OT: Imitation of Life
MELODRAMA: USA, 1959
Regie: Douglas Sirk
Darsteller: Sandra Dee, John Gavin, Susan Kohner, Juanita Moore, Lana Turner
Die jung verwitwete Lora Meredith kommt 1947 aus der Provinz nach New York, um dort Karriere als Schauspielerin zu machen. Am Strand von Coney Island verliert sie ihre Tochter Suzie aus den Augen und bittet den Fotografen Steve Archer, den sie soeben kennengelernt hat, diese zu suchen. Sie finden Suzie in der Obhut der afro-amerikanischen Witwe Annie Johnson. Deren Tochter Sarah Jane ist in Suzies Alter und bedeutend heller als ihre Mutter, fast schon weiß.
Da Annie und ihre Tochter gerade kein Dach über dem Kopf haben, nimmt Lora sie bei sich auf. Annie versorgt tagsüber die Kinder, während Lora sich verzweifelt bemüht einen Fuß in die Tür als Schauspielerin am Broadway zu bekommen. Nach vielen Rückschlägen wird sie schließlich zu einem Star in Komödien am Broadway und wird die Geliebte des erfolgreichen Bühnenautors David Edwards.
Doch aufgrund ihrer völligen Fixierung auf ihre Karriere, verliert Lorna nich nur die Liebe von Steve, sondern entfremdet sich auch immer mehr von ihrer Tochter. Und auch Annie hat immer größere Probleme mit ihrer Tochter Sarah Jane. Diese versucht ihre Herkunft von einer farbigen Mutter bestmöglichst zu verleugnen und ein Leben als Weiße zu führen...
KRITIK:Die 50er Jahre: miefig, spießig und auch aus filmhistorischer Sicht sicherlich nicht gerade eines der spannendsten Jahrzehnte des nun auch schon eine Weile vergangenen 20. Jahrhunderts. So hatte ich diese Dekade bisher bei meinen Rezensionen auch klammheimlich ausgespart. Irgendwann wollte ich diese Lücke dann allerdings doch mal schließen. Schließlich gibt es, wenn man mal etwas genauer hinguckt, doch einiges zu entdecken: einige der größten Klassiker von Hitchcock, PEEPING TOM und manches mehr...
Doch dann habe ich mich entschlossen, nicht mit den seltenen Ausnahmen oder Randerscheinungen zu beginnen, sondern gleich tief ins Herz der Finsternis vorzustoßen: das Melodrama made in Hollywood! Und dessen erfolgreichster Vertreter war ein gebürtiger Hamburger dänischer Abstammung mit Namen Hans Detlef Sierck, wesentlich bekannter unter seinem amerikanischen Künstlernamen Douglas Sirk. Und der war ein Kitschkünstler allererster Güte und seine bekanntesten Filme vor Rührseligkeit triefende Melodramen in quitschbuntestem Technicolor!
Da ist der im amerikanischen Original wesentlich treffender als IMITATION OF LIFE betitelte SOLANGE ES MENSCHEN GIBT ein sehr gutes Beispiel. Diese letzte Regiearbeit von Douglas Sirk wurde zum erfolgreichsten Universal-Film des Jahres und spielte für das Studio alleine in den USA 6,4 Millionen Dollar ein. Also kann ohne jeder Übertreibung gesagt werden, dass dieser Film das Zentrum des absoluten Mainstreams der Hollywoodfilme seine Zeit bildete.
Und wie man aufgrund der Inhaltsangabe sicherlich bereits vermuten kann, ist IMITATION OF LIFE tatsächlich die Art von Film, wie sie sicherlich viele bereits ein wenig in die Jahre gekommene Hausfrauen, gerne beim Bügeln anschauen. Fragt sich also, weshalb ich meine Zeit damit verschwende mir die Mühe zu machen, hier solch einen Schinken vorzustellen...
Um das etwas verständlicher zu machen möchte ich einmal kurz den Kritiker Paul Brenner zitieren, der auf Filmcritik.com zu IMITATION OF LIFE schreibt, dass von all den (wenigen) subversiven Filmemachern, die es in den "selbstzufriedenen" 50ern gab, Douglas Sirk der einzige war, "who managed to burrow deep inside Citadel Hollywood, exploding big budget weepers like a suicide bomber." Mit anderen Worten betrachtet dieser Kritiker Sirk als den einzigen Regisseur, der in den 50ern in der Lage war, seine großen Hollywod-Schlachtschiffe als eine Art von trojanischen Pferden zu gestalten, die ihr subversives Potential direkt im Herzen des ansonsten vollkommen konservativen und konformen Mainstreams entfalten.
Den wenn in Douglas Sirks´ Melodramen - durchaus dem Genre entsprechend - tatsächlich oft die Grenze des Kitsches deutlich überschritten wird, so dienen seine Filme mitnichten der ansonsten in Hollywood-Mainstreamfilmen bis heute üblichen Bestätigung des Status quo. Denn, wie es so schön auf im Wikipedia-Eintrag zu Sirks steht, "in seinen Filmen kämpft das Individuum um einen Platz für seine Gefühle gegen die konformistischen und restriktiven Verhaltenskodices der Gesellschaft."
Und so geht es in IMITATION OF LIFE auch nicht primär darum, wie die schöne Lana Turner ihren persönlichen American Dream verwirklicht, indem sie nach der Überwindung zahlreicher Hindernisse zu einer erfolgreichen Broadway-Darstellerin wird. Stattdessen zeigt der Film, was sie alles für ihren Erfolg opfert und dass sie am Ende erkennen muss, dass ihr Leben trotz allen Ruhms von einer großen Leere erfüllt ist.
Und so wie ihr, so geht es auch allen anderen wichtigen Protagonisten. Sie alle verleugnen sich selbst, weil sie entweder zu sehr bestimmten festgelegten Verhaltenweisen verhaftet sind oder weil sie sich eine ganz falsche Vorstellungen davon machen, wie das wahre Glück für sie aussehen könnte. Sie alle müssen irgendwann erkennen, dass sie ihr Leben nicht wirklich gelebt haben, sondern eben nur eine IMITATION OF LIFE.
Ein zweites großes Thema von SOLANGE ES MENSCHEN GIBT ist der zu dieser Zeit in den USA noch weit stärker als heute allgegenwärtige Rassismus. Zwar kann die klischehafte Darstellung von Annie, als urtypische afroamerikanische dicke Mommy heute selbst als rassistisch empfunden werden. Aber trotzdem ist sie in erster Linie das Opfer ihrer aus christlichen Werten erwachsenen Gutmütigkeit und der Verleumdungen durch ihre Tochter Jane.
Und mir ist auch kein weiterer klassischer Hollywoodfilm bekannt, in dem gezeigt wird, dass eine Schwarze, die aufgrund ihrer hellen Hauptfarbe als Weiße durchgehen kann, versucht ihre wahre Abstammung zu verbergen, um ein ihren Wünschen entsprechendes glückliches Leben führen zu können. Und eine der eindringlichsten Szenen von IMITATON OF LIFE zeigt in einer für ein Melodrama ungewöhnlichen Härte, wie Jane von ihrem netten weißen Freund zusammengeschlagen wird, da diese ihm verschwiegen hatte, dass sie in Wahrheit eine Farbige ist.
Wie alle großen Melodramen von Douglas Sirk ist auch SOLANGE ES MENSCHEN ein optisch extrem durchstilisiertes und quitschbuntes, aber auch vor lauter Rührseligkeit und Kitsch triefendes Kunstwerk. Doch was auf den ersten Blick wie eine x-beliebige klassische Hollywood-Schnulze wirken könnte, entpuppt sich mit voranschreitender Handlung immer mehr als eine recht ätzende Kritik an den Schattenseiten der amerikanischen Gesellschaft. Nicht umsonst war der in Hamburg als Detlef Sirks geborene Regisseur das erklärte große Vorbild eines anderen berühmten deutschen Regisseurs. Die Rede ist hier von Rainer Werner Fassbinder ...