DRAMA/THRILLER: USA, 2012
Regie: Oliver Stone
Darsteller: Taylor Kitsch, Aaron Johnson, Blake Lively, Benicio Del Toro, Salma Hayek, John Travolta
Ben und Chon verkaufen das beste Marihuana der USA. Kiloweise. Das garantiert steuerfreie Einnahmen in Mitt Romney-Größenordnungen. Doch mit dem entspannten Luxusleben am Strand von Laguna Beach, Kalifornien, ist es jäh vorbei, als den Jungs ein Drohvideo der Konkurrenz aus Mexiko in die Mailbox flattert: Ein maskierter Killer lässt die Kettensäge knatternd ihren Dienst verrichten, und am Boden der blutverschmierten Folterkammer liegen abgetrennte Menschenköpfe. Unmissverständliche Botschaft: Tretet uns euer Geschäft ab, oder wir machen euch einen Kopf kürzer. Ben und Chon beschließen, eine Auszeit zu nehmen. Ab nach Indonesien, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Doch die Mexikaner wissen, wie man Forderungen Nachdruck verleiht. Ben und Chons gemeinsame Freundin wird entführt. Und die Jungs drehen durch ...
Die Mondlandung. Die fehlt noch. Aber ansonsten hat Oliver Stone alle relevanten Ereignisse der jüngeren US-Geschichte durch. Nixon? Check. JFK? Check. Vietnam-Krieg? Check. Mittelamerika? Check. 9/11? Check. Finanzkrise? Check.
Man kann Oliver Stone ja vieles vorwerfen: Seine Neigung zu Verschwörungstheorien und pathetisch vorgetragenen, plakativen Nona-Botschaften. Aber gewiss nicht fehlende Leidenschaft oder mangelndes Engagement für den jeweiligen Stoff. Deshalb war ich etwas irritiert, als ich in einer Vorabkritik zu SAVAGES zu lesen bekam, Oliver Stones einstiger Furor wäre einer entspannteren Herangehensweise gewichen. Wenn ich mich recht erinnere, war gar von "Altersmilde" die Rede.
In Wahrheit beginnt der Film mit einer gestreckten Faustwatschen: Die Videobotschaft des mexikanischen Drogenkartells lässt in Punkto Härte keine Fragen offen. Und trotzdem will sich der Schockeffekt nicht wirklich einstellen. Sind wir im Jahre Sieben nach Hostel einfach schon so abgebrüht, dass uns nicht einmal mehr (Fake-)Snuff-Aufnahmen aus der Folterhölle des mexikanischen Drogenkriegs noch schockieren können? Haben die Hanekes dieser Welt am Ende Recht behalten mit ihrer Theorie der Abstumpfung und emotionalen Vergletscherung?
Oder liegt es an Oliver Stones sonnendurchfluteten Bildern und der - ja, relaxten Inszenierung, dass uns gleich wieder wohlig warm ums Herz wird, wenn wir nach einem eiskalten Gewaltexzess den hübschen Jungs Ben und Chon und ihrer gemeinsamen Freundin O. beim harmonischen, eifersuchtsfreien Gruppenkuscheln zusehen dürfen?
Ich weiß es nicht. SAVAGES mag gängige Erwartungshaltungen, wie man sie an einen Oliver Stone-Film gerne hegt, unterlaufen. Ein guter, nein, sehr guter Film ist er trotzdem geworden.
Nach dem ziemlich schnittigen Trailer hat mich die relative Action-Armut erst einmal erstaunt, dann sogar höchst freudig überrascht. SAVAGES ist nämlich mehr Drama denn Action-Thriller. Die Charaktere sind durch die Bank sorgfältig gezeichnet - okay, vielleicht auch etwas überzeichnet. Aber es gibt definitiv Langweiligeres, als Benicio del Toro als schmierigen Folterknecht, John Travolta als korrupten DEA-Agent und Salma Hayek als tragische Drogenkönigin zuzusehen.
Dass sich ein amerikanischer Drogen-Thriller die Mühe macht, auch "die Bösen" als Menschen darzustellen, ist schon einmal ungewöhnlich genug. Dass der Film bei aller Spannung auch in seinen Drama-Parts bestens funktioniert, kann man Oliver Stone gar nicht hoch genug anrechnen. Auch wenn es manche "Altersmilde" nennen.
Auf seine alten Tage überrascht Oliver Stone mit einem elegischen Drogenthriller-Drama, das ganz ohne aufgesetzte Botschaften und Verschwörungstheorien auskommt. Explosive Momente gibt's zuhauf - doch die Drama-Parts hinterlassen den bleibenderen Eindruck. Toller, vielschichtiger Film. Vielleicht gar der Auftakt zu einem grandiosen Alterswerk a la Clint Eastwood?