OT: EskalofrÃo
HORROR: Spanien, 2008
Regie: Isidro Ortiz
Darsteller: Junio Valverde, Mar Sodupe, Francesc Orella, Blanca Suárez
Der Teenager Santi leidet an einer extremen Form der Fotophobie und verträgt kein Sonnenlicht. Deshalb zieht er mit seiner Mutter aus der Großstadt hinaus aufs Land - in ein schattiges, lichtloses, kleines Kaff zwischen Wäldern und Bergen. Und in eben jenen Wäldern lauert etwas, das zunächst nur Schafe, bald aber auch Menschen reißt. Nicht lange - und die Dörfler haben in dem blassen, neuzugezogenen Jugendlichen ihren Sündenbock gefunden. Dabei birgt das abgeschiedene Dorf mehr als nur ein dunkles Geheimnis ...
Eingeweihte kennen den spanischen Filmemacher Ortiz durch die mit schlagkräftiger Schützenhilfe der Künstlertruppe La Fura dels Baus entstandene außergewöhnliche, experimentielle, lustige, bissige, psychosexuelle Faust-Variante FAUSTO 5.0. Der hier vorliegende SHIVER ist allerdings eine Solo-Arbeit von Ortiz und geht ohne La Fura-Beteiligung auch viel konventionellere Wege auf den Pfaden des Horrorfilms als es vergleichsweise FAUSTO 5.0 getan hat.
Wobei das so ganz ordinär Übliche ist ESKALOFRIO alias SHIVER - DIE DÜSTEREN SCHATTEN DER ANGST dann doch nicht. Sowohl die extreme Lichtscheue als auch die Jugend unseres Hauptprotagonisten wird geschickt dazu genutzt, dem ganzen zunächst den Anstrich eines Teenage Angst-Außenseiterdramas zu geben. Was zur Folge hat, dass die handelnden Figuren ausführlicher, wärmer und sympathischer als im herkömmlichen Horrorfilm gezeichnet sind; der ja primär andere Ziele verfolgt als die einer Charakterstudie seiner Lämmer vor dem Gang zur Schlachtbank. Doch Teenage Angst hin, Außenseiterdrama her, ein bisschen Schlachtbank gibt es natürlich auch bei SHIVER.
Der zu Beginn so verheißungsvolle Neubeginn des jungen Fotophobikers und seiner Mutter in einem eher düsteren, sonnenlosen Landstrich entwickelt sich nämlich ziemlich schnell zu einem Fall von Regen in die Traufe. Denn dort in diesem abgeschiedenen, dunklen Hinterwald lauert etwas, das zunächst Schafe, dann Menschen tötet, sie teilhäutet und deren Blut trinkt.
Die Art und Weise, wie diese im Film lange undefinierte (im Trailer jedoch fast und auf dem Cover gleich gänzlich gespoilerte) Gefahr durch einen herrlich finsteren Wald pirscht, faucht und huscht, ist schon ein Exempel an schön bedrohlich gewebter Atmosphäre.
Als die Dinge sich in der zweiten Hälfte auch vor dem Zuschauerauge klären, verfliegt der böse Zauber etwas. Im Anschluss gibt es totzdem noch genügend Terror, Blut und sogar noch ein paar weitere (mehr oder weniger) überraschende Wendungen. Und im Grunde noch mehr Außenseiterdrama; nur diesmal nach der grobschlächtigeren und blutrünstigen Manier eines Backwood-Horrorflicks.
Summa summarum ist SHIVERS ist ein weiteres Beispiel dafür, dass auf spanische Horrorfilme in der Regel Verlass ist. Anfangs etwas Teenage Angst, gefolgt von verstärktem Außenseiterdrama und dann geht es schnurstracks in die im Genre immer wieder gerne gefeierte "Etwas lauert in den dunklen Wäldern"-Ecke. Hier trumpft man zunächst mit subtilen, bedrohlichen Bilder auf und kreiert eine wunderbar bedrohliche Atmosphäre, bis es im Schlussdrittel zwar recht blutig, aber auch viel konventioneller wird.
Man kann sich letzten Endes des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser gute Horrorfilm eigentlich alle Anlagen zum sehr guten Horrorfilm gehabt hätte, aber diese nicht konsequent genutzt hat. Irgendwo auf dem Weg ist -trotz sorgfältiger Inszenierung, packender, stimmungsvoller Fotografie, guten Darstellern und einer gelungenen, wahrlich wilden "Bestie" - ein Stück des wirklich Besonderen verloren gegangen.
Dennoch kann der geneigte Genrefan mit SHIVER nicht viel falsch machen: Ein sehenswerter Genrebeitrag ist den Machern hier trotzdem geglückt, der seinerzeit gar auf der Berlinale gezeigt wurde; nicht, dass dies jetzt ein entscheidendes Qualitätsmerkmal wäre...
Sauber gemachter spanischer Horrorfilm, der Teenage Angst und Außenseiterdrama mit mysteriös-stimmungsvollen "Etwas lauert im dunklen Tann"-Horror mixt und gegen Ende fast in waschechten, aber leider nicht mehr so originellen Backwood-Terror ausartet. Ein jugendlicher Fotophobiker als Hauptfigur ist dabei natürlich viel interessanter als die übliche Teenager-Einerlei und die "Bestie" gefällt auch durch eine gewisse Nicht-Alltäglichkeit. Nur schade, dass die Schleier um ihre Identität im Film erst spät, aber in den Trailern und Screenshots zum Film eigentlich sofort gelüftet werden. Dennoch haben wir hier einen guten Horrorfilm, der mit etwas mehr Konsequenz gut und gerne ein sehr guter hätte werden können. Nicht zuletzt wegen seiner grandiosen "Tief im unheimlichen Wald"-Atmosphäre ist SHIVER natürlich trotzdem mehr als nur einen Blick wert.