HORROR: USA, 2023
Regie: Eli Roth
Darsteller: Patrick Dempsey, Gina Gershon, Nell Verlaque
Auf Thanksgiving folgt der Black Friday. Mit allem, was dazu gehört: Massenansturm, Massenpanik, massenhaft Verletzte und Tote. Kaum hat sich die Stadt vom Trauma halbwegs erholt, gibt es erneut Tote: Ein maskierter Killer massakriert offenbar Überlebende der Black Friday-Ausschreitungen.
Der Film zum Fake-Trailer aus dem Grindhouse-Doublefeature von 2007. Von Eli Roth. Höre ich da Jubel oder Unmutsäußerungen? Eli Roth. Ein Name, der die Horrorfilmgemeinde spaltet wie Jasons Axt die Schädel von dummen Teenagern. Die Mehrzahl hasst ihn. Es gibt aber auch echte Fan-Liebe. Vom Autor dieser Zeilen zum Beispiel.
Nehmen wir HOSTEL 2. Unter der blut- und gedärmeverschmierten Oberfläche eines grenzüberschreitenden Torture-Porn verbirgt sich eine hinterfotzige Kapitalismus-Satire, deren messerscharfe Inszenierung dezente Salò-Vibes verstrahlt. Oder THE GREEN INFERNO: Einen saubrutaleren Tritt in die Weichteile der Political Correctness, in der alle ihr Fett wegkriegen - rechte Corporate Assholes genauso wie naive linke Wannabe-Weltenretter - wird man lange suchen müssen. Die doppelbödige Männlichkeitsstudie KNOCK KNOCK ist für mich der beste Paul Verhoeven-Film, der nicht von Paul Verhoeven ist. Ja, zugebenen, das vielgescholtene DEATH WISH-Remake hat mich auch etwas enttäuscht - aber zumindest auf interessante Art und Weise.
Womit wir bei THANKSGIVING angelangt wären. Eli Roth hat also seine Drohung wahr gemacht und aus dem Grindhouse-Fake-Trailer von 2007 einen abendfüllenden Film gemacht.
Der Einstieg ist großartig: Eine aufgebrachte Redneck-Menge, vermutlich vom örtlichen Trump-Fanclub gecastet, versammelt sich vor einem Einkaufszentrum. Drinnen gibt es etwas gratis. Jeder will der erste sein, es wird gedrängt, gerempelt und gepöbelt. Die Stimmung wird immer aggressiver. Irgendwann wird der entfesselte Schnäppchenjäger-Mob die Sicherheitsleute überrennen, die Scheiben eindrücken und sich im Kampf um die limitierten Werbegeschenke (irgendwelche Waffeleisen - wer braucht so was bitte?) buchstäblich zerfleischen. Eli Roth inszeniert die Massenpanik frenetisch, irgendwo zwischen DAWN OF THE DEAD-Hommage und Kapitolsturm.
Nach dem überwältigenden Vorspann kehrt dann erst einmal Ruhe ein. Wir lernen eine Gruppe mäßig interessanter und mäßig sympathischer Highschool-Kids kennen. Die Sorte Kids, die mit dicken SUVs durch die Gegend fahren und am Behindertenparkplatz parken. Man muss kein Hellseher sein, um zu ahnen, dass diese Brut bald ins Visier des Killers geraten wird. Und so geht es dann dahin. Einer nach dem anderen tritt ab. Auf ziemlich drastische Weise, erwartungsgemäß.
Aber der Funke will nicht recht überspringen. Eine gorigere SCREAM-Version? Echt jetzt, Eli? Ist das ist alles, was du drauf hast? Aber genau so, wie man den Tag nicht vor dem Abend loben soll, soll man einen Eli Roth Film nicht vor dem Abspann verfluchen. Roths subversiver Schmäh lässt sich auch von einem denkbar konventionellen - aber spannungsreichen - Slasher-Drehbuch nicht abwürgen. Die Kills werden immer kreativer und weirder, je länger der Film läuft. Und natürlich bekommt die Generation "TikTok und Doof" ordentlich ihr Fett weg. Wobei ich das von Anfang klar auszumachende Final Girl Jessica (Nell Verlaque) klar ausnehmen möchte. Die mochte ich nämlich. Die anderen nicht. Gefreut habe ich mich auch auf ein Wiedersehen mit Gina Gershon (SHOWGIRLS, KILLER JOE).
Dass sich die Optik nicht am Grindhouse-Kino der Seventies orientiert, sondern am Horror-Kino von hier und heute, ist ein bisserl schade. Aber auch nachvollziehbar, so vong Business her, wie die Generation "TikTok und Doof" sagen würde. Unterm Strich bleibt ein sehr effizienter, Eli Roth-typisch ironisch gebrochener, überdurchschnittlich harter Neo-Slasher auf der Höhe der Zeit. Mir hat er getaugt.
Eli Roth hat also seine Drohung wahr gemacht und aus dem Grindhouse-Fake-Trailer von 2007 einen abendfüllenden Film gemacht. Leider ist der Film nicht ganz so leiwand wie besagter Trailer. Weil er sich optisch nicht am Grindhouse-Kino der Seventies, sondern am Horrorkino von hier und heute orientiert. Doch selbst ein mittelguter Eli Roth-Slasher ist noch um Längen besser als, sagen wir: der beste SCREAM-Film. Mir hat er getaugt. Weil THANKSGIVING - wie eigentlich jeder Eli Roth Film - auch als hinterfotzige Gesellschaftssatire funktioniert.