DRAMA: J, 2005
Regie: Sion Sono
Darsteller: Masumi Miyazaki, Issei Ishida, Rie Kuwana
Strange Circus erzählt die Geschichte der zwölfjährigen Mitsuko (Rie Kuwana), die von ihrem Vater, einem strengen Schuldirektor, sexuell missbraucht wird. Das Mädchen muss ihren Eltern beim Sex zusehen - und mit ihrer Mutter die Rolle tauschen ... eine Tragödie bahnt sich an ...
KRITIK:Optisch ist dieser Film ein Traum - nicht nur, weil er mit einer visuell perfekt gemachten, betörenden Traumsequenz beginnt: Ich wäre ja dafür, all die überschätzten europäischen Autorenfilmer von Michael Haneke abwärts zu einem Auslandsaufenthalt in Fernost zu verpflichten. Damit sie dort Basics in Sachen Farbkomposition, Bildgestaltung und Lichtsetzung lernen. Mich fasziniert immer wieder, wie schlicht - und zugleich ungeheuer ästhetisch die Bilder im asiatischen Kino wirken.
Doch mit schöngeistiger visueller Idylle ist es rasch vorbei. Ich halte mich an sich für einen ziemlich abgebrühten und wenig zimperlichen Filmfan. Doch es gibt zwei Dinge, die mir stets schwer auf den Magen schlagen: Nämlich filmische Darstellungen von Vergewaltigungen und Kindesmissbrauch. Davon gibt es hier mehr zu sehen als einem lieb sein kann.
Angesiedelt an der Schnittstelle zwischen seriösem Arthouse-Kino und reißerischem Trash, setzt sich der Film zwischen alle Stühle. Im Grunde haben wir es mit einem Rape/Revenge-Drama zu tun.
Dabei erweist sich Regisseur Sion Sono ("Suicide Circle") als gelehriger Schüler von Takashi Miike - und versucht, die blutigen Exzesse aus Audition und Co.
noch zu übertreffen. Ich bin ja der letzte,
der sich über kranke Gewalt und geschmackliche Entgleisungen beklagt - selbst wenn eine Kettensäge zum Einsatz kommt. Doch weniger wäre hier mehr gewesen. Vor allem weil das blutgetränkte Finale stark zu Lasten der Glaubwürdigkeit geht.
Und auch die ständigen Sprünge zwischen Gegenwart und Vergangenheit bzw.
Traum und Realität und Imagination wirken allzu konstruiert.
Dieses David Lynch-hafte Verwirrspiel Marke "Blickt-noch-jemand-durch-was-hier-WIRKLICH-gespielt-wird"
verunmöglicht letztlich das emotionelle Reinkippen in die Figuren - für mich immer noch DAS Kriterium für einen guten Film.
Der Film macht seinen Titel alle Ehre. Strange Circus ist ein stranges, brutales, artifizielles, surreales, über-konstruiertes Kunst-Stück von einem Film,
das das schwierige Thema Inzest und Kindesmissbrauch in unangemessen reißerischen Bildern ausschlachtet.
Man könnte das auch Exploitation nennen.
Fans der härteren fernöstlichen Gangart werden dennoch (oder gerade deshalb?) auf ihre Kosten kommen.