HORROR: USA, 1989
Regie: Brian Yuzna
Darsteller: Billy Warlock, Heidi Kozak, Devin DeVasquez, Patrice Jennings
Der siebzehnjährige Billy (Billy Warlock) lebt mit seinen Eltern und seiner Schwester Jenny (Patrice Jennings) in einer prächtigen Villa in Beverly Hills. In der Schule ist er beliebt und außerdem hat er mit Shauna (Heidi Kozak) eine hübsche Cheerleader-Freundin an seiner Seite. Äußerlich gesehen ist Billy Leben also perfekt. Doch trotz allem plagen ihn Alpträume und finstere Halluzinationen. Während seine Eltern und seine Schwester sich in der High-Society bewegen, fühlt Billy sich in diesen Kreisen sehr unwohl und seinen Eltern gegenüber immer mehr entfremdet. Schließlich landet Billy bei dem Schulpsychologen Dr. Cleveland (Ben Slack). Doch obwohl dieser ihm wöchentlich steigende Dosen an beruhigenden Medikamenten verschreibt, mag Billy die sich beständig häufenden, äußerst rätselhaften Vorkommnisse nicht einfach als reine Fantasiegespinste abtun. Immer mehr erscheint es Billy, als ob rings um ihn herum eine gewaltige Verschwörung im Gange ist, in die sogar seine eigene Familie involviert ist.
SOCIETY von 1989 ist der Debütfilm von Brian Yuzna, der dem geneigten Horrorfilmfan wahrscheinlich als Produzent von Stuart Gordons RE-ANIMATOR (1985) und als Drehbuchautor und Regisseur der beiden Sequels BRIDE OF RE-ANIMATOR (12989) und BEYOND RE-ANIMATOR (2003) bekannt ist. Sein Erstlingswerk als Regisseur schlägt in eine recht ähnliche Fun-Splatter-Kerbe, ist darüber hinaus jedoch auch noch eine - der Titel "Society" deutet es bereits an - äußerst groteske Gesellschaftssatire. Wie viel man dieser Feier des schlechten Geschmacks jedoch abgewinnen kann, entscheidet sich letzten Endes wohl dadurch, ob einem der surreal-sarkastische Humor des Films liegt. Nach außen hin ist hier alles so bunt, wie bieder. Das eigentlich Interessante tut sich in dieser SOCIETY erst unter der Oberfläche auf. Und was sich da auftut, das sind Abgründe an ekelerregenden, glitschigen und schleimigen Perversitäten. Doch auch die normale Welt, ist hier nicht so normal, wie sie sich gern gibt, wie folgender Dialog klar zeigt:
Clarissa: "How do you like your tea? Cream, sugar or do you want me to pee into it?"
Billy: "Uh, you're class-A Clarissa!"
SOCIETY dünstet die 80er aus jeder seiner bonbonbunten, unmöglich gekleideten und schlecht frisierten filmischen Poren aus. Geschmack ist hier eine Kategorie, die durch schlichte Abwesenheit glänzt. In dieser Beziehung ist dieses Werk eine Art billiger Bruder von Brian De Palmas BODY DOUBLE (1984). Beide Filme sind so cheesy, wie es nur geht, spiegeln damit jedoch sehr bewusst die extrem oberflächliche Welt von Beverly Hills und von Hollywood, während die verantwortlichen Filmemacher tatsächlich äußerst clever sind. Allerdings geht Brian Yuzna bei aller Namensähnlichkeit das inszenatorische Genie eines Brian De Palmas leider vollkommen ab. Doch zugleich passt in SOCIETY die erschreckende Durchschnittlichkeit der Inszenierung perfekt zu der erschreckenden Durchschnittlichkeit der gezeigten Gesellschaft.
Die erste Stunde des Films wirkt wie eine durchschnittlichen Teenie-Komödie, bei der alle Standardvertreter antreten und auch kein Klischee ausgelassen wird. So ist Billys oberflächliche Cheerleader-Freundin Shauna das wandelnde Klischee einer dummen Blondine, für die Billy nur so lange interessant ist, wie er als pflegeleichtes Boy-Toy immer schön repräsentabel bleibt. Vieles an SOCIETY erinnert an David Lynchs Meisterwerk BLUE VELVET (1986). So entspricht die blonde Shauna in ihre unbedarften Provinzialität der bei Lynch von Laura Dern dargestellten blonden Sandy, während die so geheimnisvolle, wie durchtriebene brünette Clarissa ähnlich verführerisch, wie die von Isabella Rossellini verkörperte Dorothy Valens in BLUE VELVET ist. Auch Lynchs Film beginnt mit so kitschig schönen Bildern einer so unglaublich heilen Welt, dass sich bereits in ihnen die im Rasen bedrohlich knackenden, kämpfenden Käfer ankündigen, die für die in dieser Gesellschaft verborgenen Abgründe stehen. In SOCIETY sind die krabbelnden Käfer lediglich durch schleimige Schnecken und widerliche Maden ersetzt, die ihrerseits auf von der Gesellschaft verborgene schleimige Schweineren verweisen.
Ein Unterschied zwischen beiden Filmen besteht darin, dass die verborgene, abgründige Welt bei Lynch eine Welt perverser und krimineller Machenschaften ist, der eine gesunde Welt langweiliger Bürgerlichkeit gegenübergestellt ist, wodurch am Ende nur die Wahl zwischen zwei Arten der Hölle bleibt. Bei Yuzna hat das Böse hingegen die führenden Kreise der Gesellschaft selbst infiltriert. Dem gegenübergestellt ist eine Welt der Durchschnittsmenschen, in der es sowohl Antipaten, als auch echte Freunde gibt. Überhaupt sind die Grenzen durchlässiger und in beiden Gruppen gibt es sowohl gute, als auch schlechte Mitglieder, weshalb man sich auch einmal klassenübergreifend zusammentun kann. Die besondere Spezies der High-Society pflegt sowieso auf ihre ganz eigene Art Klassengrenzen aufzuheben. Wie genau dies geschieht, soll an dieser Stelle nicht verraten werden, weshalb auch bei den diesen Text begleitenden Bildern die spektakulärsten Szenen bewusst ausgespart wurden. Doch es ist ein offenes Geheimnis, dass in den letzten 20 Minuten des Films der berüchtigte Effekt-Künstler Screaming Mad George zeigt, weshalb er zu den beliebtesten Männern seines Fachs gehört...
Brian Yuznas Debütfilm SOCIETY verbindet derbsten Fun-Splatter mit ätzender Gesellschaftskritik und inszenatorische Stümperhaftigkeit mit hoher Kunst. Das Ergebnis ist ein schön-scheußlich-surreal-absurdes Kitsch-Kunstwerk, ein unsäglich-berauschendes Kind der 80er-Jahre, das man nur lieben oder hassen kann. Das Lieben fällt hierzulande besonders leicht mit der neuen DVD von Capelight, gegen deren sehr schönen Transfer sich z.B. die grauenhafte Red Edition von Laserparadies als reinste Gülle ausnimmt.