KOMÖDIE: GB, 2012
Regie: Ben Wheatley
Darsteller: Alice Lowe, Steve Oram, Eileen Davies
Der fette Unsympathler, der achtlos seinen Müll fallen lässt, ahnt noch nicht, dass er soeben sein Todesurteil unterschrieben hat. Denn der rotbärtige Chris mag es nämlich gar nicht gerne, wenn ihm Leute blöd kommen. Die fallen dann schneller von einer Klippe, als sie "Straßenbahnmuseum" sagen können. Gemeinsam mit seiner Freundin Tina, die im zarten Alter von 34 allmählich beginnt, sich von ihrer dominanten Mutter zu lösen, zieht er eine Blutspur durchs verregnete Yorkshire. Wo immer Tina und Chris auftauchen, sinkt die Lebenserwartung von Umweltverschmutzern, Angebern oder "Daily Mail"-Lesern rapide ...
Mit KILL LIST hat der britische Regisseur Ben Wheatley eine hinterfotzige Faustwatsche von einem Thriller abgeliefert, der mir die Kinnlade auf Kniehöhe klappen ließ. Ein unheimliches, absolut irres Werk, das zumindest auf einschlägigen Festivals für Furore gesorgt hatte. Dass der Film nie regulär das Licht der Kinoleinwände erblicken durfte und in einem irreführenden Billigaction-Cover versteckt in den Videotheken verstaubt, ist natürlich eine Kulturschande. Aber auch keine Überraschung, denn die Zielgruppe für Genre-Filme, die mit Konventionen brechen und die Sehgewohnheiten auf den Kopf stellen, ist eine denkbar schmale.
SIGHTSEERS könnte es in dieser Hinsicht leichter haben. Der Film ist entschieden publikumstauglicher als pechschwarze Brit-Komödie angelegt (Produzent: Edgar HOT FUZZ Wright) und kam - oh Wunder - gar in den Genuss eines heimischen Kinostarts. Die dringend angeratene OmU läuft im Votivkino. Die Tiefenwirkung des grimmigen Vorgängerfilms erreicht SIGHTSEERS erwartungsgemäß nicht mehr. Ein irritierend unangenehmes Seherlebnis bleibt die roadmovie-artige Geschichte eines nerdigen Mörderpärchens dennoch; alleine schon deshalb, weil Wheatley seine Figuren so unsympathisch wie nur möglich zeichnet. Gott, allein die penetrante Art, mit der Tina ihren Freund anspricht - "Chrrrriiiiss!!" - geht einem durch Mark und Bein.
Ich hab mich redlich bemüht, irgend einen Zugang zu diesen Figuren zu finden, und bin kläglich gescheitert. Identifikationspotential: Null. Was wahrscheinlich auch die Pointe ist: Der Zuseher wird auf die Seite von asozialen Psychopathen gezogen und genötigt, das irrationale, mörderische Treiben aus ihrer Perspektive zu erleben. So gesehen ist Wheatleys Film weit näher bei Rob Zombies THE DEVIL'S REJECTS als, sagen wir, bei GOD BLESS AMERICA, um ein Beispiel für ein liebenswertes, grundsympathisches Killer-Pärchen zu nennen.
Ja, formal ist SIGHTSEERS dem Komödienfach zuzurechnen. Dass es sich um Lacher handelt, die - ich investiere an dieser Stelle ein Monatsgehalt in Phrasenschweinfutter - im Hals stecken bleiben, muss wohl nicht näher erläutert werden.
Ein ziemlich dicker Kloß bliebt jedenfalls im Hals zurück. Auch, weil mich Wheatley mit diesem "The Power of Love"-Song von Frankie Goes To Hollywood an meiner verwundbarsten Stelle erwischt hat: Bei meiner eh längst nimmer heimlichen Vorliebe für dick aufgetragenen Kitsch nämlich. Arg. Waren da doch echte Emotionen im Spiel, und ich hab das den ganzen Film über nicht bemerkt? Fragen über Fragen ...
Auch wenn Ben Wheatleys neuer, als Komödie angelegter Film SIGHTSEERS nicht die Wucht des grimmigen KILL LIST erreicht, bleibt genug Stoff für einen brutal-lustigen Kinoabend im Zeichen der Verstörung.
In diesem Sinne: "Chrriiiisss! This is NOT my Vagina!"