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T2 Trainspotting

T2 Trainspotting

KULTFILMSEQUEL: GB, 2016
Regie: Danny Boyle
Darsteller: Ewan McGregor, Jonny Lee Miller, Ewen Bremner, Robert Carlyle, Anjela Nedyalkova

STORY:

Nach zwanzig Jahren kehrt Mark Renton nach Edinburgh zurück. Da warten auch schon Sick Boy, Spud und leider auch Begbie, dem die vielen Jahre im Knast nicht besonders gut getan haben. Das Wiedersehen gestaltet sich entsprechend disharmonisch ...

KRITIK:

Nostalgie ist erwartungsgemäß das beherrschende Thema. T2 - TRAINSPOTTING feiert die Nostalgie, in den Bildern, in der Ausstattung, in der Musik, in der Geschichte sowieso. Mit gutem Grund: Der erste TRAINSPOTTING-Film war ein Produkt einer anderen, in vielerlei Hinsicht besseren Zeit, vor dem Terror, vor der Wirtschaftskrise, vor Trump, IS und Brexit und dem ganzen Irrsinn. Aber lassen wir das Regisseur Danny Boyle selbst erklären:

"Das war eine völlig andere Zeit, und einen Film wie diesen konnten wir gar nicht planen. Da kamen viele Dinge zusammen, zunächst natürlich einmal die Vorlage von Irvine Welsh. Und dann das gesellschaftspolitische Umfeld: Nach zwanzig Jahren konservativer Regierung kam die Labour Party an die Macht, Tony Blair wurde Premierminister. An jeder Straßenecke war der Zeitgeist zu spüren. In der Kunst und in der Musik herrschte plötzlich eine bis dahin unbekannte Aufbruchsstimmung. Und wir hatten das Glück, mit Trainspotting mittendrin zu sein." 
(Aus dem Interview auf derstandard.at)

Danny Boyle weiß natürlich, dass popkulturelle Nostalgie eine zwiespältige Angelegenheit ist. Geht sie doch oft genug einher mit falscher Verklärung der Vergangenheit und Ignoranz gegenüber der Gegenwart. Im Film wird dieses Dilemma recht elegant umschifft, etwa in der Szene, als Sick Boy Renton einmal vorwirft, "wie ein Tourist in seiner eigenen Jugend" durchs Leben zu stolpern. Oder Sick Boys bulgarische Freudin, der die Vergangenheitsfixierung unserer Helden zunehmend auf die Nerven geht. "In meinem Land versuchen die Menschen, die Vergangenheit zu vergessen", sagt sie einmal. "In eurem Land reden die Menschen ständig davon."

Ja, eh. Aber so einfach ist das eben nicht. Dafür war TRAINSPOTTING ein zu wichtiger Film. Frag Menschen mit einem Dreier vor dem Alter nach den prägendsten Filmen ihrer Jugend, und du wirst neben PULP FICTION, FIGHT CLUB, THE BIG LEBOWSKI oder AMELIE (eher bei Frauen) mit hoher Wahrscheinlichkeit TRAINSPOTTING hören. Mit dem dazugehörigen Soundtrack von Iggy Pop, Blur, Pulp, Lou Read, Primal Scream, Elastica, New Order, Leftfield und Underworld, der in keiner CD-Sammlung fehlen durfte. Ja, damals hat quasi jeder CDs gesammelt. Heute tun das nur noch alte Säcke wie der Autor dieser Zeilen. Und Soundtracks waren richtig wichtig. Zeigten sie doch vielen Kids, was für tolle Musik da draußen noch existiert. Ist es nicht so, dass die meisten Menschen Placebo vom EISKALTE ENGEL-Soundtrack kennen? Wo wären die Pixies heute ohne "Where is my Mind" als Abspann-Song von FIGHT CLUB? Und selbst Iggy Pops späte Karriere profitierte entschieden von der "Lust for Life"-Hymne am Trainspotting-Soundtrack.

Nein, ich will hier nicht wie der Opa klingen, der vom Krieg erzählt. Aber eine persönliche Geschichte sei mir noch erlaubt. "Nimm den besten Orgasmus, den du je hattest, nimm ihn mal 1000, und du bist noch nicht mal nah dran", so euphorisch beschrieb Mark Renton im ersten TRAINSPOTTING-Film die Wirkung von Heroin. Ich habe das ja immer für filmische Fiktion gehalten. Bis mir ein Bekannter, damals, in der Kärntner Provinz, eher beiläufig erzählt hatte, dass dieser Satz für ihn tatsächlich der Auslöser war, mit der Giftlerei anzufangen. Er ist mittlerweile nicht mehr am Leben.

Aus diesem und anderen Gründen verlinke ich bewusst nicht auf meine alte Kritik zum ersten Teil. Sie würde aus heutiger Sicht ganz anders und wohl viel kritischer ausfallen. Andererseits will ich bestimmte Texte aus den early filmtipps-days, mit denen ich mich heute nicht mehr identifizieren kann, auch nicht löschen oder umschreiben. Sie sollen - pathetisch gesprochen - einfach als persönliches Zeitdokument stehen bleiben, falls ich irgendwann mal wieder Lust habe, auf der Memory Lane spazieren zu gehen.

Zurück in die Gegenwart. Sag ja zur Fortsetzung, die nicht enttäuscht. Freilich auch deshalb, weil man sich gewiss keinen neuen Lieblingsfilm erwartet hat. T2 knüpft direkt an die Ereignisse des ersten Teils an und führt den Original-Cast wieder zusammen. Der Film wirkt relaxter, weniger aufgekratzt, ruhiger, melancholischer, aber keineswegs sentimental. Auch die Optik bemüht sich nicht mehr krampfhaft darum, möglichst flashig und edgy zu sein. T2 - was sagt eigentlich James Cameron zu diesem Kürzel? - zeigt auch keine Ambitionen, den geistesgestörten Freak-Humor und die "argen" Momente des ersten Teils zu recyclen. Nein, Renton muss nicht wieder in die beschissenste Toilette Schottlands abtauchen, und Baby stirbt glücklicherweise auch keines mehr. Referenzen und Anspielungen gibt es aber viele, bis hin zu bestimmten Schlüsselszenen, die als Flashbacks ablaufen.

Insgesamt ein "erwachsener" Film, der den Charakteren eine glaubwürdige Weiterentwicklung zugesteht - in welche Richtung auch immer. Renton ist mittlerweile clean, was man von Spud nicht behaupten kann. Sick Boy entwickelt moralisch fragwürdige Geschäftsideen. Und Begbie? Der Ober-Psycho atmet gesiebte Luft. Aber natürlich nicht die ganze Filmlänge.

Apropos Länge. Ja, ein wenig zu lang (wie vermutlich auch meine Kritik - danke trotzdem fürs Lesen). Die sprunghafte Erzählweise hat im ersten Teil besser funktioniert. Dennoch ein lohnendes Wiedersehen mit den Antihelden aus der Jugend - in einem weiteren Film, der das Altern, das Leiden, die verdammte Vergänglichkeit thematisiert. Geht okay.

T2 Trainspotting Bild 1
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FAZIT:

Nach 20 Jahren gibt es ein Wiedersehen mit Renton, Spud, Sick Boy und Begbie. Menschen ändern sich, die Musik ändert sich, die Drogen ändern sich. Hieß es schon im ersten Teil. Sag ja zur Fortsetzung, die sich deutlich relaxter, melancholischer, abgeklärter, in gewissem Sinne "erwachsener" gibt und nicht enttäuscht.

In diesem Sinne: "Choose life. Choose Facebook, Twitter, Instagram and hope that someone, somewhere cares."

WERTUNG: 7 von 10 Viagra-Pillen für Begbie
Dein Kommentar >>
Patrasch | 14.03.2017 09:20
die perfekte, erwachsene Fortsetzung, würde mindestens 9/10 geben bzw. ihn eigentlich sogar auf eine Stufe mit Teil 1 stellen.

!!!SPOILER!!!!

Am Ende, wenn dann alle halbwegs zur Besinnung gekommen sind, und "Wolf Alice - Silk" ertönt... das kann man schon als Magic Moment bezeichnen... nur schade dass "Fat White Family" erst ganz am Ende des Abspanns kommt, wenn dann auch schon der letzte der 3 Leute gegangen ist... außer uns natürlich ;-).


!!!SPOILER!!!!
Harald | 14.03.2017 12:24
Ja, die Musik war überhaupt wieder sehr gut. Magic Moment auch der Blondie-Song "Dreaming"
>> antworten
rolff | 12.03.2017 22:26
nein, nicht alle haben damals cds gesammelt. ich hielt das damals schon für billigen (nein, teuren) mist und habe die platte heute noch im regal stehen, ganz vorne, erst grad gehört.
im übrigenfind ich ihn immer noch so toll wie damals, allerdings wurde auch kein freund von mir angefixt, literally.
und zu lang, ja, das sind 9 von 10 filmen heutzutage, sogar die guten.
>> antworten