OT: A Reflection of Fear
PSYCHOTHRILLER: USA, 1972
Regie: William A. Fraker
Darsteller: Robert Shaw, Sondra Locke, Mary Ure, Sally Kellerman
Zusammen mit ihrer matriachalischen Mutter und Großmutter lebt die sonderbare Marguerite völlig abgeschottet vom Rest der Welt in einem abgelegenen Haus. Sie liebt die Blumen im Garten, träumt von einer Reise nach Frankreich und ihr bester Freund in der Isolation ist ihre unheimliche Puppe Aaron, die zunehmend ein gefährliches Eigenleben zu entwickeln scheint. Eines Tages kommt ihr Vater mit seiner neuen Verlobten zu Besuch und Marguerites seltsame Welt gerät ins Wanken. Während sich zwischen Vater und Tochter eine inzestiöse Beziehung anbahnt, kommt es zu den ersten gewaltsamen Todesfällen ...
Wenn man nur lange und tief genug gräbt im Feld der vergessenen Filme, dann hebt man dann und wann tatsächlich noch alte, übersehene Schätze. Ich hatte gestern wieder unverschämtes Glück. Ich bin auf A REFLECTION OF FEAR aus dem Jahr 1973 gestoßen.
Ein langsamer, bedrohlicher Psychothriller, der sich immer mehr als hochmorbides Mosaik der verschiedensten seelischen Abgründe entpuppt; nur um am Ende eine Auflösung zu offenbaren, welche in der Rückschau betrachtet extrem verstörend daherkommt und einige zuvor schon befremdliche Szenen in einem noch abseitigeren Licht erscheinen lässt. Chapeau, Mr. Fraker. Dieser Film ist ohne Zweifel Ihr Meisterstück.
Und Chapeau, Sondra Locke: Die seinerzeit noch blutjunge Ex von Clint Eastwood spielt derart eindringlich auf, so dass wir sie fürderhin nicht mehr als Eastwoods weiblichen Sidekick aus DER MANN AUS SAN FERNANDO, sondern nur noch als merkwürdiges, albinoeskes, von verbotenen Gelüsten getriebenes und doch schüchternes Mädchen in Erinnerung behalten, welches auf dem Dachboden mit ihrer unheimlichen (und eifersüchtigen) Puppe Aaron spricht, wenn sie nicht gerade nicht wie eine Tochter, sondern wie eine Geliebte an ihrem Vater hängt.
Gefangen in einem goldenen Käfig; gepfercht in eine kleine Welt, die nur aus Puppen, Blumen und erdrückender, matronenhafter Liebe in Großmutters Haus zu bestehen scheint; ohne jeglichen Kontakt nach draußen. Die Kindheit sinkt ins Grab, der junge Vogel wird flügge. Doch er ist immer noch so verwirrt. Dann kommt der nie gesehene Vater nebst seiner neuen Verlobten zu Besuch. Er wird das Chaos in Marguerites sonderbaren Mikrokosmos tragen.
Vordergründig geht dieser Film eher unaufgeregt seinen Gang, aber es brodelt ständig unter der Oberfläche. Die (Verw)Irrungen des Erwachsenwerdens, unterdrückte Sexualität, gefährliche (imaginäre?) Freunde, angebahnter Inzest, dann Mord: Von der ersten bis zur letzten Minute beschwört das SPIEGELBILD DER ANGST ein ungutes Gefühl beim Zuschauer herauf, welches immer wieder von kleinen gespenstischen (oder verstörenden) Szenen gespeist wird. Etwa, wenn die alabasterweiße Sondra Locke mit ihrer stets in diffusen Schatten sitzenden und mit flüsternder, heiserer Stimme sprechenden Puppe Zwiesprache hält. Und wenn dann Gärtner und Haushälterin von einer Kindergestalt sprechen, die des Nachts durch den Garten schleicht oder von einem Mordschauplatz flieht...
Doch selbst wenn man dem Täter in diesem (beun)ruhigen(den) amerikanischen Murder Mystery, (welches im Übrigen mit einem zwar unblutigen, aber überaus furios und brutal inszenierten Mord aufwarten kann, der gut und gerne Pate für Cronenbergs DIE BRUT gestanden haben könnte...) früh auf die Schliche kommt; die letzte Überraschung dürfte dennoch sitzen und ihr Echo weit über den Abspann hinaus hallen lassen.
Am Drehbuch war übrigens Lewis John Carlino beteiligt; der Mann, der später bei THE SAILOR WHO FELL FROM GRACE WITH THE SEA Regie geführt hat. DER SAILOR schippert trotz Vorstellung auf diesen unseren Seiten zwar immer noch auf dem Meer der Vergessenheit umher, ist aber deutlich erkennbar eine Art dunkler Seelenverwandter der REFLECTION OF FEAR. Ähnlich gut gemacht, ähnlich düster und leider ähnlich ignoriert.
Abhilfe -zumindest was Frakers Glanztat betrifft- könnte die dieser Tage unter dem Titel UN RANTOLO NEL BUIO in Italien erschienene DVD des Films schaffen; welche neben einer italienischen Tonspur den englischen Originalton enthält.
Eine nie mehr so merkwürdige Sondra Locke steht im Epizentrum eines Sturms aus verbotenen Leidenschaften, unterdrückter Sexualität und Mord...- Von der ersten bis zur letzten Minute ist der unverdientermaßen übersehene SPIEGELBILD DER ANGST ein langsamer, aber konstant bedrohlicher Psychothriller, der voller Abgründe steckt und am Ende mit einer gelungenen wie verstörenden Überraschung aufwartet.