menschen, den man nie wirklich akzeptieren kann, aber irgendwie muss. Und um die Verstorbenen, die sich nicht mit ihrem (ungerechten) Schicksal abfinden möchten und versuchen der Einsamkeit des Jenseits zu entfliehen.

Insbesondere die großartige Rebecca Hall spielt eine äußerst interessante Figur. Eine Geisterjägerin, die gnadenlos Scharlatane und okkulte Betrügereien aufdeckt, aber sich zutiefst wünscht, sie würde auf echte Hinweise auf ein Leben nach dem Tode stoßen, um einen persönlichen Verlust besser verarbeiten zu können. So reagiert sie auf ihre Erfolge nicht mit Befriedigung, sondern mit einer tiefen Niedergeschlagenheit.

Die emotionale Tiefe der Geschichte könnten härtere Gemüter als Kitsch interpretieren, während andere eventuell - wie durch Geisterhand versteht sich - einen leichten Druck auf der Tränendrüse verspüren könnten. Im letzten Drittel tauchen zwar vermehrt gefährlich melodramatische Riffe in den dunklen Gewässern auf, doch Murphy umschifft sie spätestens mit seinem bitterbösen, allerletzten Twist recht gekonnt und führt die mal gespenstischen, mal rührenden 107 Minuten zu einem runden Abschluss.

Die Erzählweise ist genretypisch ruhig, geizt aber nicht mit stimmig inszenierten Erscheinungen. Deren beste ist sicherlich die am Ende der brillanten "Puppenhaus-Sequenz". Doch auch mit Routine weiß man zu überzeugen: Der irgendwo in der Bildecke oder im Hintergrund lauernde Schemen eines längst verstorbenen Schuljungen auf einem Klassenfoto; der rote Ball, der von gespenstischem Kinderlachen begleitet eine Treppe herunterrollt. Dinge, die nicht wirklich überraschen, wenn SHUTTER oder THE CHANGELING bereits in der Sammlung stehen - und trotzdem; mir persönlich sind sie immer noch eine kleine Gänsehaut wert.

Überhaupt ist es mit den Schauermomenten ähnlich wie mit den Storywendungen, die Murphy insbesondere im letzten Filmdrittel in großer Zahl auf den Zuschauer loslässt. Für sich genommen sind weder die Schocks noch die Twists wirklich neu, doch sie wurden so geschickt arrangiert, dass sie dann doch noch für die eine oder andere Überraschung sorgen. Was THE AWAKENING letztlich vielleicht nicht zu einem originellen, aber doch zu einem cleveren Geisterfilm macht. Der zusätzlich davon profitiert, dass Murphy sorgfältig inszeniert und Kameramann Eduard (A SINGLE MAN) Grau stets elegant und ziemend gespenstisch fotografiert hat.

Daher ist es doppelt schade, dass diese Vorzüge das Debakel an der Kinokasse nicht verhindern konnten. Vielleicht findet das Erwachen auf dem Homevideo-Markt erfolgreicher statt. Zu gönnen wäre es.

The Awakening Bild 1
The Awakening Bild 2
The Awakening Bild 3
The Awakening Bild 4
The Awakening Bild 5
The Awakening Bild 6
FAZIT:

Eine herausragende Hauptdarstellerin (Rebecca Hall), eine gespenstisch-elegante Fotografie (Eduard Grau) und eine stimmige Inszenierung (Nick Murphy) konnten nicht verhindern, dass THE AWAKENING am Boxoffice unterging. Schade, denn dieser spannende britische Mystery-Streifen versteht es mit Niveau, Gefühl und Gänsehaut eine gute, im besten Sinne altmodische Schauergeschichte zu erzählen.

WERTUNG: 7 von 10 Gespenstern auf Klassenfotos
TEXT © Christian Ade
Dein Kommentar >>
Andreas | 10.02.2013 11:13
naja, war amüsant, jedoch in jeder hinsicht (technisch, künstlerisch, inhaltich) nichts allzu besonderes. es sieht leider schon eher nach fernseh-optik aus und die idee ist ziemlich von "the others" kopiert. nur das "the others" noch spannender und vor allem inhaltlich konsistenter war. trotzdem: hat für einen guten mitternächtlichen grusel gesorgt!

6 von 10 spielfiguren im internats-puppenhaus.
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