BOLLYWOOD: Indien, USA, 2011
Regie: Anubhav Sinha
Darsteller: Shah Rukh Khan, Kareena Kapoor, Arjun Rampal, Armaan Verma
Weil sein kleiner Sohn Bösewichter so cool findet, entwickelt der tolpatschige Videospieldesigner Shekhar in seinem neuesten Game RA.ONE, einen schier unbesiegbaren, gestaltwandlerischen Unhold. Doch plötzlich erwacht eben diese Videospielfigur auch in der Realität zum Leben und Shekhar überlebt die erste Begegnung mit der eigenen Programmierung nicht. Und der außer Kontrolle geratene RA.ONE verfolgt ein weiteres schreckliches Ziel: Er möchte auch Shekhars Sohn vernichten, da er ihn als Bedrohung ansieht. Ein Glück, dass auch Shekhars für das Gute streitende, mit Superheldenfähigkeiten ausgestattetes Computerspiel-Alter Ego "G.One" zum Leben erwacht ist...
Seit meiner Frau die Lust an Splatter- und Horrorfilmen bedauerlicherweise vergangen ist, sind die gemeinsamen Filmabende rar geworden. Da ich aber ihre guilty pleasures für Bollywood im Allgemeinen und Shah Rukh Khan im Besonderen kenne, habe ich zur Rettung der Ehe flugs dessen neuesten Film RA.ONE besorgt. Dem Cover und dem Pressetext nach zu urteilen, dürfte es sich hierbei nicht um eine melodramatische Herzschmerzüberlänge, sondern um einen SciFi-Action-Mix handeln, in dem SRK (steht fürderhin für Shah Rukh Khan) einen Superhelden mimt. Okay, das sollte meinem filmisch betrachtet eher abseitigen Gemüt etwas weniger Schmerzen bereiten als die Liebesfilm-Alternative ...
... oder sollte sich dies letzten Endes als fataler Trugschluss erweisen?
Im Übereifer des perfekten Galans nämlich habe ich es im Vorfeld versäumt vorher RA.ONE's Werte auf der imdb zu checken. Das tat ich erst kurz vor dem bereits vereinbarten Filmabend, der ganz im Zeichen von SRK stehen sollte. Ich sah die Bewertungen - die wohl größte, weil sage und schreibe dreitausendeinhundertundzwanzig (!) Tiefstwertungen umfassende 1 Stern-Ansammlung, die mir je untergekommen ist und mir wurde doch etwas mulmig zumute. Ja, mich ereilte gar das kalte Grausen, als ich der Filmlänge von 150 Minuten gewahr wurde...
RA.ONE, seines Zeichens der teuerste Film, der je in Indien produziert wurde, scheint so ziemlich weltweit durchgefallen zu sein. Von den US of A über France bis ins United Kingdom gingen die Daumen geschlossen nach unten. Ja, selbst in SRKs Heimatland, wo man SRK bekanntermaßen wie einen Halbgott - ach was, wie einen hauptamtlichen Vollgott verehrt- hat man RA.ONE gnadenlosen dem Verriss preisgegeben. Und vieles was da in den empörten, enttäuschten und oftmals richtigehend wütenden Kommentaren zu lesen ist, lässt sich auch nicht so leicht von der Hand weisen.
RA.ONE ist tatsächlich der Versuch einer indischen Antwort auf Hollywoods Science Fiction- und Marvelhelden-Blockbuster und dabei ungefähr so eigenständig wie die Doktorarbeit vieler deutscher Politiker. Es ist eine zweieinhalbstündige Plagiatswut, die mal bei TRON, mal bei SPIDER-MAN und vor allem bei TERMINATOR 2 wildert. Die ganzen irgendwoanders entliehenen Versatzstücke werden dann mit kindischem Humor und verhältnismäßig sparsam eingesetzten Tanz- und Gesangsnummern gestreckt, da in diesem Bollywoodstreifen das Hauptaugenmerk auf der Action-Komponente liegt. Die Qualität der dabei massiv eingesetzten Special Effects reicht dabei von "Nicht Hollywood-konkurrenzfähig" bis zu "Nicht übel".
Am besten haben mir in diesem Kontext die adrenalintreibenden Szenen, als der böse RA.ONE im Sprint und per Motorrad Shekhars Witwe und Sohn durch den indischen Feierabendverkehr hetzt. Hingegen hat mich das andere große FX-Feuerwerk, an dessen Ende der rechtschaffene Superheld "G.One" einen sich auf Amokfahrt befindlichen führerlosen Zug mit bloßer Hand stoppt, eher gelangweilt. Sorry, so etwas hatte schon bei meinen alten, zerfledderten Superman-Comics einen Bart. Auch das finale Duell zwischen RA. und G.ONE hat mich nicht unbedingt vom Hocker gerissen. Ein Beat-em up mit viel Zoosch! und Klonk! macht einfach mehr Spaß, wenn man's selber auf der Konsole spielt.
Doch ist RA.ONE nicht die befürchtete 24 Millionen Dollar-Niete. Trotz der vielen Klischees und den zahlenmäßig fast ebenbürtigen ach so frivol- unverschämten Kalauern, welche allerdings wohl nur im prüden Indien südlich der Gürtellinie liegen und hierzulande wohl keinem Vorschüler mehr die Schamesröte ins Gesicht treiben dürften, jagt RA.ONE allerdings recht kurzweilig durch seine zugegebenermaßen alles andere als komplexe Handlung. Die ersten hundert Minuten ziehen demnach überraschend schnell am Zuschauer vorbei und ja, auch der Titel gebende Bösewicht hat ein paar Momente.
Wenn man allerdings KRRISH, jenen anderen bekannten indischen Superheldenfilm, mit Hrithik Roshan in der Hauptrolle, zum Vergleich heranzieht, wird deutlich, dass RA.ONE eines fehlt, was KRRISH noch im Überfluß hatte. Magie. KRRISH ist ein kunterbunter, verspielter Trip, der in jeder Filmminute den naiven, aber faszinierenden Zauber des klassischen Bollywood-Kinos zu transportieren versteht. Dagegen wirkt der klischeestarrende und tief in seiner Effektkiste steckende RA.ONE fast schon seelenlos steril. Es passt daher irgendwie ins Bild, wenn der tolpatschige, aber warmherzige Familienvater Shekhar schon nach einem Drittel als Hauptfigur von einem Roboter abgelöst wird.
Die DVD von REM erfüllt aber wieder alle Erwartungen und ist gewohnt liebevoll aufgemacht, so dass sie sich in jedem SRK-Schrein gutmachen sollte. Ach ja, und meine Frau, die sich in Bollywood etwas besser auskennt als der Verfasser dieser Zeilen, hat der Film gefallen. Von daher könnten die Anhängerinnen von SRK vielleicht einen Blick riskieren. Auch wenn die Action die Romantik bei RA.ONE klar aussticht; das Sixpack ist beim mittlerweile ja auch schon auf die 50 zurennenden Khan immer noch klar definiert.
Der große indische Superstar Shah Rukh Khan spielt einen Superhelden im teuersten Bollywood-Actionfilm aller Zeiten und das leider nicht so überzeugend wie man sich das gewünscht hätte. Die Bollywood-Magie geht etwas verloren im Effekt- und Actionfeuerwerk. Und es gibt mehr Stunts als Tanz in RA.ONE, einem indischen Überlängenfilm, der sich von TRON bis TERMINATOR 2 schamlos bei Hollywoods Blockbustern bedient, aber alles ein paar Nummern naiver und kindischer anbietet. Dennoch ist RA.ONE über weite Strecken erstaunlich kurzweilig geraten, so dass man ihm einen gewissen Unterhaltungswert nicht absprechen kann.