OT: Today You Die
ACTION: USA, 2005
Regie: Don E. FauntLeRoy
Darsteller: Steven Seagal, Anthony 'Treach' Criss, Sarah Buxton, Mari Morrow
Steven Seagal ist Harlan. Und Harlan wird engagiert einen Geldtransporter zu fahren. Doch leider gerät er damit in gefährliche und illegale Machenschaften, die ihn sogar in den Knast bringen. Aus Rache macht er Jagd auf die, die ihn reingelegt haben...
TODAY YOU DIE. Diesen Titel muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Wenn da keine Erinnerungen an Seagals-Frühwerke aus glorreicheren Zeiten wach werden, dann weiß ich auch nicht. Überhaupt mutet TODAY YOU DIE an wie eine große Melange aus Seagals früheren Filmen. Zuerst dachte ich nur "Wow, bei dem Titel kann nicht viel schief gehen!", hatte gleich Bilder im Kopf von einem agilen Seagal der Handgelenke bricht und Leute durch Glasscheiben wirft. Natürlich ist das Tagträumerei, aber es lässt sich nicht leugnen, dass TODAY YOU DIE durchaus den Geist der alten guten Filme, und jene aus der Zeit kurz vor Ende der Kinokarriere Seagals, atmet. Im Grunde jedenfalls. Es wird nicht sofort deutlich. Ist bei genauerem Hinsehen aber doch recht offensichtlich.
Zunächst einmal ist da natürlich der Titel. Nicht TICKER oder THE PATRIOT oder THE FOREIGNER. Nein, TODAY YOU DIE - eine klare Ansage. Ganz im Stile von ABOVE THE LAW (NICO), HARD TO KILL, OUT FOR JUSTICE (DEADLY REVENGE - DAS BROOKLYN-MASSAKER) oder MARKED FOR DEATH (ZUM TÖTEN FREIGEGEBEN). Titel wie gemacht für Steven Seagal-Filme. Eine weitere Ähnlichkeit zu ZUM TÖTEN FREIGEGEBEN ist das magisch-spirituelle Thema. Damals war es der Voodoo der jamaikanischen Drogenmafia, jetzt sind es Träume und Traumdeutung. Seagals Knastzeit zusammen mit einem Schwarzen erinnert an HALB TOT und die anschließende "Ermittlung" auf den Straßen Las Vegas hat einen Hauch von GLIMMER MAN.
Sehr viele Ähnlichkeiten, aber die Unterschiede zwischen all diesen Filmen – vielleicht mit Ausnahme von HALB TOT – sind noch viel größer. Denn die oben genannten Filme haben etwas gemeinsam, das TODAY YOU DIE nicht mit ihnen teilt – sie sind verdammt gut. Es lässt sich leider nicht leugnen, dass TODAY YOU DIE ein Werk aus Seagals DTV-Ära ist, mit all den Problemen die dazu gehören. Klar, es ist eine amerikanische Produktion und sieht dementsprechend viel besser aus als alles was Seagal bisher in Osteuropa produziert hat. Aber ein Problem geißelt alle DTV-Produktionen Seagals, so auch diese hier: Die Geschichte ist absolute Hirngrütze und mindestens so unnötig kompliziert wie der Mathematikunterricht in der Schule.
Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, das Chaos zu erklären, das hier Drehbuch geschimpft wird. Eines ist sowieso klar - TODAY YOU Die ergibt keinerlei Sinn. Nicht den geringsten. Nicht mal im Ansatz. Die Geschichte nachzuvollziehen ist schier unmöglich. Da hilft weder mehrmaliges Sehen noch die Recherche im Internet oder in VERNs ultimativem Seagal-Nachschlagewerk SEAGOLOGY. Die Kerngeschichte ist im Grunde noch relativ simpel. Seagal wird von üblen Verbrechern reingelegt, landet im Knast und will Rache. Dazu gesellt sich allerdings noch eine Geschichte um die hellseherischen Fähigkeiten seiner Frau - oder Freundin - und irgendwelche bösen und guten Geister, Schutzgegenstände und weiteren Mumpitz. Und kommt beides zusammen, wird's kompliziert.
Es ist bekannt, dass das Drehbuch zu TODAY YOU DIE mehrfach und massiv umgeschrieben wurde. Laut den Produzenten wurden die Autoren von Seagal dazu genötigt nicht genehmigte Änderungen am Drehbuch vorzunehmen und die Geschichte massiv umzuschreiben. Das würde erklären, warum die Traum-Dämonen-Geister-Sache keinerlei Verbindung zur restlichen Geschichte aufweist. Vermutlich wollte Seagal den übernatürlichen Ballast loswerden. Da der Mittelteil von TODAY YOU DIE durchaus seine Qualitäten hat, hätten die Produzenten mal besser auf ihn gehört und ihn einfach machen lassen.
Natürlich heißt das nicht, dass die Geschichte um den Geldraub eine stimmige, runde Sache ist. Das fängt schon damit an, dass Harlan (wer zum Geier heißt so?) angeheuert wird einen Geldtransporter zu fahren – und das ohne Vorstellungsgespräch, ohne ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen zu müssen und so weiter. Nicht mal eine Uniform muss er tragen. Gerade einem Berufsverbrecher sollte das komisch vorkommen - aber Harlan ist ja eine von Seagals wenigen Rollen, die keine CIA-Hintergrundgeschichte hat. Vermutlich liegt's daran. Aber schon der ganze Coup an sich ist bescheuert bis zum Abwinken. Seagals Partner gibt sich als Mitarbeiter des Geldtransportunternehmens aus, die Wachen kaufen es ihm ab, er lädt seelenruhig den Wagen ein und müsste nur noch unterschreiben und abhauen. Aber anstatt einfach den Empfang zu quittieren, fängt er direkt an zu schießen, tötet einen Wachmann und plötzlich haben die beiden eine riesige Bande Verfolger am Hals. Er hätte doch nur unterschreiben müssen, verdammt! Aber gut, vielleicht kann er ja nicht schreiben - wobei ich mir sicher bin, in den USA kann man auch mit XXX unterschreiben.
Danach beginnt dann der Hauptteil und damit der bodenständigere Part des Films. Harlan kommt ins Gefängnis - wo sich sonderbarerweise schon herumgesprochen zu haben scheint, dass er die Kohle aus dem Geldtransporter versteckt hat - und muss ein, zwei Mal sein Aikido zu bemühen um ein paar Häftlingen zu zeigen wo der Hammer hängt. Optisch scheint sich Seagal den Mexikanern angeschlossen zu haben, aber das kann auch täuschen - der Mann hat ja eh einen komischen Modegeschmack. Als er mit Hilfe Ice Kools fliehen kann - der praktischerweise sowieso einen Gefängnisausbruch geplant hatte und noch einen Platz frei hatte - macht er Jagd auf seinen ehemaligen Boss, der eigentlich tot sein soll.
Am Ende wird noch das Waisenhaus gerettet, die Polizei vergisst, dass sie zwei Gewaltverbrecher sucht, die inzwischen auch noch eine blutige Spur hinter sich herziehen und Seagal schenkt einem kleinen Mädchen eine Kette - dass er dabei höchst zwielichtig aussieht, versteht sich von selbst. Und wieso Ice Kool einen Teil seines Anteils an der Beute an das Kinderkrankenhaus spendet, von dem er noch nie gehört hat, an dem Seagal aber zu Beginn des Films vorbeigefahren ist, weiß vermutlich nicht mal der Drehbuchautor.
Klar hört sich das alles ziemlich bescheuert an. Ist es ja auch. Trotzdem macht TODAY YOU DIE irgendwie Spaß. Das liegt vor allem daran, dass gerade im Mittelteil ein wohliges Gefühl aufkommt. Erinnerungen an bessere Seagal-Zeiten, als er noch nicht von seinen Produzenten verklagt wurde, weil er kaum am Set ist und sich nicht doubeln lassen musste, bloß weil es darum geht das Bein zu heben. Seagal verhört zum Beispiel einen Zeugen. Will heißen, er misshandelt ihn und als er fertig ist, knallt er ihn trotzdem ab - DEADLY REVENGE-Style. Auch einige der Szenen mit Rapper Treach sind gar nicht übel und zum Teil sogar richtiggehend witzig, was Erinnerungen an GLIMMER MAN wach werden lässt - den viele Seagal-Fans hassen. Ich persönlich finde ihn gut.
Dazu kommt die Action auf ziemlich hohem Niveau. Es gibt eine sehr gelungene Autoverfolgungsjagd durch Las Vegas, mit sich überschlagenden und brennenden Polizeiautos. Allerdings wurden diese nicht für den Film gedreht, sondern aus einem anderen Film der Produzenten genommen und hier eingefügt. Auch die Außenausnahmen des Gefängnisses stammen – mehr als offensichtlich, da sich die Qualität des Materials unterscheidet - aus dem Archiv. Auf Grund des heftigen Recyclings bietet sich weniger der Vergleich zu anderen Seagal-Filmen an, als zu Godfrey Hos Ninja-Trash-Massakern. Aber gut, ich will mich nicht beschweren, TODAY YOU DIE sieht immer noch zehn Mal besser aus als THE FOREIGNER.
Es gibt wieder mehr Aikido als im direkten Vorgänger SUBMERGED – in dem Seagal eigentlich nichts so wirklich gemacht hat. Direkt am Anfang, als er in die Bude eines Drogenbarons einbricht und von anderen Verbrechern überfallen wird, die ihm das gestohlene Geld stehlen wollen, legt er beim entwaffnen sogar eine Geschwindigkeit an den Tag, die fast an alte Zeiten herankommt. Dass er die beiden Verbrecher dann gleich noch abknallt ohne mit der Wimper zu zucken ist so richtig schön Seagal. Darauf folgt gleich eine ordentliche Keilerei und es kommt zu schmerzhaften Handgreiflichkeiten. Trotz Double-Einsatzes sieht das top aus und der eine oder andere Handgriff ist sogar von Seagal selbst. Hauptsächlich die Tritte sind gedoubelt - so hoch wie eins in HARD TO KILL bekommt der Meister seine Beine halt schon lange nicht mehr.
Es müssen zwar nicht allzu viele Handgelenke dran glauben, aber dafür gibt es einen sehr schmerzhaften aussehenden Armbruch à la HARD TO KILL zu bestaunen. Den bringt Seagal mit einer herrlich rotzigen Attitüde, wie er sie eine ganze Weile nicht mehr an den Tag gelegt hat. Ansonsten gilt leider: Der aggressive, immer geladene und rotzfreche Seagal der wie ein Hai auf Koks durch die Straßen lief und die Handgelenke böser Buben das Fürchten gelehrt hat, ist schon lange einem müden, schnaufenden, arroganten und gleichgültigen Seagal gewichen. TODAY YOU DIE bringt da etwas Abwechslung. Er scheint zwar nur unwesentlich mehr Lust am Dreh gehabt haben, als bei seinen letzten Projekten - INTO THE SUN einmal ausgenommen -, aber er wirkt einfach etwas anders.
Rapper Treach - von dem ich vor diesem Film noch nie etwas gehört hatte, wobei ich dazu sagen muss, dass ich mich nicht besonders mit Sprechgesang beschäftige - ist als schwarzer Seagal-Begleiter gar nicht mal so übel. Definitiv besser als dieses nervige Frettchen JaRule aus HALB TOT und eventuell auf einer Stufe mit DMX aus EXIT WOUNDS. Damon Wayans ist aber bisher immer noch mein Favorit, wenn's um Partner für Seagal geht. Mari Morrow spielt als Seagals Frau oder Freundin ziemlich gut, aber da ihr Teil der Geschichte wie aus einem anderen Film anmutet, hilft das nicht wirklich. Die restliche Truppe agiert auf halbwegs solidem DTV-Niveau.
In diesem Sinne: "Seh' ich etwa aus wie'n Penner?" - Ja, meint meine Freundin...
Ich würde nie so weit gehen TODAY YOU DIE als guten Film zu bezeichnen. Selbst für einen DVT-Actioner ist er nicht gerade ein Musterbeispiel. Die Geschichte ist viel zu wirr und ergibt nicht mal ansatzweise Sinn. Allerdings stimmt die Action, auch wenn sei teils aus verschiedenen Filmen zusammengeglaubt wurde. Als guten Seagal-Film möchte ich ihn auch nicht bezeichnen - bei weitem nicht. Allerdings ist gerade der Mittelteil durchaus solide gemacht und sorgt zumindest für einige Nostalgiemomente, Erinnerungen an bessere Seagal-Zeiten und unterhält durch die flotten, teilweise arg bekloppten Wortwechsel zwischen Seagal und Rapper Treach.
Der Mittelteil macht Spaß, der Rest ist zum an den Kopf greifen blöd und alles zusammen ist das irgendwie ein trashiges Vergnügen. Empfehlen kann ich TODAY YOU DIE nur bedingt - es gibt durchaus schlimmere DTV-Beiträge von Seagal und wer ein Faible für unlösbare Rätsel hat - sprich, wer versuchen will die Geschichte zu verstehen - darf gerne einschalten. Den Seagal-Komplettisten könnte es schlimmer treffen, denn der darf sich immerhin am Mittelteil erfreuen.