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Schattenwelt

Schattenwelt

THRILLER: DE, 2008
Regie: Connie Walter
Darsteller: Ulrich Noethen, Franziska Petri, Eva Mattes, Uwe Kockisch, Tatja Seibt

STORY:

22 Jahre saß Bernd Widmer im Knast. Läuterung hat der ehemalige RAF-Terrorist hinter Gittern keine erfahren. Nach den Jahren im Knast bekommt er dennoch eine neue Identität und Wohnung. Und eine geheimnisvolle Nachbarin namens Valerie noch dazu ...

KRITIK:

Schwarz-Weiß als Stilmittel ist ja heutzutage durchaus nichts ungewöhnliches mehr. Auch die Macher von Schattenwelt machten sich die Reduktion von Farbe und Farbtönen als Stilmittel zu eigen. Allerdings setzten sich nicht komplett auf Schwarz-Weiß sondern legten eher einen Farbfilter über die Bilder, der ihnen beinahe schon die Farbe rauszieht. Grüntöne und dergleichen schimmern zwar immer wieder durch, allerdings nur schwach. Ein Stilmittel das sicher etwas gewöhnungsbedürftig ist, aber durchaus auch interessant wirkt. Leider auch etwas sperrig. Und damit in gewisser Weise auch zur Thematik passt. "Schattenwelt" befasst sich schließlich mit einem schwierigen Thema. Es geht um die RAF.

"Machst du das öfters? Fremde Sachen auf?" -
"Bei Leuten die in meine Wohnung einsteigen schon."

"Schattenwelt" nähert sich dem Trauma der jüngeren deutschen Geschichte auf einem persönlichen Weg. Beleuchtet wird das Leben danach. Und die Wunden, die nie verheilen konnten. Es geht um die Schicksale der Täter, der der Opfer und auch der nächsten Generation. Wie gehen die Kinder der Täter damit um, wie die der Opfer? Kann man so etwas überhaupt jemals verarbeiten, Kind eines Terroristen zu sein? Jemals eine Beziehung zu seinem Vater, dem Terroristen aufbauen?

Es sind schwierige Fragen, die in Schattenwelt aufgeworfen werden.
Im Zentrum der Geschichte steht ein ehemaliger Terrorist, der nach Jahrzehnten aus dem Knast entlassen wird. Die lange Zeit vermochte nicht die Vergangenheit vergessen zu lassen, die Medien stürzen sich auf die Entlassung, Kamerateams positionieren sich vor den Toren des Gefängnisses. Ja, die RAF spukt immer noch in den Köpfen der Menschen herum.

"Und sonst? Was hast du sonst noch vor?"
"Weiß nicht. Konto checken. Führerschein ... die einfachen Sachen."

Schattenwelt beginnt relativ nüchtern. Vor allem anfangs bleiben die Szenen weitgehend unkommentiert. Es dauert eine Zeit bis die Figuren und ihre Beziehungen zueinander einigermaßen geklärt sind. Im krassen Gegensatz zu der Nüchternheit, die durch die farblosen Bildern noch verstärkt wird, stehen die Leistungen der Darsteller. Vor allem Hauptdarsteller Ulrich Noethen verleiht seiner Figur eine Lebendig- und Körperlichkeit, die sich sehen lassen kann und die man in deutschen Filmen sonst eigentlich nur von August Diehl kennt. Wie er ganz verschwitzt durch seine enge Wohnung tigert, wie er versucht sein Leben und seine Vergangenheit in den Griff zu kriegen, das ist faszinierend und berührend gleichermaßen.

"Später hatte ich einen Traum. Da ist dann alles noch einmal passiert. Mit einem Unterschied: Ich war die Fliege."

Widmer saß Jahrzehntelang im Knast, für ein Verbrechen in welchem seine Rolle niemals gänzlich geklärt werden konnte. Und nun versucht er wieder ein halbwegs normales Leben zu führen. Doch in ihm drinnen, da brodelt es. Gegessen ist die Sache für ihn noch lange nicht. Und dann trifft er auf Valerie (Franziska Petri: großartig). Sie ist die einzige, zu der er Vertrauen fasst. Vielleicht weil sie so ist wie er: Eine verlorene Seele.

"Ich mein das geht doch nicht. Der ist ein Terrorist. Der hat sie entführt."

Doch mit ihr beginnen die Psychospielchen. Denn Valeries Motive und ihre Vergangenheit bleiben anfangs im Dunkel. Was weiß sie? Was will sie? Und vor allem: Warum versucht sie Widmer gegen alle anderen aufzubringen?

"Was müsste man den tun um bei euch aufgenommen zu werden? Einen 90-jährigen Nazi abknallen oder was?"

Schattenwelt hat streckenweise etwas leicht Kammerspielartiges. Widmer ist sozial isoliert. Meist hockt er in seiner Wohnung, Besuch bekommt er nur von seiner Anwältin und von Valerie, seiner Nachbarin. Das Leben außerhalb findet neben ihm statt, er nimmt nicht daran teil. Man hört im Hintergrund die Musik und das Lachen von Leuten, die eine Gartenparty feiern, doch bleibt das immer lediglich Beiwerk in Widmers Leben. Widmer will mit seinen Nachbarn auch gar nichts zu tun haben.

Und wenn du das checkst, ja, dann merkst du einfach, da ist jemand der ist wie du."

Sicher, der Film hat sich jetzt nicht unbedingt die leichteste Thematik ausgesucht. Außerdem wird viel geredet und mit dem Auto herumgefahren. Das verleiht dem Film etwas Naturalistisches. Aber durch die Mischung aus Drama und Psychothriller ist ein überaus spannender Film herausgekommen. Als Zuseher bleibt man dran, weil einem die Figuren nicht egal sind und man wissen möchte, wie es weitergeht. Und auch die Extreme, mit denen die Figuren aufwarten, wecken das Interesse.

"Ich hab noch ein Photo von dir. Da siehst du jünger aus."

Wem kann man trauen? Am Ende lügen sich doch alle selbst in die Taschen. Selbst nach all den Jahrzehnten noch.

Schattenwelt Bild 1
Schattenwelt Bild 2
Schattenwelt Bild 3
Schattenwelt Bild 4
Schattenwelt Bild 5
Schattenwelt Bild 6
FAZIT:

Schattenwelt ist eine überaus interessante Auseinandersetzung mit der RAF, die irgendwo zwischen Vergangenheitsbewältigung und Psychodrama angesiedelt ist. Neben einer der interessanten Auseinandersetzungen mit der RAF der letzten Jahre, sind es vor allem die Darsteller, mit denen der Film punkten kann. Hauptdarsteller Ulrich Noethen liefert wohl eine der besten Performances seiner Karriere ab. Und wer Ulrich Noethen schon mal spielen gesehen hat, weiß was das heißt. Und auch Franziska Petri und Eva Mattes lassen mit ihren Performances das Herz von Filmfreunden höher schlagen.

WERTUNG: 8 von 10 Spritzpistolen
TEXT © Gerti
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