DRAMA/EROTIK: Niederlande, 1980
Regie: Paul Verhoeven
Darsteller: Renée Soutendijk, Hans van Tongeren, Toon Agterberg, Maarten Spanjer
Die drei Freunde Rien (Hans van Tongeren), Eef (Toon Agterberg) und Hans (Maarten Spanjer) entstammen der Arbeiterklasse. Sie begeistern sich für Motocross und für die Frittenbuden-Besitzerin Fientje (Renée Soutendijk). Die fidele Fientje lässt jeweils den von ihnen an sich ran, der gerade die besten Aussichten hat, zu Geld zu kommen.
Als 1980 SPETTERS in den niederländischen Kinos erschien, kam es zu einem Skandal, der dazu führte, dass Paul Verhoeven wenige Jahre später nach Hollywood ging. Dabei war es nicht die für die damalige Zeit ungewohnt explizite Darstellung von Sex, welche die Gemüter seiner liberalen Landsleute erregte. Vielmehr stießen sich die freien Holländer an der Tatsache, dass ihr Land in Sachen Love & Peace nicht frei genug dargestellt wurde. Dabei betonen Paul Verhoeven und sein Drehbuchautor Gerard Soteman, dass sie im Film zum großen Teil Dinge zeigen, die sie tatsächlich selbst so erlegt haben oder die ihnen von Freunden erzählt wurden, denen so etwas zugestoßen war.
Der eine große Stein des Anstoßes war die sexy Darstellerin Renée Soutendijk als die durchtriebene Fritten-Frau Fientje. Sie ist in SPETTERS das Working-Class-Äquivalent zu der mysteriösen Femme fatale, die sie in Verhoevens folgenden Film DER VIERTE MANN (1983) spielen sollte. Wenn Fientje für einen Kerl nach dem anderen die Beine breit macht, dann nicht, um die Welt durch freie Liebe zu einem besseren Ort zu machen, sondern um an die für ihren sozialen Aufstieg dringend benötigte Kohle zu gelangen. Auch ansonsten ist das kesse Luder weder auf den Kopf, noch auf den Mund gefallen. Bereits Jahrzehnte bevor das Wort Gammelfleisch in aller Munde war, wusste sie, wie sie durch günstige Einkäufe gezielt ihre Kosten senken kann. Auch vor den oft rauen Gesellen vor ihrer Bude hat Fintje ganz gewiss keine Angst. Die wiederum werden sicherlich nicht alleine durch Finthes leckere Pommes angelockt, sondern auch durch ein dünnes T-Shirt, das Fintjes knusprige Nippel bestens zur Geltung kommen lässt.
Doch was schnöden Hetero-Sex anbelangt ist SPETTERS insgesamt doch recht zurückhaltend. Richtig explizit wird Verhoeven dafür, wenn es um schwule Tatsachen geht. Er zeigt, wie ein Strichjunge einem älteren Kunden einen bläst und wie eine Gruppe von Schwulen einen der Helden jagt und anal vergewaltigt. Das "Opfer" ist davon jedoch keineswegs traumatisiert, sondern entdeckt bei der Gelegenheit seine eigene schwule Ader. Das fanden die Niederländer gar nicht komisch, ebenso wenig, dass im Film auch noch Schwulenhasser Jagd auf Homosexuelle machen. Dabei versichert Verhoeven, dass er sich noch genau erinnern kann, dass damals in Holland Rechte gezielt Schwulen auflauerten, um diese tüchtig mit Metallstangen zu verdreschen.
Auch die Männerfreundschaft zwischen Rien, Eef und Hans äußerst sich in Dingen, wie dem professionellen Schwanzvergleich mit der Schublehre oder im Vögeln abgeschleppter Party-Bienen in benachbarten Räumen eines leerstehenden Bürorohbaus. Dabei ist das mit dem Vögeln so eine Sache... Ohne zu viel verraten zu wollen zeigt sich gerade in Szenen wie dieser der großartige Humor und die enorme Lebensnähe, die das Duo aus Paul Verhoeven und Gerard Soteman in den Film eingebracht hat. Die waren damals in der holländischen Filmförderungslandschaft eh bereits als Duo infernale verschrien, bei denen mit so ziemlich allem zu rechnen war. Auf den Coup, den die beiden mit SPETTERS landeten, waren die Herrn Bürokraten jedoch doch nicht gefasst: Ihr alle damaligen Regeln des guten Geschmackes verhöhnendes Drehbuch wurde erwartungsgemäß abgelehnt. Deshalb erstellte Soteman eine stark entschärfte Variante, die dann auch brav abgenickt wurde. Gedreht wurde freilich mit dem Originalskript ...
Natürlich besteht SPETTERS nicht nur aus Sex, sondern hat darüber hinaus wesentlich mehr Sehenswertes zu bieten. So ist das Arbeiterklassenmilieu, dem die Protagonisten allesamt angehören mit viel Liebe zum Detail und zu den Charakteren eingefangen. Nach ihrer vorhergehenden Zusammenarbeit bei DER SOLDAT VON ORANIEN (1977) hatten Paul Verhoeven und Gerard Soteman die Nase voll von der Darstellung einer extrem privilegierten holländischen Oberschicht. Mit sichtlicher Lust zeigen sie in SPETTERS das ungezügelte pralle Leben: Rien, Eef und Hans sind junge Männer, die beim Motocross mit Enthusiasmus durch den Schlamm schlittern und die ihr arrogantes Idol Gerrit Witkamp (herrlich: Rutger Hauer) anhimmeln. Selbst so wie dieser lässige Macho fahren zu können und die Fritten-Frau ins Bett zu kriegen, wäre für sie der Himmel auf Erden. Zur Not reicht es jedoch auch, wenn man Papas seit Jahrzehnten nicht renovierte Eckkneipe übernehmen und in ein provinzielles Tanzlokal verwandeln kann. Aber: Hey, so ist das wahre Leben jenseits von Hollywood!
Paul Verhovens sympathischer Skandalfilm SPETTERS (1980) zeigt das Leben junger Erwachsener in Holland in den frühen 80ern und ist auch noch heute sehenswert. Gerade wurde der Film hierzulande endlich in einer würdigen Form von Koch herausgebracht. Neben dem Film in guter Bildqualität gibt es eine Reihe lohnenswerter Extras. Zu den Höhepunkten gehört ein Interview mit Paul Verhoeven und mit dem Drehbuchautor Gerard Soteman, die sich fast 25 Jahre nach Erscheinen des Films noch immer über ihre dreiste Überlistung der damaligen Filmförderungsleute ins Fäustchen lachen.