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Suspiria

Suspiria

HORROR: USA/I/D, 2018
Regie: Luca Guadagnino
Darsteller: Dakota Johnson, Mia Goth, Chloë Grace Moretz, Tilda Swinton, Jessica Harper

STORY:

Die junge amerikanische Tänzerin Susie Bannion (Dakota Johnson) findet Aufnahme in die renommierte Berliner Helena Markos Tanzkompanie, wo, wie es sich schnell herausstellt, Einiges nicht mit rechten Dingen zugeht.

KRITIK:

Dakota Johnson! Mia Goth! Chloë Grace Moretz! Tilda Swinton! Und Musik von Thom Yorke! Mehr musste ich über das heiß ersehnte / wild umstrittene SUSPIRIA-Remake vorab gar nicht wissen, um zu wissen, dass hier ein Film des Jahres auf uns zukommt. Für den sich der kleine Bürosklave und Hobby-Filmblogger dann auch extra frei nimmt, um frühmorgens in der Pressevorführung sitzen zu können.

Es hat sich natürlich gelohnt. Was heißt .... SUSPIRIA ist ein großartiger Film. Alles andere wäre auch eine herbe Enttäuschung gewesen. Regisseur Luca Guadagnino (Oscar-nominiert für CALL ME BY YOUR NAME) macht zwar alles völlig anders als erwartet. Und doch macht er alles richtig.

Auf den ersten Blick hat Guadagnino einen Anti-SUSPIRIA gedreht, indem er alles, was Dario Argentos wegweisenden Klassiker auszeichnet, ins Gegenteil verkehrt. Aus Argentos netzhautüberflutenden Grün- und Rotlichtexzessen wurden kalte Graustufen, denen sämtliche Primärfarben abhanden kamen. Der ikonische Score von Argentos Haus- und Hof-Progrock-Kapelle Goblin wich reduzierten, aber unter die Haut gehenden Sound-Experimenten und Songs von Radiohead-Stimme Thom Yorke. Und der Schauplatz, im Original die süddeutsche Stadt Freiburg, wurde ins geteilte Berlin von 1977 verlegt, wo der RAF-Terror gerade seinen dramatischen Höhepunkt erreicht.

Man merkt schon: Ein Horrorfilm kann heute nicht einfach nur ein Horrorfilm sein. (Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel). Er muss mit Bedeutung und Subtext aufgeladen werden, je mehr, desto besser: Kalter Krieg und Deutscher Herbst, kollektiv verdrängte Schuld und feministisches Empowerment, Psychoanalytik und Zeitgeschichte, Guadagnino lässt nichts aus. Die Hexen werden basisdemokratisch gewählt (kein Scherz!). Sie sind belesen und politisch interessiert - eine hält einmal eine SPIEGEL-Ausgabe in der Hand -und fühlen sich am Ende gar verpflichtet, Vergangenheitsbewältigungsarbeit zu leisten. Ob es dabei eine gute Idee war, Tilda Swinton über weite Strecken Deutsch sprechen zu lassen, sei mal dahingestellt.

Dass der Film unter der Last der Bezüge und Botschaften nicht zusammenkracht, ist ein mittleres Wunder. Oder eben nicht: Er ist nämlich virtuos gemacht. Für die formal strengen, in ihrer Eleganz betörenden Bilder zeichnet der thailändische Kameramann Sayombhu Mukdeeprom verantwortlich, der schon bei CALL ME BY YOUR NAME dabei war. Gedreht wurde auf 35mm-Film, im Auftrag von Amazon übrigens. Das muss man sich bitte einmal auf der Zunge zergehen lassen: Der Streaming-Riese finanziert ein Remake eines klassischen Horrorfilms auf analogem Filmmaterial, um ihn in die Kinos zu bringen. Gibt es ein schöneres Bild für die Widersprüchlichkeit der Welt Anno 2018?

Natürlich erkennt man die subtilen Referenzen auf den Ur-SUSPIRIA von 1977: Die schwerelosen Kamerafahrten durch Eingangshallen und Stiegenhäuser, die eigenwilligen Perspektiven, die die Figuren klein und bedroht wirken lassen. Und die Farbe Rot, deren Anteil langsam, aber stetig zunimmt, je blutiger das Geschehen wird.

Es wird erwartungsgemäß SEHR blutig; zumindest im Finale spitzt der rote Saft fontänenweise. In dieser Hinsicht erweist sich Guadagnino als gelehriger Schüler von Maestro Argento. Dennoch: Die Stärke des Films liegt nicht in seinen Schock- und Horrormomenten. Im Gegenteil, dieser Aspekt ist überraschenderweise sogar jener, der mich am wenigsten überzeugt hat. WTF, denkt sich der aufmerksame Leser jetzt, ein Remake, das nahezu alles anders macht als das Original, und ausgerechnet in den Horrorsequenzen nicht überzeugt? Ja, beinahe wäre mir das böse Wort Kunstinstallations-Horror über die Tastatur gekommen: Sehr klinisch, sehr artifiziell, sehr "künstlich" wirken viele der Effekt-Sequenzen.

Blanker Horror stellt sich relativ nur selten ein. Da wäre vor allem die erste Tanzszene zu nennen, in der Dakota Johnsons Figur Susie eine übernatürliche Verbindung mit einer anderen Frau eingeht. Mit jeder Tanz-Bewegung, die Susie vollführt, werden Olgas Gliedmaßen grotesker verdreht, bis es ihren Körper zerreißt. Eine bemerkenswert krasse Sequenz ist das, die dem irrlichternden Wahnsinn des Originals durchaus die Ehre erweist (und mit einer Verletzung der Hauptdarstellerin endete).

Mit 152 Minuten lässt sich SUSPIRIA auch alle Zeit der Welt. Das Erstaunliche dabei ist, dass man trotz kaum zu leugnender inhaltlicher Überladung keine Sekunde missen möchte. Man kann sich kaum satt sehen an den eleganten Bildern, den Kostümen, den virtuosen Tanz-Performances. Und der Sound von Thom Yorke sorgt für Gänsehaut-Momente, die gar nicht mehr aufhören wollen. So und nicht anders soll sich Kino anfühlen.

Suspiria Bild 1
Suspiria Bild 2
Suspiria Bild 3
Suspiria Bild 4
Suspiria Bild 5
Suspiria Bild 6
Suspiria Bild 7
FAZIT:

Der italienische Arthouse-Darling Luca Guadagnino wagt sich an ein Remake von Dario Argentos ikonischen Klassiker SUSPIRIA von 1977. Eigentlich kann man dabei nur verlieren. Doch dieser Film, der alles völlig anders macht als erwartet, ist ein Gewinner.

WERTUNG: 8 von 10 silbernen Haken
Dein Kommentar >>
toxic | 22.03.2019 14:50
"Ein Horrorfilm kann heute nicht einfach nur ein Horrorfilm sein."
Sehr treffend ausgedrückt. Das ist genau das Problem dieses überflüssigen Remakes, denn es ist kein echter Horrorfilm.
Die fiebrige Atmosphäre und die rohe, etwas ruppige Gangart des Klassikers weichen einem überladenem, zähen, viel zu langem und prätentiösem Kunstfilm.
Die letzte halbe Stunde war ganz ok, aber diese lieblose, billige Pixelblutoptik holt bei mir keinen Blumentopf aus dem Schuppen.
Und es war wirklich keine gute Idee, so viele "Nicht-Native-Speaker" deutsch sprechen zu lassen. Diese Szenen wirken sehr hölzern und Tilda Swinton bleibt allgemein sehr blass (die Szene, in der sie ihren Text von der Zeitung abliest). Dakota Johnson und Mia Goth hätten die Rollen tauschen sollen. Und warum ist die vielleicht tolle Tanzchoreographie so hektisch kaputt geschnitten? Alles sehr schade.
Und die Nebenhandlung mit deutscher Geschichte war ein überflüssiger Fremdkörper, der mir keine Chance lies in diesen Film einzutauchen. Gnnauso wie die seichten Popsongs von Tom Yorke überhaupt nicht zu den Bildern passen.(Ganz im Gegesatz zu Argentos Meisterwerk, der so eine Art dämonischen Sog entwickelt).
Ich glaube, Luca Guadagnino wollte eigentlich einen anspruchsvollen, relvanten und komplexen Erzählfilm drehen und hat sich dafür das falsche Genre ausgesucht.
"Call me by your Name" war ein toller Film, der zeigt, wo die Stärken des Regisseurs liegen, dieser hier das Gegenteil.
4 von 10 tropfenden Titten
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Tim | 22.11.2018 12:52
Stärker Film. Klasse Darsteller. @Harald: So viel deutschen Text hat doch Tilda Swinton gar nicht und das mit dem Deutsch macht sie ganz gut. Jedoch lässt mich das Ende etwas ratlos zurück: "We need guilt, we need shame, but not from you."
Mhm. Nun gut. Ich schlaf noch mal ne Nacht drüber.
9 von 10 äußerst knappen Tanzlaibchen.
Harald | 22.11.2018 14:08
Als Madame Blanc eh nicht. Aber als Dr. Josef Klemperer war sie auch sprachlich irritierend. Vielleicht sogar beabsichtigt.
Tim | 23.11.2018 11:50
Oh. Asche auf mein Haupt. Das wusste ich nicht, dass das auch Tilda Swinton war. Abgefahren. Stimmt, das war sprachlich z.T. irritierend, aber dennoch sehr gut gemacht. Zumindest so gut, dass es mir nicht aufgefallen ist. Was jetzt aber auch nichts heißen muss. Beeindruckend. Nur warum hat der Regisseur diese Rolle mit ihr besitzt?
Harald | 23.11.2018 12:16
Das war wohl so ein kleiner PR-Stunt. Und eine Leistungsschau der Make-Up-Artists.
orf.at/stories/3059782
Tim | 23.11.2018 13:32
Ah. Danke für die Infos und den Link, Harald!
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Johannes | 15.11.2018 14:46
Für Interessierte: Das Original kommt am 28. November 2018 um 22:40 Uhr auf arte.
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dokk | 12.11.2018 05:43
alles anders zu machen scheint mir eh die richtige taktik zu sein bei dem film . seien wir ehrlich : das original hat seine schwächen . da sind all die (für heutige sehgewohnheiten) unfreiwillig komischen szenen , schlechte schauspielerische leistungen zu hauf, und den schluss finde ich auch ziemlich lahm . an dem stoff konnte man viel verbessern , und ich bin froh , dass das offenbar gelungen ist . hoffentlich hat er ein richtig böses ende .
aber im kino wird er keinen erfolg haben , fürchte ich . weit und breit keine superhelden oder vampire ...
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