Ralph | 18.11.2009 14:59
So jetzt hab ich den gesehen. Hätt emich ja unterhalten sollen, aber eigentlich machen mir solche Filme Angst. Manche von diesen Typen sind nämlich nicht harmlos und können wirklich beträchtlich viel Schaden anrichten. Siehe Bush. Wieviel wird die Menschheit noch durchmachen müssen, bis wir von dieser Geisteskrankheit geheilt sein werden. Ich werde es leider nicht mehr erleben....
Harald | 15.04.2009 14:52
"Religion ist nicht nur blanke Dummheit, Religion ist gefährlich."
Ja, eh. Aber: Wenn man die Religionen bzw. ihre absurden & gefährlichen Auswüchse bekämpfen will, sollte man sich vor Augen halten, warum es das Phänomen Religion überhaupt gibt; warum Menschen Trost im Irrationalen suchen: Weil Religion die Angst nimmt. Die Angst vor dem Tod, vor Krankheiten, vor dem Verlust geliebter Menschen.
Mit Bloßstellen und Lächerlichmachen wird man diese Ängste nicht vertreiben können. Sag ich jetzt mal so, als jemand, der selbst überhaupt nicht religiös ist.
Andreas | 15.04.2009 15:30
also für ne so hohe wertung, wäre mir der film zu einseitig. das ganze ist halt in diesem typischen zeige-dinge-aus-dem-kontext-oder-überrasche-ahnungslose-und-mache-dich-dann-über-sie-lustig-michael-moore-stil. aber du scheinst das eh weniger als doku, sondern vielmehr als kömodie zu sehen. ein guter ansatz.
für wirklich _gute_ religionskritik aber empfehle ich south park (wenn's humoristisch sein soll) bzw. die doku-serie "kreuz und quer".
sagt jetzt ein weiter atheist. (bei diskussionen kann ich ähnlich provokant sein wie du in deinem review, aber eigentlich stimme ich mit haralds kommentar überein.)
Bernhard | 15.04.2009 15:40
Das Thema ist schwierig, denn argumentativ hat man noch weniger Chancen. Daher finde ich diesen Ansatz interessant. Zeigen wir ihnen mal, dass das, was sie sich da ausmalen, jeder auch nur halbwegs vernünftigen Grundlage entbehrt und viel schlimmer: dass selbst verschiedene katholische Lehren sich so sehr widersprechen, dass bei ihrer schieren Anzahl es völlig klar sein muss, dass selbst, wenn eine davon wahr ist, 95 % der Gläubigen nach einer Lüge leben. Maher geht es in erster Linie um Entmachtung: Religion muss raus aus der Politik, darf keine Macht haben, darf keine Basis sein auf der demokratische Entscheidungen getroffen werden. Darf durch fundamentalistischen Protest die Demokratie nicht erpressen können. Und wenn man Politiker der Lächerlichkeit preisgibt, indem man der Öffentlichkeit zeit, wie blödsinnig deren Ansichten sind (und wie hier der Senator am Ende so in die Ecke gedrängt ist, dass er sich zur Aussage "Um Senator zu werden muss man keinen IQ-Test bestehen" hinreissen lässt) - dann kann das funktionieren.
Erst dann geht es darum, Religion von blanken Stumpfsinn zu befreien und auf eine intellektuelle Ebene zu heben, die von einem gesunden Menschenverstand akzeptiert werden kann. Dass das vereinbar ist, beweist Maher selbst im Interview mit dem ehemaligen Direktor der vatikanischen Sternwarte, George Conye: er glänzt durch die mit Abstand intelligentesten Ansichten in diesem Film, stellt klar dass Wissenschaft und Religion zwei völlig verschiedene Paar Schuhe sind und leider die meisten das vollkommen missverstehen. Leider ist dieser Mann die Ausnahme, aber genau auf diesen Level gehört Religion wenn sie für Menschen als Hilfe bei ihren Ängsten und Zweifeln gelten soll.
Solange versucht wird, jahrtausende alte Schriften mit Zwang und Fanatismus auf die Gegenwart umzulegen, bleibt Religion eine äusserst ernste Gefahr.
Du hast schon recht - nur über die Schiene mit Lächerlichkeit und Bloßstellung funktioniert das nicht. Will auch keiner. Aber dieser Film musste gemacht werden - und es ist schön, dass Maher den Mut dazu hatte, dieses Thema derart radikal aufzubereiten.
Ralph | 15.04.2009 15:45
Danke für diese Kritik, da dieser Film sonst völlig an mir vorbeigegangen wäre. Du lehnst dich zwar wirklich weit aus dem Fenster mit deiner Kritik, aber ich bin vollstens deiner Meinung. Religion ist auch meines Erachtens nach gefährlich und dumm. Das sie vielen Leuten Trost spendet mag eine gute Seite sein, zeugt aber nur von einer nicht reflektierten Sozialisierung in diese Richtung. Es gibt genug andere Möglichkeiten sich Mut zu machen und aufzurichten, ohne sich und andere selbst zu betrügen. Empfehle hierzu das Buch "Der Gotteswahn" des britischen Biologen und Genetikers Richard Dawkins, der meinte er sei ein Gegner der Religion, weil sie uns lehrt damit zufrieden zu sein, die Welt nicht zu verstehen...
Andreas | 15.04.2009 16:15
noch einer! ich habs immer gewußt, filmtipps.at ist gottlos und verdammt. wir sehen uns alle in der hölle wieder.
Bernhard | 15.04.2009 16:21
@Andreas: Ich bin kein sonderlicher Fan von den Moore-Filmen, Religulous fand ich da um einiges besser. Nicht nur weil ich Maher für seriöser und intellektueller halte, eben genau das aus-dem-Kontext-reissen habe ich in Religulous nicht beobachtet. Es gab konkrete Fragen mit konkreten Antworten und Maher war in seiner Fragestellung zwar provokativ, aber nicht unfair. Natürlich war das Überaschungsmoment auf seiner Seite, und natürlich wurden bestimmte Dinge über provokativen Schnitt/Einblendungen weiter ausgeschlachtet, ohne dass der Interviewparter auf *diese* Nachbearbeitung noch eine faire Chance auf Antwort gehabt hätte (Thema Gründerväter zB) - ja, das kann man hier durchaus vorwerfen, auch wenn es natürlich eine Satire ist, die aber trotzdem den Anspruch hat, ein wichtiges Thema zu vermitteln. Auch dass Maher sich natürlich leichte Opfer ausgesucht hat. Trotzdem: als Demonstration, die uns vor Augen führt, wie unfassbar abstrus es in der Welt der Religion zugeht, eine Welt die immer noch, auch in "westlichen" Nationen, viel zu viel Einfluss auf politische Entscheidungen hat, funktioniert Religulous trotz in erster Linie satirischen Ansatzes erstaunlich gut.
Harald | 15.04.2009 16:22
stimmt eh alles.
aber gerade wir filmfans sollten den religionen auch ein bissl dankbar sein: die besten filme der besten regisseure sind von religiösen ideen & motiven inspiriert & infiziert. martin scorsese, abel ferrara, lars von trier und paul schrader: was wären diese herrschaften ohne ihre religiösen motive, wo's stets um leiden und leidenschaften, um sünden und erlösung geht?
gerade das christentum hat ein unglaubliches gespür für inszenierung und große dramatische momente, von denen das kino seit ewigkeiten zehrt. amen :)
Bernhard | 15.04.2009 16:34
Na eh Andreas, hat doch Harald schon so schön in den neuen Header eingebaut, dass sich hier keine Guten nicht rumtreiben :)
Andreas | 15.04.2009 16:56
@harald: fürwahr, religion ist ein wundervoller kreativer suppentopf an ideen und geschichten (und vermutlich auch märchen). und besonders das christentum. meiner ansicht nach auch durchaus ein grund für seinen erfolg. die besten stories gewinnen halt nun mal anhänger.
für mich gehört religion auch zur allgemeinbildung, e.g. bin ich dank meiner sehr religösen eltern auch durchaus bibelfest. die frage ist, da auf der anderen seite mit religion soviel schindluder betrieben wird und - auf einer meta-ebene betrachtet - es (vermutlich) keinen gott gibt ("mormone wäre die richtige antwort gewesen!"), ob es sinnvoll ist, diese an kinder weiterzugeben. erzählst du deinem kind die bibelgeschichten (oft ja superspannend und manchmal ziemlich evil) oder vermeidest du das lieber und wartest auf eigenbildung bzw. siehst du nicht-bildung als ein gutes ding an, in diesem fall?
@bernhard:
ich kann hierzu nur mein alte lieblingsfabel posten:
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als die sonne sehr jung war
...lebte sie im innern eines großen berges. sie hatte ein atemloch, welches sich zu einer ebene hin öffnete, wo das kaninchenvolk lebte.
coyote pflegte die kaninchen auf jener ebene zu jagen. er pinkelte gewöhnlich in ihre höhlen, um sie herauszutreiben. niemand konnte seine stinkende pisse sehr lang ertragen. eines tages entdeckte er während der jagd das atemloch der sonne und pißte also rein. als sie nichts tat, hielt er sein ohr dicht an das loch und horchte. er hörte ein fernes rumpeln. muß ein sehr großes kaninchen sein, dachte er.
deshalb ging er und soff einen halben fluß und pinkelte den ins loch. dampf begann daraus hochzusteigen. dann rumpelte und bebte der boden.
coyote lief davon. das war kein kanickel, entschied er, das mußte eine art monster sein. er verbarg sich hinter einem salbeigestrüpp und beobachtete.
der berg klaffte auf, und die sonne schoß hoch in den himmel. es wurde licht!
coyote schaute auf seinen penis, dann tätschelte er ihn liebevoll: oh, du bist sehr mächtig, sagte er. daß sowas geschieht, das schaffst nur du.
und so war das damals, in alten zeiten.
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lena | 16.04.2009 01:09
schön, wie einig ihr euch doch seid, ich gratuliere.
aber ehrlich: ja, ich bin anderer meinung. ich halte wenig von mahers interview-taktik (herr könig mag es für super befinden, wenn ein gesprächspartner permanent rüde unterbrochen wird, ich halte das für unhöflich und sehr sehr unlustig), und mir stieß es sehr bitter auf, wie der film mit religion umgeht, welche menschen zu interviews gebeten wurden um sie dann systematisch lächerlich zu machen.
aber! abgesehn davon, finde ich diese rezension einfach schlecht. entschuldige bernhard könig, ich mag sonst was du schreibst sehr, aber wie WIE kommst du auf die idee sachen wie "Man sollte, korrigiere: darf, Religion nicht ernst nehmen. Es gibt faktisch keine Gründe, Religion auch nur zu tolerieren (auch wenn Maher solche Gründe in einer der ersten Szenen nennt). Denn: Religion ist nicht nur blanke Dummheit, Religion ist gefährlich." zu schreiben?
denkst du ernsthaft, dass es keine kriege mehr gäbe, ohne religion? dass fundis nicht andere gründe finden würden, um zB frauen zu unterdrücken? oder sich gegenseitig niederzubomben? denkst du das wirklich?
was mich am meisten ankotzt, ist diese engstirnige und strunzdumme haltung, die du da offenbart hast: schaffen wir das ab, und die welt ist heil. glaubt alle, was ich glaube (und zwar an garnichts, denn ich bin ein braver atheist) und alles wird gut, oder wie?
Ralph | 16.04.2009 02:40
@Harald: Ralph Waldo Emerson (und ich habe keine Ahnung wer das ist;-) sagte mal: Die Religion eines Zeitalters ist die literarische Unterhaltung des nächsten.
@Lena: Du hast natürlich recht, dass Religion wie alle Krankheiten nicht das eigentliche Problem, sondern die Lösung ist mit dem Problem umzugehen. Natürlich wird das Ende der Religionen nicht Fundamentalismus und Unterdrückung stoppen, sondern nur das Ende des Fundamentalismus und der Unterdrückung selbst. Aber ich denke, dass der Ansatz über die Bekämpfung der Religion selbst, die lehrt tradierte Werte ungefragt zu übernehmen, ein guter Ansatz ist. So gesehen muss ich Bernhards Kritik jetzt ein bisschen verteigigen. Obwohl ich den Film nicht gesehen hab;-)
Bernhard | 16.04.2009 18:10
Lena, wie kommst du darauf dass ich glaube, es würde keine Kriege mehr geben, wenn es Religion nicht mehr gibt? Das habe weder ich noch Maher behauptet. Religion ist aber unzweifelhaft einer der zentralen Treiber von Gewalt und Krieg. Und das besonders gefährliche an ihr ist ihre Irrationalität, die eine Einigung zwischen "verfeindeten" Glaubensrichtungen schier unmöglich macht. Ich weigere mich Religion einfach Religion sein zu lassen, nur weil eine Entmachtung derselben nicht alle Probleme dieses Planeten lösen würde. Und besonders weigere ich mich, Religionsgemeinschaften mit Samthandschuhen anzufassen. Solange Menschen im Namen Gottes Attentate verüben und als Antwort ein amerikanischer Präsident, ebenfalls im Namen Gottes, seine Armeen in diese Welt entsendet, haben wir ein riesiges Problem. Solange Menschen verfolgt oder zumidnest von der Gesellschaft ausgestossen werden, weil sie sich erdreisten, zB Homosexuell zu sein, haben wir ein riesiges Problem. Solange die Kirche die Macht hat, Menschen ein Verhalten zu diktieren, das tagtäglich zur Ausbreitung von Seuchen wie AIDS beiträgt, haben wir ein riesen Problem. Wenn über viele Jahrhunderte erkämpfte Rechte wie freie Meinungsäusserung wieder in Frage gestellt werden, um irgendwelche religösen Gefühle zu schützen, haben wir ein riesen Problem. All das passiert, weil Menschen an vollkommen irrationale Dinge glauben. Und weil dieser Glaube nicht etwa die Nächstenliebe stärkt, sondern viel häufiger in Rassismus, Intoleranz und Hass mündet. Mit dem Segen Gottes, selbstverständlich. Und genau deshalb ist eine Welt ohne Religion eine bessere Welt. Sicher noch lange keine perfekte, aber genausogut könnte man Rassismus einfach so hinnehmen, nur weil dessen Ausrottung nicht alle Probleme löst.