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Steven Seagal: Attrition

Steven Seagal: Attrition

ACTION: UK, HK, TH, USA, 2018
Regie: Mathieu Weschler
Darsteller: Steven Seagal, Rudy Youngblood, James P. Bennett, Fan Siu-Wong

STORY:

Steven Seagal ist Axe, ein ehemaliger Special Ops-Soldat, der in Thailand eine Arztpraxis eröffent hat. Eigentlich möchte er nur in Frieden leben und mit Schmetterlingen auf dem Arm Kung-Fu üben. Als allerdings ein junges Mädchen aus dem Dorf entführt wird, um mit ihren Zauberkräften einen Verbrecherboss zu heilen, trommelt er sein altes Team zusammen um böse Menschen zu verstümmeln.

KRITIK:

Erinnert ihr euch noch an AUF BRENNENDEM EIS? Steven Seagals erstes großes Herzensprojekt; seine erste Drehbuch- und Regiearbeit, die umzusetzen er durch einen Deal mit Warner Brothers schaffte. Er durfte sein Projekt umsetzen und verpflichtete sich im Gegenzug dafür ALARMSTUFE: ROT 2 zu drehen.

Und erinnert ihr euch noch an die beiden merkwürdigsten und absurdesten Szenen in AUF BRENNENDEM EIS? In der einen vergnügt Seagal sich in einem fiebrigen Tagtraum mit nackten Indianerinnen in einer Höhle, und sucht nur mit einem Kampfmesser bewaffnet den Kampf Mann gegen Mann gegen einen Grizzlybären – also eigentlich ja ein Kampf Mann gegen Bär. In der anderen Szene verkloppt Seagal einen ganzen Haufen Rednecks und spielt anschließend mit ihrem Anführer das Patschehändchen-Spiel, während er gleichzeitig fragt „Wie lange braucht ein Mann um sich zu ändern?!“. Sehr deep. Ganz zuschweigen von der bewegenden Rede am Ende, in der er sich für Naturschutz ausspricht und die Ölkonzerne anprangert, die unseren Planeten ausbeuten und die Umwelt zerstören – also seine Botschaft auf plakativst mögliche Art und Weise an den Mann bringt.

Auch ATTRITION ist so ein Herzensprojekt Seagals – und das merkt man in jeder Sekunde. Es ist eigentlich kaum zu glauben, aber nachdem Seagal gut und gerne 15 Jahre lang hauptsächlich deswegen an den Sets seiner Filme auftauchte, um seine Gehaltschecks abzuholen – und vielleicht noch die ein oder andere viel zu junge Schauspielerin anzugrapschen –, gibt er sich für ATTRITION noch einmal richtig Mühe. Herausgekommen ist dabei nicht unbedingt ein guter Film, aber ein durchaus interessantes Seagal-Projekt, das in seiner Merkwürdigkeit, seiner Optik, seiner Gewalt und der plakativen Übermittlung Seagals Botschaft etliche Parallelen zu AUF BRENNENDEM EIS aufweist – und damit im Guten wie im Schlechten Erinnerungen an eine lang zurückliegende Glanzzeit weckt.

Vor allem in den Kampfszenen fällt auf, dass Seagal extrem wenig gedoubelt wird. Was einer kleinen Sensation nahe kommt, wenn man bedenkt, dass der Meister sich üblicherweise selbst in Szenen doubeln lässt, in denen er nur auf einem Stuhl sitzen muss. Viele Szenen in ATTRITION die mit Kampfkunst zu tun haben, zeigen eher Kung-Fu denn Aikido, was vermutlich mit den chinesischen Geldgebern und dem Zielpublikum des chinesischen Marktes zu tun hat. Trotzdem bietet Seagal den Fans hier mehr und intensiveres Aikido als in den letzten zehn Filmen zusammengenommen.

Besonders sticht eine Szene heraus, ungefähr in der Mitte des Films, die lediglich existiert, um die eingefleischten Fans Seagals zu bedienen, aber das ist absolut in Ordnung. Seagal rettet ein Kind vor einer Entführung durch zwei üble Halunken – was insoweit ja zum Thema des Films passt, aber der Aufbau der Szene und ihr Anfang und Ende sind nicht wirklich flüssig. Während Seagal einen der beiden Kerle direkt vor Ort lehrt, dass Knochen brechen können, verlagert sich der Kampf mit dem anderen in ein Häuschen in der näheren Umgebung. Und hier geht es wirklich zur Sache.

Die Härte und Brutalität mit der Seagal hier gegen den Übeltäter zu Werke schreitet, ruft sofort wohlige Erinnerungen an Frühwerke wie DEADLY REVENGE oder GLIMMER MAN hervor. Mit der eiskalten Vernichtung von Richie am Ende von DEADLY REVENGE oder der Breiwerdung des Fieslings am Ende von GLIMMER MAN kann dieser Kampf locker mithalten – wobei von Kampf kaum die Rede sein kann, eher von einer Exekution mittels brutalster Aikido-Techniken.

Diese Szene stellt letztlich – obwohl in der Mitte des Films – das große Highlight von ATTRITION dar. Das richtige Finale mit der Tötung des eigentlichen Endgegners fällt im Vergleich fast schon ruhig aus und erinnert in Aufbau und Abschluss eher an das Ende von OUT OF REACH – was nicht unbedingt schlecht sein muss. Es gab in der DTV-Phase Seagals deutlich schlechtere Endgegner und Tötungen.

International wird ATTRITION derzeit nur über einen neugegründeten chinesischen Streamingdienst vertrieben – genau wie Seagals neue Serie GENERAL COMMANDER –, an dem (so mein Gefühl, bestätigt ist das freilich nicht) Seagal finanziell beteiligt zu sein scheint. Jedenfalls betreibt er auf seinen Kanälen jede Menge Werbung dafür. Mir persönlich war allerdings auch Meister Seagal nicht Argument genug diesen Streamingdienst zu benutzen. Glücklicherweise ist ATTRITION in Italien auf DVD erschienen (und als VOD unter dem Titel Final Mission im skandinavischen Raum). Mit englischer Tonspur, allerdings leider ohne englische Untertitel, was es wie üblich etwas schwierig macht Seagal zu verstehen, da er nicht weniger nuschelt je älter er wird. Davon abgesehen sind die zahlreichen Szenen in denen chinesisch gesprochen wird ohnehin nicht untertitelt – was es mitunter etwas schwer macht der Handlung zu folgen. Mit Porto habe ich bei Amazon Italien ca. 17 Euro gezahlt. Ob sich der Import für den Gelegenheitsgucker lohnt, wage ich zu bezweifeln. Für Seagal-Fans und Komplettisten wird er allerdings fürs Erste unumgänglich sein, da bisher keine deutsche Veröffentlichung angekündigt ist.

In diesem Sinne: „How do you battle evil, when the whole world hast lost its way?!“

Steven Seagal: Attrition Bild 1
Steven Seagal: Attrition Bild 2
Steven Seagal: Attrition Bild 3
Steven Seagal: Attrition Bild 4
Steven Seagal: Attrition Bild 5
FAZIT:

ATTRITION ist einmal mehr kein wirklich guter Film, und nicht einmal ein wirklich guter Seagal-Film (gemessen an seiner gesamten Karriere). Aber er ist etwas Besonderes, ein kleines Licht im Dunkel seiner Arbeiten der letzten zehn Jahre. ATTRITION atmet den seligen Geist des frühen Seagal. Er ist ein fiebriges Zeugnis seiner völlig schiefen Selbstwahrnehmung, seiner Selbstüberschätzung und seiner Weltanschauung. Während ATTRITION wenig temporreich ist und kaum Spannung aufrechterhalten kann, ist er im Gesamtpaket dennoch fesselnder als viele Filme der letzten zwei bis drei Jahre.

Ich kann auch für ATTRITION keine uneingeschränkte Empfehlung aussprechen, aber es ist ganz klar festzuhalten, dass ATTRITION vielleicht Seagals ehrlichster Film seit AUF BRENNENDEM EIS ist. Und alleine deshalb ist er einen Blick wert.

WERTUNG: 5 von 10 Schmetterlingen im Kung-Fu Training.
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