OT: Vierges et vampires
PSYCHEDELIC SEXPLOITATION: F, 1971
Regie: Jean Rollin
Darsteller: Marie-Pierre Castel, Mireille Dargent
Zwei Mädchen flüchten nach einer Schießerei in eine scheinbar leerstehende Schlossruine. Doch nach Sonnenuntergang erwachen in der Ruine die Geschöpfe der Nacht: der letzte Vampir und sein Gefolge. In einer Zeremonie sollen die jungfräulichen Mädchen ihre Unschuld verlieren und die blutsaugende Tradition fortsetzen...
Auch wenn sich die Zusammenfassung wie ein schlüpfrig-zotiger Sexploiter mit notgeilen Nachtsaugern und liebeslustigen Lesben liest: REQUIEM FOR A VAMPIRE ist trotz seines unbestreitbaren Trash-Appeals pure Poesie, der Inhalt nebensächlich. Jede Nacherzählung vermittelt ein völlig falsches Bild vom Film und ist ohnehin zum Scheitern verurteilt. REQUIEM FOR A VAMPIRE ist eine Abfolge surrealer Bilder, und der Versuch, einen solchen Film mit der Frage "Worum geht's" einschätzen zu wollen, schon im Ansatz falsch.
REQUIEM ist einer jener Filme, die erst nach Jahren ein aufgeschlossenes Publikum fanden, weil die seinerzeit anvisierten Bahnhofskinozuschauer mit ihren hochgeklappten Regenmäntel auf der Suche nach Horror, Sex und anderen Schweinereien einfach vor den Kopf gestoßen wurde, selbst wenn da die eine oder andere Frau ausgepeitscht wird. Anscheinend muss man aber auch heutige Filminteressierten vor allzuviel Aufgeschlossenheit bewahren. So fehlt denn eben jene Szene, in der eine Fledermaus sich offensichtlich an Menstruationsblut labt, in einigen DVD-Ausgaben - darunter leider meine.
So verstörend REQUIEM nicht nur in dieser Szene ist, so funktioniert er nur dann, wenn der Zuschauer bereit ist, die offensichtlichen technischen Mängel auszublenden und sich dafür an der Einfachheit der Dinge zu erfreuen. Die Verfolgungsjagd zu Anfang verdient den Namen nicht, die Fledermäuse sind eher putzig als unheimlich, und die seltsam billig wirkenden Fangzähne des Grafen stehen tatsächlich schief ab. Das kann man dem winzigen Budget anrechnen, passt sich aber dem naiven und simplen Charakter des Films an.
Dabei beginnt die eingangs erzählte Geschichte ohnehin erst in der zweiten Hälfte des Films, es dauert recht lange, bis die Mädchen in der Ruine ankommen und auf den Vampir treffen. Erschwerend hinzu kommt der deutliche Verzicht auf Dialog, die Mädchen verstehen sich blind und belassen es bei Gesten.
Überraschenderweise fehlen aber auch die kryptischen Monologe, die Rollin sonst auszeichnen. So wird in dem Film kaum gesprochen und noch weniger erklärt. Unbeantwortet bleiben damit Fragen, warum die Mädchen Clownskostüme tragen, ob sie Schwestern oder Freundinnen sind, warum sie flüchteten, wer die Person ist, mit der sie flüchteten - und wohin sie am Ende des Films verschwinden.
Zwar kommt REQUIEM zwar nicht ganz an direkten Vorgänger SHIVER OF THE VAMPIRE heran, fügt sich aber doch so sehr in Rollins Werk ein, dass man gleich bei den ersten Bildern das Gefühl hat, einen alten Bekannten zu treffen. REQUIEM ist eine Spur leichter, episodenhafter erzählt als SHIVER und auch nicht so in sich abgeschlossen wie etwa der großartige Nachfolgefilm DIE EISERNE ROSE. Rollins Suggestivkraft kann man sich aber auch hier nicht entziehen.
Flüchtende Schulmädchen in einer surrealen Welt, das gibt es nicht erst seit SUCKER PUNCH. Eine Art Märchenfilm, der sich zeitweise aufzulösen scheint - Jean Rollins Seiltanz zwischen Trash und Poesie, zwischen anspruchsvollen Kino und billiger Pornografie, fordert den Zuschauer sicher heraus. Aber wer sich darauf einlassen kann, findet sich in einem Sog wieder, der die Zeit einfach vergessen lässt. Fallenlassen und versinken.