OT: Snatch
THRILLER: GB, 2000
Regie: Guy Ritchie
Darsteller: Benicio del Toro, Dennis Farina, Brad Pitt, Jason Statham
Schwer kurz und bündig, ohne zu viel zu verraten, zu erklären. SNATCH ist ein Geflecht aus Charakteren, kleinen Geschichten und Episoden, welches Guy Ritchie Stück für Stück zu einem zusammenhängenden Ganzen verknüpft. Alles in allem scheint der ganze Ärger nur durch einen wertvollen Diamanten, den Franky Four Fucking Fingers in Antwerpen einem Händler entwendet hat und der daraufhin nach London reist, verursacht zu sein.
KRITIK:Genau wie in der Schule, wird ja auch in der Filmbranche gerne mal gespickt. Seit Snatch und Bube, Dame, König, grAs schwirrt uns nun Guy Ritchie nicht mehr nur als Assoziation im Zusammenhang mit Madonna im Kopf herum, sondern versucht sich weniger skandalträchtig auch als Filmemacher Rang und Namen zu erspielen. Mit Erfolg: Seine beiden Erstlinge waren trotz eher unauffälliger Vermarktung um die Jahrtausendwende herum in aller Munde und pflasterten so den Weg für eine lange Karriere, aus der bis heute nichts wurde. Trotz dem Erfolg hatte Ritchie sich für Snatch und Bube, Dame, König, grAs aber eigentlich nur eine schlaue Idee bei keinem geringerem als Herrn Quentin Tarantino höchstpersönlich abgeguckt.
Aus jener Idee, dank der es Tarantino in Pulp Fiction gestattet war, mit den Dialogen die tollsten Dinge anzustellen, weil er mittels unchronologischer Erzählhaltung nur im eingeschränkten Maße auf die jeweilige Situation, für die die skurrilen Gespräche angesetzt waren, Rücksicht nehmen musste, weil er so die Stimmung und Emotionalität der Charaktere weitestgehend außer Acht lassen konnte, macht Guy Ritchie den essenziellen Stil für seine ach so gewitzten Filmchen. Die zweite ganz zufällig auftauchende Parallele zu Tarantinos ersten beiden Werken ist das Thema: Es geht eine Vielzahl von kleinen Gangstern und schmierigen Gaunern, deren Wege sich in London binnen einer Woche mehr und weniger ihrem Begieren eines wertvollen Diamanten wegen überschneiden.
Doch paust Ritchie nicht einfach ab. Vielmehr entwickelt er die Episodenhaftigkeit aus Pulp Fiction - in dem Tarantino nichtsdestotrotz eine Geschichte erzählt hat, der man gut folgen konnte - weiter und "radikalisiert" sie sozusagen. Das gewollte und bewusste Resultat ist, man darf es annehmen, dass wir Zuschauer es gänzlich schwer haben, uns mittels eines roten Fadens an der Geschichte entlang hangeln zu können. Außerdem ist die Handlung von "Snatch" im Vergleich zu "Pulp Fiction" in gewisser Weise auch komplexer: Es sind nicht mehr zwei oder drei, sondern gut eine handvoll Episoden, aus deren Sicht sich der Film sein Netz spinnt.
Ergo ist das was wir sehen und das was überhaupt zählt für uns meist nur der einzelne Moment bzw. die einzelne Szene, weil es zumindest bei der ersten Sichtung noch schwer fällt, in Gedanken alle Puzzle-Teile wieder zusammen zu setzen. Sollte Ritchie dies intendiert haben, würde es auch erklären, weshalb hin und wieder Episoden ohne erkennbaren Grund der Erzählung entfallen, auch ohne dass sie den Film überhaupt weitergebracht haben.
In gut 95 Minuten Gesamtlaufzeit füllt Ritchie diese vielen kleinen Szenen und Geschichten nicht etwa damit, seinen Charakteren ein interessantes, tiefgründiges Profil zu verleihen, sondern versucht eher möglichst viele kleine Gags einzubauen, die leider viel zu oft ein enttäuschend niedriges Niveau zelebrieren. Zudem sind auch die vielen visuellen Experimente und Spielereien, wie z.B. im ungewöhnlichen Vorspann, trotz Auffälligkeit und Attraktivität in letzter Konsequenz unnötig.
Doch spätestens wenn am Ende die übrig gebliebenen Episoden einander tangieren und alles wieder seine Ordnung findet, entlarvt auch Guy Ritchie sich nur als harmloser Lügner. Sein einziges Geheimnis ist die Verwirrung des Zuschauers, womit er es sich erlauben kann, nur eine sehr dünne Geschichte zu erzählen, die auch nur aus dem enttäuschenden Grund als leidlich unterhaltsame Gangster-Komödie mit originellen Ansätzen funktioniert, dass sie sich immer und immer wieder in wenig relevante Nebenhandlungen und Subplots aufteilt.
So sollte folglich dieser Mogelpackung spätestens nach dem zweiten Versuch des Zuschauers der Saft ausgehen - wenn sämtliche humoristische Einlagen statt auflockernd eher nervig-naiv wirken und einen ebenso die inszenatorischen Raffinessen nicht mehr vom Hocker hauen-, weil sowohl der psychologische Unterbau als auch eine stringente Handlung zu vermissen ist.
Dennoch wird der Film von gut aufgelegten Darstellern aufgewertet, die sichtlich Spaß bei so viel inhaltlichem Nonsens haben und dafür sorgen, dass der verantwortungsbewusste Filmkritiker "Snatch" trotzdem zumindest fürs einmalige Sehen empfehlen kann - obwohl wir eben bei Weiten keinen zweiten "Pulp Fiction" gesehen haben.
Snatch ist kein schlechter Film geworden und ironischerweise wüsste ich ebenso wenig, was man besser hätte machen können - außer eben einen ganz anderen Focus zu setzen. Trotz des wunderbar gegen den Strich gebürsteten Konzepts ist meine Enttäuschung wohl der Tatsache geschuldet, dass Guy Ritchie in eineinhalb Stunden nur selten genug Interesse aufbringt, um den Figuren eine vernünftige Charakterisierung zu spendieren und es so verpasst, den Film auch fürs "immer wieder sehen" salonfähig zu machen.