SCIENCE-FICTION: USA, 1970
Regie: George Lucas
Darsteller: Robert Duvall, Donald Pleasence, Don Pedro Colley, Maggie MyOmie
Fünfhundert Jahre in der Zukunft lebt die gesamte Menschheit in unterirdischen Städten. Von Menschheit im heutigen Sinne kann allerdings kaum noch die Rede sein. Es herrscht ein vollkommen von einem Zentralcomputer kontrollierter Überwachungsstaat. Die Menschen sind gezwungen nur noch zu funktionieren und zu konsumieren. Eine Roboterarme an Polizisten sorgt dafür, dass nicht mehr funktionierende Personen im Zweifelsfall einfach eliminiert werden. Als prophylaktische Maßnahme müssen die Menschen auch dämpfende Drogen nehmen, um ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten.
Zusätzlich bewohnen sie jeweils zu zweit ein per Zufallssystem ausgewähltes Wohnmodul, damit sie sich auch noch gegenseitig kontrollieren und eventuelle Verstöße ihres Mitbewohners gegen die Ordnung umgehend melden können. Sex gilt als perverser Umtrieb und Gefühle wie Liebe sind erst recht tabu. In dieser Situation setzen THX 1138 (Robert Duvall) und seine Mitbewohnerin LUH 3417 (Maggie McOmie) heimlich ihre verordnete Drogendosis herab und entdecken ihre Gefühle füreinander. Es folgt der unvermeidliche Kampf gegen das System...
Der aus dem Jahre 1970 stammende Science-Fiction-Film THX 1138 ist der Debütfilm von keinem Geringeren als George Lucas, welcher sieben Jahre später mit KRIEG DER STERNE die Blaupause für alle Blockbuster bis zum heutigen Tage schuf. Doch ganz im Gegensatz zu seiner seichten Star Wars-Trilogie (bzw. seinen inzwischen zwei Trilogien), war THX 1138 ein inhaltlich und insbesondere auch künstlerisch äußerst ambitionierter Independendfilm, welcher auf einen Studentenfilm von Lucas basierte. Dieser gut 15 Minuten lange Kurzfilm aus dem Jahre 1967 hieß EIN ELEKTRONISCHES LABYRINTH: THX 1138 4EB und festigte Lucas´ damaligen Ruf, der mit Abstand talentierteste Filmstudent der USCLA zu sein.
Den gleichen Ruf genoss auch ein gewisser Francis Ford Coppola an der benachbarten UCLA. So fand man sich schnell zusammen und entschied, dass derjenige, welcher zuerst Erfolg haben sollte, den anderen unterstützen würde. Das Rennen machte der durchsetzungsstarke Coppola, welcher schon bald mit "American Zoetrope" in San Francisco seine eigene Produktionsfirma gründete. Diese lag nicht nur aus Kostengründen fernab der etablierten großen Hollywoodstudios. Coppola war nach einer Europareise fest entschlossen das erste amerikanische Independendfilmstudio nach europäischem Vorbild zu schaffen, um der neuen Riege an jungen und talentierten Nachwuchsregisseuren eine Plattform zu geben, mit Hilfe derer sie ihre künstlerischen Visionen ohne Kompromisse verwirklichen konnten. Und THX 1138 wurde der erste von American Zoetrope produzierte Film...
Tatsächlich ist THX 1138 ein heute völlig zu Unrecht fast vergessener Film. Nicht umsonst zählt ihn jemand wie Stephen Spielberg zu den bis heute besten Science-Fiction-Filmen überhaupt. Doch ganz im Gegensatz zu Spielbergs und auch George Lucas´ späteren Filmen ist THX 1138 ein radikal antikommerzieller Film im ursprünglichen Geiste des New Hollywood. Und auch, wenn der Film zu seiner Zeit zum größten Teil auf Unverständnis stieß, so ist es doch heute sehr leicht zu erkennen, dass gerade dies ein Film war, welcher weniger eine fiktive Zukunft, als vielmehr eine überspitzte Darstellung der amerikanischen Gesellschaft zeigte, wie die damalige Gegenkultur sie sah.
So besticht THX 1138 auch nicht, wie heutzutage für das Genre üblich, mit spektakulären Special Effects, sondern konzentriert sich ganz auf die menschliche Komponente seiner Geschichte. Dabei ist die eigentliche Geschichte an sich äußerst dünn, was nicht weiter verwundert, war der ursprüngliche EIN ELEKTRONISCHES LABYRINTH: THX 1138 4EB doch ein fast nicht narrativer Film. Und so ist auch die Langfassung THX 1138 ein oftmals an einen Experimentalfilm grenzender Versuch der Erschaffung (fast) reinen Kinos geworden, bei welchen die Narration nur mehr ein loses Grundskelett darstellt, mit dessen Hilfe Lucas seine eigentliche Botschaft auf sowohl visuell, als auch auditiv eindringliche Art vermittelt.
THX 1138 macht die Kälte einer Gesellschaft spürbar, in welcher die Menschen zu (noch) notwendigen, aber eigentlich ungeliebten Störfaktoren in einem System geworden sind, welches einem Uhrwerk gleich zu funktionieren hat. Das Perverse in Form des Zwangs das uneingeschränkte Funktionieren gewährleistende Drogen zu nehmen, ist hier gesund, das eigentlich Menschliche, in Form von Liebe und Sex, ist pervers und wird deshalb verfolgt und bestraft.
Dabei überzeugen die einzelnen Szenen, mit denen diese Inhalte vermittelt werden, nicht unbedingt im Detail. Aber aufgrund der schauspielerischen Leistungen von Robert Duvall, Maggie MyOmie, Donald Pleasence und anderen, ist der emotionale Kern stets völlig nachfühlbar und deshalb auch glaubhaft. Unterstützt wird dies durch die hervorragende Regiearbeit von Lucas, welche ihre Stärke oft aus einer größtmöglichen Reduktion schöpft. Die Kälte der Bilder wird noch wesentlich unterstützt durch die oftmals recht experimentellen Klangeffekte und durch die Filmmusik von Lalo Schifrin.
Manches an THX 1138 mutet heute zwar allzu schlicht und teilweise auch naiv an. Aber insgesamt hat es mich doch überrascht, wie gut gerade dieser frühe Science-Fiction-Film gealtert ist. Während alle anderen Filme des Genres aus den 60ern und 70ern, welche ich bisher gesehen habe, heute weniger futuristisch, als vielmehr als Dokumente der Vorstellung von Futurismus ihrer Zeit wirken, so wirkt THX 1138 auch noch heute erstaunlich modern.
Dies verdankt der Film einer Reihe von sehr smarten Entscheidungen von Seiten seines Regisseurs. - Vielleicht lag es ja auch an der Beschränktheit des Budgets, welches auch einen ursprünglich geplanten Dreh in Tokio unmöglich gemacht hat. - Aber gerade der weitestgehende Verzicht auf aufwendige Kulissen und Spezial-Effekte und die statt dessen gewählte große Reduktion führen dazu, dass in THX 1138 der Eindruck einer weitestgehend zeitlosen Modernität vorherrscht.
Hinzu kommt das, hier erstmals von Lucas umgesetzte, Konzept einer "abgenützten" Zukunft, welches er auch bei Star Wars erneut verwenden sollte: Anstatt wie in Filmen, wie z.B. 2001, eine absolut klinische Zukunft zu zeigen, schafft George Lucas in THX 1138 eine zwar ebenfalls sterile, aber nicht neu, sondern bereits benützt wirkende Zukunft, wodurch diese wesentlich realistischer wirkt, als irgendein, mit noch so viel CGI-Power geschaffener, steriler Ort.
George Lucas war von der Kälte der von ihm geschaffenen Vision jedenfalls selber so überrascht, dass er sich entschloss, als nächstes "etwas Freundlicheres" zu drehen, was er mit seinen folgenden Projekten dann auch tat. Auch Francis Ford Coppola widmete sich schon kurz darauf wieder überwiegend weit konventionelleren Projekten, wie z.B. dem Film DER PATE, ein Projekt, das er nur des Geldes wegen annahm. Letzteres wurde nämlich sehr schnell sehr knapp, als THX 1138, bei Warner, welche den Film mitproduzierten und die auch für dessen Vertrieb zuständig waren, auf völliges Unverständnis stieß. So wurde der Film aus lauter Verzweiflung der Studiobosse damals unnötig und unsinnig gekürzt, wenig beworben und fiel auch beim Publikum durch.
Dies bedeutete das Ende der meisten bereits in Planung befindlichen Projekte von American Zoetrope und damit auch fast schon wieder das Ende des soeben erst gegründeten ersten amerikanischen Independent-Filmstudios. Francis Ford Coppola hat sich von dem damaligen - und einigen noch kommenden - finanziellen Rückschlägen jedenfalls nie mehr so richtig erholt und macht inzwischen wohl mehr Geld mit seinem Weingut, als mit seinen Filmen. George Lucas hingegen ist mit seinen Star Wars Filmen zwar zu einem der reichsten Männer auf dem Planeten geworden. Er hat damit damit aber auch selbst das Blockbustersystem (mit-) erschaffen (er teilt sich dieses Schicksal mit Stephen Spielberg...), welches damals zum frühzeitigen Tod der New Hollywood-Bewegung geführt hat und welches heute der neue, noch mächtigere Feind jedes möglichen neuen Independentfilmers - nicht nur in den USA, sondern auf der gesamten Welt - ist...
THX 1138 zeigt uns nicht nur eine beklemmende Zukunftsvision, welche eigentlich mehr ein Spiegel für unsere heutige Gegenwart ist. Sie zeigt uns auch seinen Macher George Lucas als jungen, talentierten Independentfilmer, bevor er sein Herz an die dunkle Seite der Macht verlor. Inzwischen ist der restaurierte Director´s Cut dieses Films als 2-Disc-Special-Edition bei Warner erschienen. Diese enthält als Bonusmaterial nicht nur das übliche Making Of, sondern auch Lucas´ ursprünglichen Kurzfilm EIN ELEKTRONISCHES LABYRINTH: THX 1138 4EB und eine über einstündige Dokumentation, zum frühen Aufstieg und Fall des von Francis Ford Coppola gegründeten (nicht wirklich) unabhängigen Filmstudios "American Zoetrope". Dass Warner die damaligen Visionen von Coppola und Lucas nicht nur nicht unterstützt, sondern praktisch gleich beerdigt hat, entbehrt hierbei nicht einer gewissen Ironie...