HORRORKOMÖDIENBUDDYMOVIE: USA, 2016
Regie: Dan Kwan, Daniel Scheinert
Darsteller: Daniel Radcliffe, Mary Elizabeth Winstead, Paul Dano, Timothy Eulich
Ein Schiffsbrüchiger ist auf einer winzigen Insel gestandet. Vor Hunger und Einsamkeit halb wahnsinnig geworden, beschließt Hank (Paul Dano), aus dem Leben zu scheiden. Als er sich die Schlinge um den Hals legt, erblickt er eine angespülte Leiche am Strand. Manny, so heißt der nur scheinbar leblose Körper, produziert heftige Faulgase und hat auch sonst noch einige Überraschungen auf Lager. Er beginnt zu sprechen und rettet damit Hank das Leben. Der Beginn einer wundersamen Freundschaft ...
Harry Potter geht es gar nicht gut. Erst sind ihm Hörner gewachsen, und nun kämpft Daniel Radcliffe als Untoter mit unkontrollierten Flatulenzen und Dauer-Erektionen.
Auf der Premiere am Sundance-Festival soll ein Gutteil des Publikums empört den Saal verlassen haben. Für die gutbürgerlich-feinsinnige Arthouse-Crowd, für die Spike Jonze das Maximum der Zumutbarkeit darstellt, ist ein "Farting Corpse Movie" wohl zuviel des Guten. Auch wenn es sich um den "Citizen Kane des Furzfilms" (Zitat Twitchfilm) handelt.
An diesem Freitag Abend im Wiener Votivkino stellte sich dieses Problem nicht. Niemand ist aus dem gut gefüllten Saal geflüchtet. Auch wenn ich am Ende Wortfetzen wie "Boah, anstrengend" aufschnappte.
Stimmt schon: Paradoxerweise ist gerade sein überbordender Ideenreichtum das größte Problem von SWISS ARMY MAN. Der Film ist dermaßen vollgepackt mit bizarren Ideen, absurden Gags und irrwitzigen Pointen, dass einem schwindlig werden könnte. Wie viel Verspieltheit verträgt ein Spielfilm? Wann kommt der Punkt, an dem ein Film unter der Last seiner Gimmicks zusammenbricht?
Glücklicherweise federn die beiden Regisseure ihr durchgeknalltes Ideenfeuerwerk durch Melancholie ab. Um die absurde Grund-Idee einer furzenden, sprechende Leiche wurde eine ernsthafte Geschichte herumgezimmert. Darin geht um nichts weniger als um Essentielles: Um Freundschaft, um Liebe, um das Leben, die großen Themen halt, verpackt in ein Buddy-Movie der etwas anderen Art. Als hätten sich Michel Gondry und Judd Apatow zusammengetan, um eine Zombie-Komödie zu drehen.
Anders als man nach den Grusel-Geschichten vom Sundance vermuten würde, versucht der Film übrigens gar nicht erst, den Gross-Out-Humor auf ein neues Level zu heben. Was nach unpackbaren Mainstream-Hits wie DER SPION UND SEIN BRUDER sowieso kaum mehr möglich wäre.
Bei mir hat sich etwas eingestellt, was ich den "Toni Erdmann"-Effekt nennen möchte: Ich freue mich, dass der SWISS ARMY MAN erfolgreich läuft und von allen, die ich kenne, geliebt wird. Auch wenn er für mich persönlich eben nicht 100%ig funktioniert hat.
Wer Paul Dano nicht mag, ist ein schlechter Mensch. Und Daniel Radcliffe muss man sowieso umarmen für die Radikalität seiner Rollenauswahl nach Harry Potter. Doch der "Farting Corpse Movie" SWISS ARMY MAN entpuppt sich als eine etwas anstrengende Angelegenheit. Etwas weniger Weirdness und Michel Gondry-eske Verspieltheit wäre möglicherweise mehr gewesen. Auch wenn Körperflüssigkeiten und Gase eine tragende Rolle spielen, bemüht sich dieser zwischen surrealer Horror-Komödie und Indie-Drama angesiedelte Film redlich, eine ernsthafte Geschichte zu erzählen. Sozusagen ein artsy-fartsy Buddy-Movie, melancholischer und philosophischer als die Inhaltsangabe vermuten ließe. Halbwegs robuste Magennerven sollte man freilich trotzdem mitbringen.