OT: Les Nuits Rouges du Bourreau de Jade
FETISCHTHRILLER: BE, FR, HK, 2009
Regie: Julien Carbon, Laurent Courtiaud
Darsteller: Frédérique Bel, Carrie Ng, Carole Brana, Jack Kao
Die französische Killerin Catherine (Frederique Bel), die sadistische Kunsthändlerin Charri (Charrie Ng) und die Hongkong-Mafia unter Anführung ihres Bosses Ko (Jack Kao): Sie alle sind hinter einer kostbaren Schatulle mit einem Jade-Flakon hinterher, in dem sich ein geheimnisvolles Gift befindet. Die Flüssigkeit, die bereits den alten chinesischen Kaisern bekannt war, ist lähmend, Schmerz steigernd und führt in richtiger Dosierung zu einem langsamen, qualvollen Tod bei völligem Bewusstsein. Irgendwie verirrt sich auch noch die ebenso nette, wie harmlose Britin Sandrine (Carole Brana) in das finstere Treiben aus dunklen sexuellen Obsessionen, Intrigen, Folter und Mord. Kann das wirklich gutgehen?
Der aus dem Jahre 2009 stammende Thriller RED NIGHTS ist das Regiedebüt von Julien Carbon und Laurent Courtiaud. Die beiden Franzosen waren zuvor in Hongkong als Drehbuchautoren tätig und haben nach eigener Aussage einfach all das in den Film hineingepackt, was ihnen selbst Spaß bereitet. Schelmisch grinsend nennen sie als Beispiel Dinge wie "ein trockener Martini". Tatsächlich gehört das Lieblingsgetränk von James Bond zu den wenigen eher harmlosen Bestandteilen in diesem wüsten Genrecocktail. Scheinbar interessieren sind die beiden Filmemacher neben einer Verbindung von französischer Erotik und asiatischer Exotik auch besonders für BDSM und Extremfetisch, stylische Gialli und Neo-Noirs, blutrünstige Cat-III-Filme und Torture-Porns. Das Ergebnis ist jedoch nicht der neueste französische Extremschocker, sondern eher ein vergnüglicher Augenschmaus für Freunde abseitiger Pop-Art.
Es gehörte zu den besonderen Verdiensten des italienischen Giallo zu zeigen, dass Gewalt so richtig sexy sein kann. Bereits Mario Bavas Ur-Giallo BLUTIGE SEIDE (1964) machte zudem deutlich, dass in solch einem Film die Handlung nur ein Vorwand für die spektakuläre Inszenierung schöner Frauen, farbenprächtiger Schaufensterpuppen und bizarrer Morde ist. Wirkliche Spannung kam da weniger auf, aber die Verbindung aus poppig-knalliger Technicolor-Farbenpracht und einem passenden atmosphärischen Score machen BLUTIGE SEIDE bis heute zu einem audiovisuellen Meisterwerk, an dem kein wahrer Cinephiler vorbei kommt. All diese Tugenden haben sich auch Julien Carbon und Laurent Courtiaud bei RED NIGHTS zu eigen gemacht. Und spätestens wenn knallrote Schaufensterpuppen ins Bild rücken, ist die Inspiration durch Großmeister Bava offenbar.
Auch Dario Argentos Edel-Giallo DEEP RED (1975) wird in einer der garstigsten Szenen des Films sehr direkt zitiert. So richtig derbe wird RED NIGHTS trotz einiger bizarr-brutaler Szenen jedoch nur sehr selten. Exemplarisch für die besondere Tonart des Film ist die Eröffnungsszene. Dort zeigen die beiden Regisseure, dass sie ihre Lektion in Sachen erotisierter Gewalt durchaus gelernt haben. Aus dem gezeigten bizarren Spiel wird erwartungsgemäß bitterer Ernst. Doch als schließlich Blut zu fließen beginnt, ist dieses nicht naturalistisch-realistisch, sondern so dickflüssig und künstlich, wie in den Filmen der siebziger Jahre. Wichtig ist den Machern offensichtlich kein erhöhter Ekelfaktor, sondern ein dem nun folgenden Filmtitel perfekt entsprechender Blutfarbton.
RED NIGHTS besticht durch die grandiose Verbindung der hochästhetischen Bilder des Cinematographen Man-Ching Ng (GEFAHR UND BEGIERDE, 2007) und des gelungenen Scores von Alex und Willie Cortés (MARTYRS, 2008). Die Tatsache, dass diese Künstler zuvor bereits an solch herausragenden, wie verschiedenartigen Filmen, wie Ang Lees Neo-Noir-Drama und Pascal Laugiers Extrem-Torture-Porn gearbeitet hatten, passt zu den weit gesteckten Referenzen von RED NIGHTS. Seine extremste Szene wirkt wie eine Verbindung aus TOKYO DECADENCE (1992) und MARTYRS im Geiste der Pop-Art.
RED NIGHTS ist reine Oberfläche. Selbst wenn der Film in so abgründige Ebenen abdriftet, so bewahrt das Treiben immer eine gewisse Harmlosigkeit, die zeigt, dass hier nur Spaß gemacht wird. Dies ist Stärke und Schwäche zugleich. Einerseits zeigt RED NIGHTS einige der extremsten Szenarien ohne, dass man eine Kotztüte parat halten müsste. Andererseits ist die Handlung aber auch so banane, dass die mit gut 90 Minuten recht knapp bemessene Spielzeit trotzdem öfter recht lang zu werden droht.
Wenn Lady Gaga eines Tages auf die Idee kommen sollte einmal ein Video in Hongkong mit Takashi Miike als Regisseur zu drehen, dann sähe das Ergebnis wahrscheinlich nicht unähnlich, wie RED NIGHTS aus. Der Film verbindet bizarre Erotik mit asiatischer Exotik, plündert alle stylischen Thrillergenres von Giallo bis Neo-Noir und zeigt, dass auch ein Torture-Porn nicht ohne Pop-Appeal auskommen muss. Nur selten langweilt man sich so gerne, wie bei dieser französisch-fernöstlichen Koproduktion. RED NIGHTS erscheint am 22. Februar bei Mad Dimension auf Deutsch auf DVD und auf BluRay. Bei der Scheibe, die unter anderem auch den gleichfalls sehenswerten Kurzfilm "Betrayal" enthält, handelt es sich offensichtlich um ein Repack einer bereits zuvor erschienenen Veröffentlichung von Koch Media, die jedoch bereits out of print zu sein scheint.