OT: Le journal intime d'une nymphomane
SEXPLOITATION: FRANKREICH, 1973
Regie: Jess Franco
Darsteller: Montserrat Prous, Anne Libert, Kali Hansa, Jacqueline Laurent
Eine junge Frau bandelt in einem Nachtclub mit einem betrunkenen Freier an und lädt ihn zu sich ins Hotelzimmer ein. Nach einer äußerst schnellen Nummer schläft der sabbernde Lustmolch selig ein und das Mädchen greift zum Telefon, wählt die Nummer der Polizei und meldet den Mord an einer jungen Frau. Dann schneidet sie sich die Kehle durch. Als die Polizei den ahnungslosen, verheirateten Freier weckt, hat dieser ein Problem.
In Untersuchungshaft sitzend muss der nun wegen Mordes angeklagte Mann seine Verfehlungen der Ehefrau beichten, schwört aber, dass er mit dem Tod des Mädchens nichts zu tun hatte. Um Klarheit in die Sache zu bringen, stellt die Gattin ihrerseits Nachforschungen an. Sie will alles über das vermeintliche Mordopfer Linda Vargas erfahren. Und stößt dabei auf das geheime (und ziemlich tragische) Tagebuch einer jungen Nymphomanin -
KRITIK:Einmal mehr macht sich Mondo Macabro, seines Zeichens zusammen mit Synapse und Severin Teil meiner persönlichen Heiligen Dreifaltigkeit cooler, amerikanischer Labels, bei den Nischenfilmfans verdient, indem man sich liebevoll einem Trio ganz rarer Jess Franco-Sleazeperlen aus den Siebzigern zu widmen gedenkt.
Als erstes haben wir das Vergnügen, gemeinsam im geheimen Tagebuch der Nymphomanin Linda zu blättern.
Gleich auf Seite 1 des JOURNAL INTIME DUNE NYMPHOMANE werden wir gefühlsecht auf das Kommende eingenordet. Zu grandios psychedelisch wabernden Seventies-Progrock gibt es eine ästhetisch gefilmte in rotschwarzes Licht getauchte Lesbennummer im bewährten Nightclub-Ambiente. Und damit sind wir auch gleich - um es mal mit dem Namen eines berühmten wie kultigen Internetblog zu sagen - "in a Jess Franco-State of Mind"!
Doch wenn es dann nach rauschhaften sechs Minuten und einem als Mord getarnten Suizid zu den ersten Rückblenden zu Lindas Vergangenheit kommt, fühlt man sich zunächst gleich wieder rausgeschmissen aus dem Olymp psychedelischer Sexseligkeit. Das sich abzeichnende Drama von der naiven Unschuld vom Lande, die in der großen, bösen Stadt in die schwitzigen, korrumpierenden Klauen verkommener Mannsbilder gerät, mutet anfangs eben genauso plump an wie die Pippi-Langstrumpf-Zöpfe, die Linda-Darstellerin Montserrat Prous in diesen Szenen tragen muss, aussehen. Und wenn zur Vergewaltigungsanbahnung kurz darauf Zuckerwatte und eine kostenlose Riesenradfahrt gereicht werden, scheint der Invasion lächerlicher Klischees niemand mehr Einhalt bieten zu können.
Doch, meine lieben Freunde des schlüpfrigen Geschmacks, ihr müsst nicht verzagen! Die Durststrecke ist kurz und nach einer Viertelstunde melodramatischen Mumpitz ist es überstanden und SINNER - THE SECRET DIARY OF A NYMPHOMANIAC geht in seine stärkste Phase.
Nun ergeht man sich nicht mehr in billigen Klischees, sondern es wird tatsächlich eine Geschichte erzählt; die irgendwie fesselt und es sogar schafft den handelnden Frauenfiguren - inklusive unserer tragischen Linda - eine gewisse Tiefe zu verleihen. Und diese Story tut vor allem eines: Nämlich knistern vor Erotik!
Mehr als einmal schickt Franco richtig ästhetische Szenen aus einem erstaunlich sinnlichen Sapphodrome über den Bildschirm, die qualitativ allesamt Welten über dem schnellen Schmuddel aus seiner FRAUEN FÜR ZELLENBLOCK 9-Periode stehen. Seine Muse und Gattin Lina Romay ist diesmal nicht von der Partie; dafür gibts mit Montserrat Prous, Anne Libert, Jacqueline Laurent und der ultra-rassigen Kali Hansa ein Quartett äußerst ansehnlicher Damen, die in ihren zahlreichen Nacktszenen vom Kamerauge des Spaniers regelrecht umschmeichelt werden.
Ohnehin geht Franco was die Form angeht, hier mit auffälliger Sorgfalt zu Werke, die man so sicherlich nicht unbedingt erwartet hätte. Des Weiteren verschont uns das Nymphomaninnentagebuch dankenswerterweise mit Francos gefürchteten poetischen Ergüssen und liefert dafür schmissigen Dirty Talk mit Message und einem Abschlusstwist, der eine der Protagonistinnen am Ende vor eine schwerwiegende Entscheidung stellen wird
Die Sahne auf dem Nippel dieses Films ist allerdings die Musik. Psychedelischer Progrock vom Allerfeinsten spielt zu lesbischen Schmusereien und Fotosessions auf; zu genüsslichen Kamerafahrten über erregende Frauenkörperlandschaften, aber dient auch der musikalischen Untermalung von sexuellen Belästigungen und Drogenpartys Vladimir Cosma und Jean-Bernard Raiteaux heißen die Komponisten und die Band, die die Mucke zockt, lässt es fast so genial rocken und wabern wie es die ebenfalls phantastischen Acanthus einst bei Rollins LE FRISSON DES VAMPIRES getan haben. Noch so eine Soundtrack-CD, die es nicht gibt, aber eigentlich zwingend geben müsste.
Dank dem engagierten amerikanischen Label Mondo Macabro können wir nun endlich (in formidabler DVD-Qualität) im SECRET DIARY OF A NYMPHOMANIAC schmökern; einem Sexploitation-Drama aus den frühen Siebzigern, das fast in Vergessenheit geraten wäre und nun endlich die verdiente Anerkennung ernten kann.
Anfangs werden einige Unschuld- vom Lande-in-the-wicked-city-Klischees deutlich überstrapaziert, aber in der starken zweiten Hälfte kredenzt uns Jess Franco viele unerwartet sinnliche Momente in einem von grandiosem Psychedelic Rock umwaberten Sapphodrome. Aufgrund einer kurzen Schwächephase ist SINNER nicht perfekt, aber für Franco-Fans definitiv unverzichtbar! Zumal der Spanier die Dinge mit überraschender Sorgfalt in Szene gesetzt hat.