HORROR: USA, 2012
Regie: Scott Derrickson
Darsteller: Ethan Hawke, Vincent D'Onofrio, James Ransone
True Crime-Autor Ellison Oswalt, der seit einem Jahrzehnt seinem einstigen Erfolg am Buchmarkt hinterherläuft, mietet sich samt Familie in einem billig zu habenden Haus in einer kleinen, beschaulichen Gemeinde ein. Der Grund dafür ist ein Geheimnis, welches er vorsorglich nicht mit seiner Frau und den Kindern teilt: Die vorherigen Eigentümer wurden grausam getötet, deren Tochter wird noch immer vermisst. Am Dachboden des Hauses findet Ellison einen Karton voller Super-8-Filme, deren harmlose Titel ("Poolparty", "Barbecue") darüber hinwegtäuschen, daß es sich dabei um ultraharte Snuff-Movies handelt. Zu seinem Entsetzen über seinem Fund gesellt sich eine immer stärker werdende Paranoia, als sich im gerade erst bezogenen Domizil seltsame Vorfälle zu häufen beginnen: angsteinflößende Geräusche, umherhuschende Schatten - hat Ellison unabsichtlich ein Portal in die Geisterwelt geöffnet?
Länger schon denke ich mir, dass nach dem Abflauen der Torture Porn-Welle in Hollywood nix mehr Gscheites kommt im Horror-Genre, einfach weil der "klassische" Horrorfilm schon so dermaßen ausgereizt ist.
"Possession", der neueste Blockbuster, scheint diese Theorie auch zu stützen - tausendmal gesehene Routine-Mechanismen, die im Endeffekt das bisschen Originalität zerstören, welches in solch einem Film noch zu finden sein mag. Da sieht man sich lieber nach Werken der "jungen Wilden" um, also Filme die man zum Beispiel einmal im Jahr am /slash-Festival zu sehen bekommt, und tut sich traditionelle Kost auf der Leinwand gar nicht mehr an, vor allem weil der Preis für eine Kinokarte ja auch jedesmal kein allzu kleines Loch in die knappe Haushaltskassa reißt.
Zum Glück habe ich gestern eine Ausnahme von der Regel gemacht, und mir "Sinister" im Kino angesehen - denn dies ist nichts weniger als ein Meisterwerk, welches zwar im Gewand eines traditionellen Horrorfilms einherschleicht, diesen aber rasch auf äußerst kluge Art transzendiert. Und daneben die Stärken der Tradition auch voll auszuschöpfen weiß.
Wie eingangs erwähnt, inszeniert Regisseur Scott Derrickson ("Der Exorzismus der Emily Rose") "Sinister" im Stil des klassischen Horrorfilms -spätestens als die Super8-Filme ins Spiel kommen, sind wir allerdings auch im allseits so beliebten "Found Footage"-Genre angekommen und betrachten zusammen mit der Hauptfigur abscheuliche Verbrechen, teilen sein wachsendes Grauen, seine Schuldgefühle, werden uns zusammen mit ihm auch unserer Obsessionen bewusst. Wollen uns mit Abscheu abwenden, können aber nicht aufhören hinzusehen; selten integriert uns ein Horrorfilm auf so hintergründige Weise so dermaßen ins Geschehen.
Ethan Hawke, der den Autor und Familienvater spielt, macht seine Sache aber auch wirklich fantastisch - solch ein subtiles, nuanciertes und überzeugendes Spiel ist gerade in Genrefilmen extrem selten zu sehen. Apropos Subtilität: "Sinister" verzichtet mit wenigen Ausnahmen fast vollkommen auf traditionelle Schockeffekte und erzeugt gerade dadurch eine unheimliche Atmosphäre, wie ich sie schon lange nicht mehr erlebt habe; großen Anteil daran hat auch die unglaublich gute Musik.
"Sinister" ist eine absolute Perle des Horrorfilms. Wenn es weiterhin solche hochwertigen Streifen im "klassischen" Gewand geben würde, gäbe es auch noch Hoffnung für Hollywood. Sieh dir das an!