"Das Lachen ist ein teuflischer Wind, der die Gesichtszüge auf's Unnatürlichste verzerrt und die Menschen wie wilde Affen aussehen lässt"
(Aus "DER NAME DER ROSE")
Spaßbremsen-Pionier aus DER NAME DER ROSE. Heute ist er Filmkritiker.
Ich bin ja grundsätzlich leicht zu unterhalten. Zum Lachen in den Keller gehen ist ein Lebenskonzept, das ich nicht verstehe. Gerade, weil diese Haltung unter "seriösen" Filmkritikern weit verbreitet ist. Es gibt sie immer noch, die gutbürgerlichen Filmkritiker, die über amerikanischen Humor aus Prinzip die Nase rümpfen. Unvergessen etwa der BORAT-Verriss in der österreichischen Tageszeitung Kurier, wo der erschrockene Schreiber bitterlich über "filmischen Abfall", "Fäkalhumor aus der untersten Schublade" und "Ekel erregende Unappetitlichkeiten" wehklagte.
Dabei kann die Gattung Komödie im besten Fall so viel mehr sein: Ich liebe ja diese unglaubliche Fähigkeit von amerikanischen Komödien, dir die Lachtränen in die Augen zu treiben, dein Herz zu berühren und dazu noch intelligente Kommentare zum Zustand von Staat, Gesellschaft und dem Chaos von Paarbeziehungen im 21. Jahrhundert abzugeben. Das galt zumindest für die Nullerjahre, wo Komödien-Gott Judd Apatow und seine Gefolgschaft großartige und superlustige Filme am laufenden Band produziert hat.
So bitter es klingen mag: Diese Zeit ist anscheinend vorbei. Die US-Komödie befindet sich seit geraumer Zeit in einer Krise. Aber springen wir erst einmal zurück über den großen Teich und kehren wir vor unserer eigenen Haustür:
A, 2016. Regie: Arman T. Riahi. Mit: Faris Endris Rahoma, Aleksandar Petrovic
Liebe Menschen, auf deren Humorverständnis normalerweise Verlass ist, schwärmten ja in den höchsten Tönen von der österreichischen - ja, was eigentlich? - Culture-Clash-Komödie DIE MIGRANTIGEN. Und auch an den Kinokassen macht sich der Film erfreulich wichtig. 40.000 Besucher bislang, für Ösi-Film-Verhältnisse fällt das fast schon in die Kategorie Blockbuster. Benny und Marko sind zwei Wiener, die ihren sogenannten Migrationshintergrund längst vergessen haben. Benny versucht sich erfolglos als Schauspieler. Marko macht irgendwas Prekäres mit Werbung. Der Pleitegeier kreist bereits bedrohlich über ihren Köpfen. Da kommt eine "Ausländer"-Doku-Soap gerade richtig. Schauspieler Benny und Werber Marko mutieren zum Ghetto-Gangsta-Duo Omar und Tito. Eh ganz lustig. Und ziemlich gut gespielt, eigentlich.
Und dennoch eine grobe Themenverfehlung: Es ist schon bemerkenswert, wie beharrlich sich dieser Film weigert, die auf der Hand liegenden Reizthemen Islam und Rechtspopulismus auch nur anzuschneiden. Bloß keine Kontroversen! Um Gottes Willen keine religiösen Gefühle verletzen! Einerseits verständlich, dass Regisseur Arman T. Riahi ("Schwarzkopf") keine Lust auf ein mögliches Salman Rushdie-Schicksal hat. Das erste Opfer des politischen Islam ist dieser Tage übrigens 70 Jahre alt geworden. Aber ein bisschen mehr Biss hätte der Film nun wirklich vertragen. So wälzen sich DIE MIGRANTIGEN 90 Minuten lang in mäßig originellen Neunziger Jahre-Haider-Klischees vom kleinkriminellen "Jugo" in der sozialen Hängematte. Wie gesagt, eh recht lustig. Harmlose, aber zumindest nicht uncharmante Unterhaltung. Auch wenn der Vergleich hinken mag: FACK JU GÖTHE ist ein subversives Meisterwerk dagegen.
Wertung: 5 von 10 Schutzgeldübergaben.
OT: Rough Night. USA, 2017. Regie: Lucia Aniello. Mit: Kate McKinnon, Scarlett Johansson
Lustigerweise spuckt mir Google mit diesem Suchbegriff als ersten Treffer einen Slasher von 1982 namens "GIRL'S NITE OUT" aus. Vielleicht hätte ich auf den Suchmaschinenkraken hören und den alten Slasher der neuen Komödie gleichen Namens vorziehen sollen. Bei ihrem Junggesellinnenabschied in Miami bringen die College-Freundinnen Jess (Scarlett Johansson), Pippa (Kate McKinnon), Frankie (Ilana Glazer), Alice (Jillian Bell) und Blair (Zoë Kravitz) versehentlich einen Stripper um die Ecke und stehen vor dem Problem, die Leiche entsorgen zu müssen. Erwartet hätte ich mir BRIDESMAIDS mit Scarlett Johansson. Bekommen habe ich eine mäßig spannende Mixtur aus VERY BAD THINGS und IMMER ÄRGER MIT BERNIE (erinnert sich noch jemand?), die sich nie wirklich zwischen Gross-out-Komödie und Thriller-Trash entscheiden kann. Ein paar sporadische Schmunzler fallen aber doch ab, vor allem bei den erstaunlich offenherzigen Sex- und Drogenkonsumszenen. Ein paar Momente lang wirkt der Film nämlich, als hätte man der Regisseurin das Script von TRAINSPOTTING 2 untergejubelt. Ganz originell auch die Szenen mit Demi Moore und „Modern Family“-Star Ty Burrell als Swinger-Pärchen from hell.
Das größe Problem von GIRLS' NIGHT OUT ist kurioserweise auch der Hauptgrund, ihn anzusehen. Die Rede ist von Scarlett Johansson, die mir schon als männerjagendes Alien, als Cyberpunk-Kampfmaschine, als juvenile Femme Fatale und sogar als Computer-Stimme das Herz gebrochen hat. Will ich diese auf "Larger than Life"-Rollen abonnierte Leinwand-Göttin tatsächlich in einer Normcore-Rolle als biedere, stressfrustrierte Karrierefrau sehen? Bitte nicht falsch verstehen: Sie spielt auch diese Rolle mit Bravour. Aber der Rollen- und Imagewechsel irritiert zu sehr, als dass die Pointe tatsächlich funktioniert.
Wertung: 5 von 10 ploppende Sektflaschen (die am Flughafen prompt Terror-Panik auslösen)
OT: The House. USA, 2017. Regie: Andrew J. Cohen. Mit: Will Ferrell, Amy Poehler
Als Angehöriger der Church of Will Ferrell muss ich Euch wohl nicht länger erklären, warum der riesenhafte US- Comedy-Superstar einer der lustigsten Menschen dieses Planeten ist. Und warum sein wahnwitziger, brachialer, bisweilen surrealer Humor mich vor Lachen mal wieder beinahe vom Kinosessel geworfen hat. Allerdings - und das muss auch festgehalten werden: CASINO UNDERCOVER ist definitiv nicht Will Ferrells bester Film. Diese Ehre dürfte wohl auf Ewig dem ANCHORMAN gebühren, dicht gefolgt von RICKY BOBBY und der Cop-Film-Parodie THE OTHER GUYS. Ein Mittelstands-Ehepaar mittleren Alters (hinreißend komisch: Will Ferrell und Amy Poehler) kommen aus Geldnot auf die glorreiche Idee, im Keller des Eigenheims ein illegales Spielcasino zu eröffnen. Der Rubel rollt, die Frauen spielen Fight Club, Finger werden gewaltsam abgetrennt, dass die Blutfontänen spritzen wie beim guten alten Peter Jackson. Sprich, vor dem Tolkien-Epos. Und mittendrin Will Ferrell in seiner Paraderolle als über sich hinauswachsender Kleinbürger, der hier zum Smalltown-Don Corleone mutiert. Man wird ihn "The Butcher" nennen. Kurz gesagt: Auch ein vergleichsweise schwächerer Will Ferrell-Film ist immer noch gefühlte hundert mal lustiger als das Gros der Konkurrenz.
Wertung: 7 von 10 abgetrennte Mittelfinger.
OT: The Beguiled. USA, 2017. Regie: Sofia Coppola. Mit: Colin Farrell, Elle Fanning, Nicole Kidman, Kirsten Dunst
Ein schwer verwundeter Unionssoldat wird von einer Schülerin im Wald gefunden. Das Mädchen bringt den Mann ins Internat, das von Nicole Kidman, Elle Fanning und Kirsten Dunst bewohnt wird. Der Mann wird gesund gepflegt. Der Titel sollte mit einer Spoilerwarnung einher gehen, denn der attraktive Fremde, von Colin Farrell nicht uncharmant gespielt, beginnt vom Krankenbett aus, die Frauen und Mädchen einzuwickeln. Das wird kein gutes Ende nehmen. In der Theorie hört sich Sofia Coppolas neuer Film großartig an: Ein Remake eines politisch unkorrekten Sex-Dramas aus den Siebzigern, aus weiblicher Perspektive neu erzählt. In der Praxis haben wir es mit einem - wie nicht anders erwartet - opulent bebilderten, aber sehr belanglosen Irgendwas von einem Kostümdrama zu tun. Von der normalerweise großartigen Sofia Coppola hätte mir etwas mehr erwartet, als einen zweifellos hoch-atmosphärischen, aber gepflegt langweiligen viktorianischen Mädchen-Feuchttraum im Southern Gothic-Gewand. Dass der Film hier in einem Komödien-Aufsatz vorkommt, verdankt sich der Tatsche, dass er ziemlich lustig ist. Wobei ich auf Humor der eher unfreiwilligen Art tippe. Wirklich ernst kann Sofia Coppola das grotesk-brachiale Ende, das hier natürlich nicht verraten werden soll, wohl nicht gemeint haben.
Wertung: 6 von 10 schmackhaften Pilzgerichten
OT: 20th Century Women. USA, 2017. Regie: Mike Mills. Mit: Annette Bening, Elle Fanning, Greta Gerwig
Dem nichtsnutzigen deutschen Verleihtitel sei Dank hätte ich einen der schönsten Filme des laufenden Kinojahres beinahe übersehen. JAHRHUNDERTFRAUEN, im Original 20TH CENTURY WOMEN, erzählt von drei Frauen im Leben des 15-jährigen Jamie: Seine 55-jährige Mutter (Annette Bening), von der er sich zunehmend entfremdet, deren Mitbewohnerin Abbie (Greta Gerwig), die ihn mit Punkrock infiziert (man schrieb die späten Siebziger), und schließlich die durchtriebene Jugendfreundin Julie (Elle Fanning), in die der Bub ziemlich verschossen ist. Hört sich vielleicht nicht sehr spektakulär an, ist aber eine wirklich schöne, blitzgescheite, witzige und berührende Familiendramödie. Es geht ums Aufwachsen in den Siebzigern, mit Punk, New Wave, Politik, feministischer Kampfliteratur, Liebe und klitoralen Orgasmen. This Year's AMERICAN BEAUTY, wenn man so will. Wird demnächst auf DVD erscheinen.
Wertung: 8 von 10 Zigaretten mit grünem Logo.