TRAGIKOMöDIE: FR, BE, USA, 2011
Regie: Michel Hazanavicius
Darsteller: Jean Dujardin, Bérénice Bejo, John Goodman, James Cromwell, Penelope Ann Miller
Er ist DER Star einer ganzen Ära: Ob als Liebhaber oder verwegener Held, wenn George Valentine in einem Film mitspielt, strömen die Massen in die Kinosäle, nur um ihn zu sehen. Doch als die Studios vermehrt auf Tonfilme setzen, sind die glorreichen Tage des Stummfilms und eines seiner größten Helden gezählt. Valentine ist nun ein Relikt einer vergangenen Zeit und gerät zunehmend in Vergessenheit. Lediglich die gefeierte Filmdiva Peppy Miller, einst Statistin in einer Erfolgsproduktionen mit Valentin, denkt noch ab und dann an ihr einstiges Idol ...
Michel Hazanavicius Film "The Artist" war wohl DER Überraschungserfolg des vergangenen Kinojahrs. Von Publikum und Kritikern gleichermaßen gefeiert waren die fünf Oscars, die der Film kassiert, wohl nur mehr das Sahnehäubchen. Glaubt man Wikipedia hat der Film bereits über 70 (!) (Laut IMDB sogar über 100, aber ich zähle jetzt sicher nicht nach) Preise eingeheimst. Und dennoch reichte es bis Dato nicht für eine Review auf filmtipps.at. :-)
Da ist wohl der Film des Jahrzehntes an uns vorbeigegangen. Aber ich muss gestehen, wirklich ins Kino gelockt hat mich "The Artist" trotz des Erfolgs bei den Oscars nicht, stattdessen habe ich lieber auf die DVD gewartet.
Vielleicht weil der Film auf den ersten Blick einfach zu Retro daherkommt. Als Zuseher ist man ja so einiges gewohnt. Filme die aussehen, also wären sie mit der Handykamera gedreht und mit Instragram nachbearbeitet. Musikvideos die Uralt-Homevideo-Ästhetik verbreiten. Von der Mode ganz zu schweigen. Aber ein Schwarz-Weiß-Film, der mit Mitteln des Stummfilms liebäugelt und noch dazu von der zu Ende gehenden Ära des Stummfilms handelt, ist dann schon etwas too much.
Obwohl man einem Film. der komplett mit den heutigen Sehgewohnheiten bricht und den Look vergangener Jahrzehnte nicht nur kopiert, keinesfalls Kalkül oder Feigheit vorwerfen kann. Schon nach den ersten Szenen von "The Artist" wird klar, dass ein, wenn auch moderner "Stummfilm" doch auch eine Welt für sich darstellt. Die übertriebene Mimik und Gestik, die Körperlichkeit der Schauspieler, all das kennt man aus modernen Produktionen ja gar nicht mehr. Und diese Dinge sind anfangs natürlich auch etwas gewöhnungsbedürftig. Als Zuseher muss man sich darauf einlassen können, um "The Artist" genießen zu können.
Dass das ganze "Herumgefuchtel" und die übertriebene Gestik nicht albern oder störend, sondern in gewisser Weise sogar charmant wirken, liegt vor allem an den Darstellern. Dass Hauptdarsteller Jean Dujardin einen Oscar für seine Leistung in "The Artist" bekommen hat, spricht glaub ich für sich. Tatsächlich liefert er eine Performance, die dem Zuseher länger in Erinnerung bleiben wird. Und dabei ist George Valentine noch nicht mal eine Charakterrolle! Ihm zur Seite steht die bezaubernde Bérénice Bejo, der man eine Karriere als Filmdiva im Hollywood der 30er Jahre ungeschaut abnimmt. Aber der heimliche Star ist, wie die meisten vermutlich schon gehört haben, sowieso ein anderer: Jack Russel Terrier Uggie, der mit dem Film auch zu kurzfristiger Berühmtheit gelangte.
Zudem ist der Film sehr detailverliebt, was auch ein mehrmaliges Ansehen zu einem Erlebnis macht, da man immer wieder neue Dinge entdecken kann. Es beginnt natürlich schon bei den Texttafeln die zu Beginn des Films eingeblendet werden. Und geht weiter bei der verwendeten Schrift. Und, und, und..
Spaß machen zudem auch die ganzen Selbstreferenzen mit denen der Film aufwartet. Die Filme im Film und dergleichen. Da das Ganze auch recht augenzwinkernd erzählt wird macht es auch meistens Spaß. Allerdings kann es manchmal auch ein wenig zäh wirken, wenn z.B. am Anfang die Ovationen bei einer Filmpremiere in die Länge gezogen werden.
Auch die Starriege mit der "The Artist" aufwartet kann sich sehen lassen. Neben so illustren Namen wie John Goodman oder James Cromwell entdeckt man sogar Malcolm McDowell, wenn auch nur in einer kleinen Rolle, im Film.
Die Story selbst und leider auch die Logik bleiben bei den ganzen Spielereien mit denen "The Artist" aufwartet leider ein wenig auf der Strecke. Eine tiefgründige Geschichte oder gar eine spannende Charakterzeichnung darf man sich natürlich nicht erwarten.
"The Artist" ist nun mal vornehmlich ein Film, der unterhalten und Spaß machen will. Aber gleichzeitig auch eine Huldigung an die Ära der Stummfilme darstellt. Oder an das alte Hollywood an sich. Michel Hazanavicius nannte unter anderem die Filme von Hitchcock, Lang, Ford, Lubitsch, Murnau und Wilder als seine Inspirationsquellen.
In "The Artist" wird auch gerne aus dem einen oder anderen Film "kopiert". Oder gleich Musik aus anderen Filmen übernommen. Wobei letzteres auch zu einer Kontroverse kurz vor der Oscar-Verleihung führte. Aber sowas nennt man heutzutage ja Referenzen.
Abschließend wär noch hinzufügen, dass "The Artist" nicht die erste moderne Annäherung an den Stummfilm darstellt. Allerdings wohl die mainstreamlastigste. Dass der Film so durchstarten würde, war dennoch nicht abzusehen. Verdient hat es der Film allemal.
Die DVD aus dem Hause EuroVideo enthält neben dem Hauptfilm auch noch jede Menge Extras. Neben dem obligatorischen Making-Of und den Interviews mit dem Regisseur und den Schauspielern sind auch Featuretten über die Musik und die Deutschlandpremiere von "The Artist" sowie einige lustige Outtaktes enthalten. Fans können auch zur "Limited Award Edition" greifen, die neben der DVD auch noch die Soundtrack-CD enthält.
Michel Hazanavicius Liebeserklärung ans Kino "The Artist" zeichnet sich durch Liebe ins Detail und einer großen Verspieltheit aus. Nicht zuletzt dank der großartigen Schauspieler gelang ihm das Kunststück einen Film der größtenteils ohne gesprochene Dialoge auskommen muss, dem heutigen Publikum schmackhaft zu machen. Cineasten können natürlich einwenden, dass der Film weder tiefgründig noch sonderlich originell ist. Aber was erwartet man sich schon von einem Unterhaltungsfilm.