OT: Marked for Death
ACTION: USA, 1990
Regie: Dwight H. Little
Darsteller: Steven Seagal, Basil Wallace, Keith David, Tom Wright, Joanna Pacula
Steven Seagal ist John Hatcher und der hat genug vom ewigen Kampf gegen die Drogenmafia. Er will sich zur Ruhe setzen und eine ruhige Kugel schieben.
Doch die jamaikanische Drogenmafia seines Heimatortes denkt gar nicht daran ihn in Ruhe zu lassen und geben ihn zum Töten frei. Nicht ahnend, dass sich damit selbst freigegeben haben ...
Da wären wir also an der dritten Haltestellte unserer Reise durch das Reich des großen Meisters Steven Seagal angelangt. Wir schreiben das Jahr 1990 und nachdem Seagal bereits zwei Filme in die Kinos gebracht und sich als unbesiegbaren Superhelden mit Prollfrisur und der Lizenz zum Handgelenksbruch™ vorgestellt hat, schmeißt er direkt einen dritten hinterher. Wer nun die ersten beiden FILMTIPPS.at-Huldigungen des legendären Aikido-Shihan, nämlich NICO und HARD TO KILL, verpasst hat, kann das noch schnell nachholen.
Ich mach derweil schon mal weiter mit ZUM TÖTEN FREIGEGEBEN. Auch wenn bereits fünf Minuten nach dem Vorspann das Gefühl aufkommt, dass sich der Titel auf jeden bezieht, der Steven Seagal aka John Hatcher über den Weg läuft, so ist es doch Steven Hatcher, den die jamaikanischen Drogenbanden für Freiwild erklären. Selbstredend – und ich denke nicht, dass das ein großartiger Spoiler ist – wird der Spieß ruckzuck umgedreht und es folgen Handgelenksbrüche™ und sonstige Frakturen en masse.
Der Film folgt dabei wieder dem – um 1990 rum - neubekannten Muster der beiden vorangegangen Filme. Seagal, mal wieder Ex-Marine und Kriegsveteran, der härteste Bulle von allen und einfach nur eine verdammt coole Sau, haut ordentlich auf den Putz als einer ihm nahestehenden Person etwas durch die bösen Buben angetan wird. Zwei kleine Unterschiede gibt es jedoch zu den beiden vorangegangenen Filmen. Zum einen muss Seagal hier auch mal was einstecken. Wenn auch nicht besonders viel, nicht besonders lang und ohne Frage schafft er es bereits nach wenigen Sekunden und mit wenig Anstrengung sich wieder in die Position des Situationsbestimmenden zu bringen. Worauf selbstverständlich viele gebrochene Knochen folgen. Also genau das, was man erwartet.
Dennoch ist es äußerst verwunderlich, dass sich Seagal dazu überreden ließ, die von ihm verkörperte Figur in eine dermaßen heikle Situation kommen zu lassen. Ich denke, dass Regisseur Dwight H. Little sehr viel Überredungskunst und eine gehörige Portion Bauchpinselei benötigte.
Was ZUM TÖTEN FREIGEBEN ebenso von seinem direkten Vorgänger HARD TO KILL unterscheidet ist, dass zwar jemand, der Seagal nahe steht, schwer verletzt wird, allerdings geschieht dies nicht zu Beginn des Films, sondern erst weit im zweiten Akt. Erstaunlicherweise nehmen sich sowohl das Drehbuch, als auch die Regie sehr viel Zeit, um die Figur des John Hatcher zu etablieren. Er will tatsächlich ein ruhiges Leben führen und sich von der Gewalt des organisierten Verbrechens fernhalten. Dementsprechend nimmt sich der erste Teil des Films – besonders für einen Seagaller – äußerst ruhig aus. Mal abgesehen von dem Massaker, das er direkt nach dem Vorspann an einer Bande südamerikanischer Drogenhändler anrichtet – kurz nachdem er, auf gewohnt arrogante Weise, seinen Partner drangsaliert, weil der nicht macht, was er will –, bleibt es erst einmal ruhig und die Handgelenke heil.
Per se ist das nichts Schlechtes und es ist schön, so etwas wie Charakterentwicklung etc. auch in einem Actionfilm zu sehen. Torpediert wird diese Unternehmung jedoch von dem absoluten Unvermögen Seagals auch nur irgendwas zu spielen. Stattdessen tritt er einfach gewohnt arrogant, überheblich und prollig auf – meine Freundin äußerte nach ca. 20 Minuten den Verdacht, dass Seagal so von sich eingenommen ist, dass er zum Wichsen ein Foto von sich selbst mit aufs Klo nimmt. Darüber hinaus scheint er im Wettbewerb mit sich selbst zu stehen, wie lange er es wohl schafft, keine Miene zu verziehen. Ganz ehrlich, selbst beim Lachen sieht Seagal aus, als würde er ohne Sonnenbrille direkt in die Sonne starren. Somit funktioniert diese sehr lange Exposition nicht im eigentlichen Sinne. Es ist gar fast ein wenig zu ruhig.
So fehlt zwar über einen relativ großen Zeitraum die Gewalt, für die man einen Seagal-Kracher eigentlich einlegt. Aber, wirklich langweilig wird es trotzdem nicht, was vor allem Littles gekonnter Regie zu verdanken ist, denn ZUM TÖTEN FREIGEGEBEN entwickelt von Anfang an eine gelungene mitreißende Atmosphäre um seine Zuschauer bei Laune zu halten. Hinzu kommen – wie gewohnt – einige unfreiwillig komische Szenen. Humor, der durch geschickt ausgespielte 80er/90er-Actionfilmklischees und trottelige Dialoge zu überzeugen weiß. Dennoch, trotz der festen Überzeugung meiner Sofagenossin, dass wahlweise Seagal oder ein 14-jähriger pubertierender Junge das Drehbuch geschrieben hat, möchte ich erwähnen, dass sich die Autoren Michael Grais und Mark Victor durchaus Mühe gegeben haben, ein sinnvolles Handlungskonstrukt für Seagal zusammenzuzimmern.
Und spätestens, wenn John Hatchers Nichte im Krankenhaus liegt und er zu ziemlich lässiger Mucke seinen Rachefeldzug beginnt, bekommt ZUM TÖTEN FREIGEBEN einen Drive, der sich sehen lassen kann. Dann wird so richtig aufgedreht und Seagal kann zeigen, was er am besten kann – erbarmungslos seine Gegner vernichten und zwar mittels übertriebener, exzessiver, gar menschenverachtender Gewalt. Immer mit einem lässigen, herablassenden Spruch auf den Lippen. Sobald Seagals John Hatcher also sein Aikido ausgepackt hat und Handgelenksbrüche™ im Akkord folgen, treibt der Film ohne große Umschweife auf sein großes Finale zu, in dem sich schließlich die vorher aufgebaute Spannung äußerst brutal entlädt.
In diesem Sinne: "Was war?" - "Der eine dachte er wäre unschlagbar, der andere dachte er könnte fliegen!" - "Und?" - "Sie haben sich beide geirrt!"
ZUM TÖTEN FREIGEGEBEN ist irgendwie so etwas wie das wenig beachtete Stiefkind in Seagals früher Filmographie. Das mag vielleicht daran liegen, dass er der Film ist, der am ehesten auch von einem anderen Schauspieler hätte getragen werden können und nicht zwangsläufig auf Seagal angewiesen ist. Man könnte ihn wohl am ehesten mit Schwarzeneggers DER CITY HAI vergleichen, ein in meinen Augen gelungener kleiner Actionthriller mit seinem ganz eigenen Charme, der neben seinen wohlbekannten Kollegen zu wenig Beachtung findet.
Es ist vor allem Dwight H. Littles äußerst gekonnte Inszenierung, die ZUM TÖTEN FREIGEGEBEN, trotz der erst spät auftauchenden Seagalismen, zu einem guten Seagal- und Actionfilm macht. Indem er die Waage hält, zwischen seriöser Action, trashiger Unterhaltung und typischer Seagal-Brutalität, unterstützt von einem unauffälligen aber passenden Soundtrack, erkämpft er sich einen verdienten vorderen Platz in Seagals Filmpantheon.