OT: Texas Chainsaw 3D
HORROR: USA, 2013
Regie: John Luessenhop
Darsteller: Alexandra Daddario, Dan Yaeger, Trey Songz, Tania Raymonde
Die Handlung des aktuellen Blut-Ausflugs ins texanische Hinterland knüpft zunächst nahtlos an das Ende des ersten Teils an: Der Prolog von TEXAS CHAINSAW 2D ist sozusagen der neugeschriebene Epilog zum originalen TEXAS CHAINSAW MASSACRE aus dem Jahr 1974. Dort - wir wissen's noch auswendig - machten fünf junge Durchreisende am falschen Haus Halt. Nämlich an dem einer psychopathischen Hinterwäldlerfamilie mit einer Vorliebe für Kettensägen und Masken aus Menschenhaut. Als zusätzliche Gedächtnisstütze gibt es zu den Opening Credits noch einmal die gesammelten Ableben der Original-Protagonisten und die denkbar knappe Flucht des Final Girls. Was danach kommt, nimmt allerdings eine ganz andere Wendung als das, was uns in den bisherigen Fortsetzungen erzählt wurde. Bei TEXAS CHAINSAW 2D marschiert plötzlich ein reaktionärer Lynchmob vor dem Haus der Familie Leatherface auf und macht kurzen Prozess mit der gesamten Redneck-Kannibalensippe. Heftiger Kugelhagel, klassisches Feuer: Das Gebeinhaus ist abgefackelt, die Familie massakriert. Doch hat man wirklich alle erwischt? Einige Jahrzehnte später in einer ganz anderen Stadt erhält die junge Heather überraschend Post vom Anwalt. Eine ihr nicht bekannte Großmutter hat abgedankt und ihr ein altes, feudales Herrenhaus in Texas vermacht. Zusammen mit ihren Freunden fährt Heather gen Newton, Backwood-City, um das Erbe in Augenschein zu nehmen. Nichts ahnend, dass dieses eine böse Überraschung im Keller bereit hält ...
Und die böse Überraschung - der Titel verrät es ja schon - schmeisst natürlich alsbald die Kettensäge an ...
Nach HALLOWEEN erfährt nun der nächste Klassiker einen zweifelhaften Reboot. Anders als Rob Zombie, der Carpenters Meisterstück an der Wurzel neuinterpretiert und sich damit in den Augen vieler der Ketzerei schuldig gemacht hat, beginnen Regisseur John Luessenhop und seine Drehbuchautor(inn)en Marcus, Sullivan und Ems mit der Änderungsschneiderei direkt nach den Geschehnissen des Ur-TEXAS CHAINSAW MASSACRE. Somit ist TEXAS CHAINSAW 2D (je nach Gusto und technischer Ausstattung auch in 3D erhältlich) also eher direktes Sequel als tatsächlicher Reboot. Eine Fortsetzung, welche alle vorangegangen Sequels ignoriert und aus dem texanischen Kannibalenclan Hewitt eine Familie Sawyer macht. Schelm, wer hier an winkende Zaunpfähle denkt.
Doch bevor wir den neuesten Werbefilm für texanische Kettensägen (Ob Holz, Knochen oder Mann; unsere Säge kann!) unter die Lupe nehmen, zunächst eine kleine Geschichtsstunde für die Frischlinge und eine kleine Gedächtnisstütze für uns ältere Filmhasen:
1974 hat Tobe Hooper - angelehnt an die realen Schandtaten eines Ed Gein und den fiktiven aus Hitchcocks PSYCHO - mit TEXAS CHAINSAW MASSACRE (aka BLUTGERICHT IN TEXAS) wohl DEN Klassiker des psychotischen Terrorfilms inszeniert und damit das Backwood-Genre endgültig im Horrorfilm etabliert. Ein Meisterwerk, das Legionen von Nachahmern nach sich zog und selbst einige direkte Fortsetzungen erfuhr.
Doch schon beginnend mit TEXAS CHAINSAW MASSACRE 2 (1986) nahm deren Qualität kontinuierlich ab und so hatte der in Ansätzen recht vielversprechende LEATHERFACE (1990), der zwar wollte, aber nicht durfte deutlich unter den restriktiven Vorlagen, was die Gewaltdarstellung anbelangt, zu leiden, während TEXAS CHAINSAW MASSACRE: DIE RÜCKKEHR (1994) zum Schluss einfach nur noch ein nichtssagendes Slasherfilmchen gewesen war; trotz einer blutjungen Renée Zellweger in der Hauptrolle und KILLER JOE-Matthew Mc Conaughey in petto sowie Ur-Drehbuchautor Kim Henkel auf dem Regiestuhl wurde aus einer vermeintlich glorreichen Rückkehr leider ein unwürdiges Debakel.
Das wirklich ansprechende (und vor allem deftigere) Remake des später viel gescholtenen Marcus Nispel brachte die Kettensäge nach der Jahrhundertwende eindrucksvoll zurück ins Gedächtnis der Horrorfans. Mit TEXAS CHAINSAW MASSACRE: THE BEGINNING gönnte man sich selbst (und somit auch dem Original) zusätzlich ein Prequel, welches zwar lediglich die bekannte Geschichte (plus ein paar tiefere Backgrounds zu Sheriff Hoyt und Leatherface) noch einmal erzählte, aber das mit soviel Gore-Schmackes, dass in deutschen Landen nicht einmal eine gekürzte Fassung eine FSK-Freigabe erhalten hatte. Freunde der Säge haben sich das blutige Stück dann halt uncut in England besorgt. So wie eben immer verfahren wird, wenn die FSK denkt, sie könne uns vorschreiben, was wir zu sehen haben und was nicht...
In den USA hat es TEXAS CHAINSAW 2D in die amerikanische Kinos geschafft; hierzulande hat es nur für eine DVD- und Blu-ray-Auswertung gereicht. Was die gezeigte Gewalt anbelangt, gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte: Zu sehen gibt es wie überall sonst auch nur die (bislang einzig erhältliche) R-rated-Fassung. Die gute: Die spratzelt trotzdem wie Sau. Auch auf der deutschen DVD gibt es graphisches Gekröse satt.
Soweit so gut. Allerdings liegen die Dinge bei den eingangs erwähnten inhaltlichen Änderungen etwas problematischer. Ohne jetzt zu sehr ins Detail gehen zu wollen - schließlich sind Spoiler Blasphemie - wird sich mancher eingefleischter TCM-Purist aus der Prä-Remake-Ära über manchen neuen Weg im Franchise einen Wolf ärgern dürfen.
Einerseits will ich gar nicht bestreiten, dass Leatherface etwas frische Luft durchaus guttut (Zuletzt war es beim BLUTGERICHT IN TEXAS doch ziemlich repetetiv geworden...); andererseits gewinnt TEXAS CHAINSAW 2D damit sicherlich nicht den angestrebten Innovationspreis. Zumal die neue (Handlungs-)Tapete nicht immer hundertprozentig ins Zimmer passt; und manchmal -Stichwort: Heathers Lebensalter- ist sie nicht einmal in sich schlüssig. Ich persönlich finde diesbezüglich am befremdlichsten, dass die Saw-Family, die auch in diesem Teil in Gestalt des hünenhaften Leatherface - munter weiter Menschen metzgert und aus Gesichtern Masken näht- plötzlich als Opfer einer bösen aus reaktionären Cowboys und korrupten Polizisten bestehenden Kleinstadt-Gesellschaft - verharmlost wird. Das widerspricht dem kranken Geist des Originals und Grandpa- bekanntermaßen völlig gestörtes Familienoberhaupt aus Überzeugung- würde sich wohl deswegen am liebsten samt Rollstuhl im Grabe umdrehen.
Es gibt noch weitere "Neuerungen", die bei genauem Hinsehen eigentlich gar keine sind; wurden sie doch durch die Bank aus anderen bekannten Horrorfilmreihen entlehnt. Ich hörte ein paar Mal den CASTLE FREAK trapsen; und HALLOWEEN IV und THE DEVIL'S REJECTS.
Nach den gewöhnungsbedürftigen Ereignissen des neuen Epilogs, respektive Prologs, geht es in der Gegenwart zunächst himmelschreiend klischeehaft weiter. Heathers Clique entpuppt sich als langweilige Ansammlung von Kanonenfutter-Blaupausen, die dann auch noch von einer Terrorflick-Standardsituation zur nächsten tingeln müssen. Doch gerade als man die Mission Reboot als völlig gescheitert abhaken möchte, bekommt TEXAS CHAINSAW 2D die Kurve zur wenigstens passablen Schlachtplatte.
Zwar sind es weniger inhaltliche Überraschungen als viel mehr die sehr oft und sehr graphisch in Aktion tretende Kettensäge, die einen Großteil der (Gorehound-) Freuden ausmachen, aber nichtsdestotrotz steht unter dem Strich ein gutblutiges Backwoods-Massaker, das zwar weit von der Klasse des Originals (oder seines gelungenen Remakes) entfernt ist, aber dafür schwächere Sequels wie die unsägliche RÜCKKEHR etwa locker auf die Plätze verweist. Wenn man sich mit einigen gravierenden Änderungen am Grundgerüst der Reihe und dem Wegfall von Sheriff Hoyt arrangieren kann, erwartet einen hier ein ordentlich gemachter Terrorflick mit einem kurzen Cameo von Ur-Leatherface Gunnar Hansen und einigen schön-(herb)en Gore-Einlagen aus der Trickschmiede der KNB-Group.
Und ewig knattern die Kettensägen in Texas...- Regisseur John Luessenhop und seine Drehbuchautoren liefern mit TEXAS CHAINSAW 2D (wahlweise: 3D) kein Reboot, sondern ein direktes Sequel zum originalen BLUTGERICHT IN TEXAS aus dem Jahr 1974 ab. Allerdings ignoriert man alle vorangegangenen Fortsetzungen und Remakes und erlaubt sich gleich zu Beginn einige grundlegende Änderungen am Franchise-Grundgerüst, die so manchen eingefleischten Fan durchaus verärgern könnten, aber nicht zwingend müssen. Wirklich innovativ sind die neuen Wege des Herrn Leatherface nicht, aber dank seiner Kettensäge und der KNB-Group wieder einmal ausgesprochen blutig. Letzten Endes wurde hier kein neuer Klassiker geboren, aber den hat wohl auch keiner ernsthaft erwartet. Nach einigen Startschwierigkeiten mausert sich TC2D zumindest zum ordentlichen Terrorflick, dessen oft grobe Ausfälligkeiten es auch in die deutsche Fassung geschafft haben.