DRAMA/KOMÖDIE/LOVESTORY: USA, 2006
Regie: John Cameron Mitchell
Darsteller: Sook-Yin Lee, Raphael Barker, Lindsay Beamish, Paul Dawson, PJ DeBoy
Ein New Yorker Underground-Lokal namens Shortbus ist Dreh- und Angelpunkt der künstlerischen und erotischen Aktivitäten eines schwulen Pärchens, einer Dominatrix, einer Sexualtherapeutin und einem Dutzend weiterer in ihrem Sexualverhalten nicht unbedingt Mainstream-orientierter Persönlichkeiten ...
KRITIK:Eine "typische New Yorker Sex-Komödie" sollte sie werden, die zweite Regiearbeit von John Cameron Mitchell, der mit dem knallbuntes Glamrock-Musical Hedwig and the Angry Inch (2001) für Begeisterung auf diversen Festivals sorgte.
Besagter Film ist hierzulande leider nie regulär erschienen; Interessierten bleibt wohl nur Amazon UK oder der Gang in die Wiener Fremdsprachenvideothek Alphaville ...
Shortbus ist jedenfalls mehr als eine "typische Sex-Komödie".
Der Streifen reiht sich vielmehr ein in die immer länger werdende Liste von Arthouse-Filmen mit echten Sexszenen.
Allerdings mit einem signifikanten Unterschied:
Während in Werken wie Intimacy oder Romance der innige Körperkontakt
stets Unheil, Leid und Tragödien nach sich zieht, geht es in Shortbus weitaus gelassener zu:
Der Film zeigt Sex "in all seinen Verwirrungen, Verkrampftheiten, seiner Romantik und Schönheit und seinem alles sprengenden Potential. Sex, in welcher Form auch immer, als Bestandteil des Lebens und dieses Films.", wie Martin Pieper auf fm4.at so treffend schreibt.
"Mit meinem Film kämpfe ich gegen Grenzen an, die es hier in den USA gibt. Warum, frage ich mich, darf man sich mit Sex in einem Film nicht humorvoll und - hoffentlich auch - mit Hirn auseinander setzen?" fragt der Regisseur im äußerst lesenswerten Interview im Programmheft des Stadtkinos.
Und weiter: "Ich beobachte mit Schrecken, dass das US-Kino immer prüder wird - wie auch die US-Regierung. Diese Prüderie führt letztendlich zu uniformen, glücklosem Sex und kalter Pornographie - und das ist es, was die jungen Leute heute in den Vereinigten Staaten in Punkto Sexualität beigebracht bekommen."
Rein filmisch gibt es wenig auszusetzen: Wer amerikanisches Indie-Kino mit "schrägen" Figuren, skurilem Humor und ästhetischen Bildern mag, sollte sich Shortbus auf alle Fälle ansehen. Einzelne Durchhänger fallen nicht wirklich ins Gewicht; bzw. werden durch viele intensive Höhepunkte wettgemacht. Wenn man Vergleiche ziehen möchte: Shortbus kommt wie eine Queer-Variante von Woody Allen mit echtem Sex und dieser tragikomisch-melancholischen Grundstimmung von Filmen wie Lost in Translation oder Punch Drunk Love. Empfehlung.
Mit knallbunten Kostümen, skurilem Humor und echten Sexszenen hält Hedwig and the Angry Inch-Regisseur John Cameron Mitchell dem reaktionären Amerika von George W. Bush die Utopie eines Orts der totalen sexuellen Freiheit entgegen. Wer amerikanisches Indie-Kino der expliziteren Art schätzt, muss diesen Film sehen.