OT: Kill Switch
ACTION: CAN/USA, 2008
Regie: Jeff King
Darsteller: Steven Seagal, Chris Thomas King, Holly Dignard, Isaac Hayes
Steven Seagal ist Detective Jacob King und jagt zwei Serienkiller deren Morde ihm in die Schuhe geschoben werden sollen.
Während Steven Seagal in seiner bisherigen Karriere nur einmal selbst Regie führte – für die 90 Minuten Hardcore-Ökobotschaft AUF BRENNENDEM EIS–-, schrieb er bereits bei zahlreichen seiner Filme am Drehbuch mit. Zum Beispiel bei INTO THE SUN und ATTACK FORCE, die er beide zusammen mit Joe Halpin schrieb. Gerade ATTACK FORCE wurde vom Studio jedoch dermaßen verstümmelt und in der Postproduktion entstellt, dass nicht viel von dem übrig geblieben ist, was Halpin und Seagal ursprünglich vorgesehen hatten.
Für KILL SWITCH schrieb Seagal das Drehbuch nun alleine und versuchte dem typischen Seagal-Film etwas mehr Substanz zu geben und im Thriller-Genre fischen zu gehen. Das Serienkiller-Thema ist nun nicht neu, bereits in GLIMMER MAN brach Seagal das Handgelenk eines Serienschlitzers und ebenso sollte ihm alles in die Schuhe geschoben werden. Soweit so das Gleiche, allerdings ist KILL SWITCH eher auf den Thriller hin angelegt, weniger auf den Humor, der GLIMMER MAN noch ausgezeichnet hat. Und auch wenn die finale Fassung dieses Films das nur noch marginal erkennen lässt, allen Spott zum Trotz, versteht es Seagal Filme für sich selbst zu schreiben.
Die Mischung aus zynischer Brutalität in Verbindung mit dem Katz-und-Maus-Spiel, das Seagal sich mit gleich zwei Mördern liefert, ist durchaus gelungen.
Was den Film letztlich kaputt macht, ihm also quasi das Handgelenk bricht, ist die Gestaltung – allem voran der fürchterliche Schnitt. Es soll eine Work Print-Fassung von KILL SWITCH geben, die durchaus hübsch anzusehen ist und in der alles etwas konsistenter wirkt. Vor allem die wirklich merkwürdige Nachspannszene – die mit zu den merkwürdigsten Szenen zählen dürfte, die es in einem Seagal-Film bisher gab – soll so Sinn ergeben. Aber, was nützt der schönste Work Print, wenn das veröffentlichte Endergebnis reinste Gülle ist. KILL SWITCH sieht aus, als hätte ein hyperaktiver Waldorfschüler sich mit Koks und Speed zugeknallt, bevor er das erste Mal ans Schneidegerät durfte.
Wie kann irgendjemand so etwas ernsthaft freigeben? Dagegen wirkt die Parkinson-Kamera bei BOURNE 3 als hätte jemand auf Pause gedrückt. Die Kämpfe in KILL SWITCH sind super brutal und übersteigen in ihrem Gewaltgrad – nicht aber in ihrer Intensität oder Lässigkeit – den bislang härtesten Seagal-Film DEADLY REVENGE - DAS BROOKLYN MASSAKER. Ob Meister Seagal Leute quer durch eine Bar prügelt und ihnen alle Knochen bricht, einen Zuhälter auf die Thekenkante beißen lässt und ihm alle Zähne ausschlägt oder ob er einen Kerl mit einem Hammer alle Knochen im Körper bricht und ihn so brutal verstümmelt. Das große Problem dabei ist aber, dass man nicht viel von alledem erkennt.
Die Kamera wackelt wie bekloppt herum, die Einstellungen springen durch den beschissenen, künstlerisch pseudo-wertvollen Schnitt wie ein junger Springbock in der Paarungszeit. Was nicht nur dazu führt, dass man sich fühlt wie ein japanisches Kind bei einer Folge. Zum anderen erkennt man einfach nichts. Jedenfalls nichts vom Kampf selbst. Was aber wunderbar zu erkennen ist, ist das peinlich schlechte Seagal-Double, das die ganze Arbeit erledigen muss, aber 20 Zentimeter kleiner, 50 Kilo leichter ist und eine grotesk-unpassende Perücke auf dem Kopf hat. Dazu gesellen sich Nahaufnahmen von Seagal die kein bisschen zum Geschehen passen und sich ständig wiederholen.
Apropos "wiederholen". Am Anfang schmeißt Seagal einen irren Bombenleger aus dem zweiten Stock und quittiert das mit einem lässigen Spruch. Wäre an und für sich gar nicht übel, hätte der Schnitt-Praktikant mit Schluckauf nicht den harmlosen Fenstersturz faktisch 19 – gefühlt 100 – Mal hintereinander geschnitten. Fast so wie in einem Jackie Chan-Film, in dem ein spektakulärer Stunt aus vielen verschiedenen Blickwinkeln hintereinander gezeigt wird. Bloß, dass es hier nur ein Blickwinkel ist und der Sturz alles andere als spektakulär.
Dafür bietet KILL SWITCH einiges an unfreiwilligem Humor. Allem voran die völlig unzusammenhängende Schlussszene, über der ein Fragezeichen hängt, so groß wie des Meisters Ego. Meiner bescheidenen Meinung nach ist das eine der besten Nicht-Kampfszenen, die ich je in einem Seagal-Film bewundern durfte. Ich will nicht die ganze Szene vorwegnehmen, aber die Highlights will ich niemandem vorenthalten: Seagal hat eine russische Frau mit zwei Kindern, obwohl er sogar mit einer Kollegin in einer Beziehung zusammengewohnt hat, knutscht seine Frau, geifert aber gleichzeitig seinem noch viel jüngeren Au-pair-Mädchen hinterher und seine Frau zieht dann für ihn blank und bindet sich eine Schleife um. Seagal schließt darauf die Schlafzimmertür. Nicht aber ohne in die Kamera zu gucken, als wollte er sagen "Die Kleine vernasch ich jetzt hier auf der Stelle. Haut rein!".
Aber auch sein Akzent ist wieder mal vom feinsten – im O-Ton jedenfalls. Da KILL SWITCH nie ungeschnitten in Deutschland erschienen ist, musste ich auf die UK-DVD von Momentum Films ausweichen. Da sich Seagal schon zu KILL SWITCH-Zeiten der Blues Musik verschrieben hat, ist er nicht länger Italiener oder Indianer, sondern Schwarzer. Da werden "Brothers" verteilt, als gäbe es keinen Morgen und alle Sätze werden doppelt so lang und langsam gesprochen wie auch nur ansatzweise nötig. Aber auch Seagals Kollege Chris Thomas King als Storm hat einen Akzent drauf, als wär das Ganze eine Parodie.
KILL SWITCH ist schon ein ziemlich scheißiger Seagal-Film. Beschissen inszeniert und beschissen geschnitten, mit vielen Double-Einsätzen, aber einer gar nicht ganz so schlechten Geschichte, die im Gesamtpaket trotzdem so beschissen daherkommt wie fast alles in diesem Film. Wenn man’s trashig nimmt und sich einen ansäuft, kann der geneigte Seagal-Fan auch mit KILL SWITCH etwas Spaß haben, alles in allem dieser Beitrag zu Seagals Filmographie aber eher zum Vergessen.