OT: Prometheus Triumphant: A fugue in the key of flesh
CLASSIC HORROR / DRAMA: USA, 2007
Regie: Jim Towns & Mike McKown
Darsteller: Kelly Lynn, Josh Ebel, Shawn Morgan, Dave Yarborough
Als die Pest in einem früheren Jahrhundert nach Deutschland kommt, fällt in der Bezirksstadt auch die hübsche Esmeralda der Seuche zum Opfer. Als die Stadt völlig entvölkert ist, kommt eine maskierte Gestalt an Esmeraldas Grab und exhumiert ihren Leichnam - mit dem Ziel sie ins Leben zurückzurufen, um die einstige Liebe wieder aufblühen zu lassen
KRITIK:Anno 2009, wo Filme immer mehr zu rasant geschnittenen Videoclips mit gigantischen, millionenschweren Effektorgien verkommen und das Publikum nach teurer, perfekter, am besten starbesetzter Unterhaltung - oder einem deftigen Torture Porn-Schäferstündchen - verlangt; wo Qualität an der Budgetgröße oder - Stichwort: Remakes - an der amerikanischen Herkunft des Films gemessen wird, den Versuch zu starten, den gemeinhin schon seit einem bald tatsächlichen Jahrhundert als vermodert geltenden klassischen Stummfilm nach Art des Deutschen Expressionismus zu reanimieren, darf wohl - gelinde gesagt - als gewagt bezeichnet werden.
Aber genau dieses Wagnis ist eine Gruppe junger Independentfilmemacher aus Pittsburgh (wo vor vierzig Jahren schon mit NIGHT OF THE LIVING DEAD Filmgeschichte geschrieben wurde) eingegangen. Das Ergebnis ist der über einen Zeitraum von drei Jahren entstandene PROMETHEUS TRIUMPHANT, der uns aufgrund von Stil und Optik fast 100 Jahre in der Zeit zurück zu den Werken von Wiene, Lang, Leni und Murnau schießt.
Das Bild ist schwarz/weiß; in den Rückblenden Seppia. Es ist ein Stummfilm. Betont übertriebene Gesten- und Mienenspiele ersetzen das gesprochene Wort, während sich auf der Tonspur die hypnotische, meist auf einem Klavier dargebotene Musik von Lucien Desar erhebt. Dann wären da noch die dann und wann erscheinenden Texttafeln, die die Geschichte erzählen.
Sicherlich werden jetzt einige Leser - wie jene User, die PROMETHEUS TRIUMPHANT zu einem derzeitigen Notenschnitt von 3,7 auf imdb verholfen haben - abfällig die Nase rümpfen und sagen, dass Urgroßvaters Zeiten schon lange vorbei sind; nach dem Motto, wer braucht im 21. Jahrhundert noch so einen Käse, wenn doch Hollywood gerade das nächste Marvel-Comic oder die Abenteuer einiger Roboter aus´m Spielzeugladen für eine dreistellige Millionendollarsumme verfilmt.
Andere werden sich denken, wenn ich so etwas haben will, schaue ich mir eben DAS CABINET DES DR.CALIGARI noch mal an. Aber da ich weiß, dass es unter unseren geschätzten Lesern doch einige wagemutige, aufgeschlossene Filmfreunde gibt, werde ich PROMETHEUS TRIUMPHANT trotzdem einfach mal näher vorstellen.
Wie gesagt, das Experiment der Herren Towns und McKown ist ein gewagtes, fast schon eines - siehe imdb -, das zum Scheitern verurteilt ist. Aber es ist auch ein sehr mutiges, ambitioniertes und eines, das dem Mainstream deutlich und recht kunstfertig den Finger zeigt.
PROMETHEUS TRIUMPHANT ist ein mit äußerst schmalem Budget gemeistertes Independentprojekt. Trotzdem ist es den Machern mit moderner, digitaler Filmausrüstung gelungen, den Look und das Feeling eines alten Stummfilms, der in einer längst vergangenen Zeit spielt und entstanden ist, sehr gut zu imitieren. Die paar Male, wo ein Set oder ein Kostüm etwas billig aussieht oder nicht in das Jahrhundert der Handlung passt, sind angesichts der unabhängigen, selbstfinanzierten Herkunft des Projekts zu verschmerzen. Zumal die Illusion eines von der Pestilenz entvölkerten und von seltsamen Phantomen durchstreiften Deutschland eines früheren Jahrhunderts weitgehend überraschend glaubwürdig aufrecht erhalten wird.
Denn wenn man sich auf PROMETHEUS TRIUMPHANT einlässt, betritt man rasch eine völlig andere traumartige Welt, die zugleich düster, aber von eindringlicher morbider Schönheit und Melancholie ist.
Und das ist PROMETHEUS TRIUMPHANT. Pure morbide Poesie, welcher der nekrophil angehauchte Geist Edgar Allan Poes innewohnt, wenn er uns in seinen Werken verklärt von verstorbenen Geliebten berichtet hat. Aber es lassen sich in diesen faszinierenden 78 Minuten noch weitere klassische Horrormotive wie etwa jenes von FRANKENSTEINS BRAUT entdecken. Es ist schon erstaunlich, was die jungen Filmemacher hier auf die Beine gestellt haben. Denn in vielen Szenen entwickelt das Werk - gerade wegen seiner ungewöhnlichen Optik und Atmosphäre - wirkliche Bildgewalt, die man in dieser ausgeprägten Form wohl in sehr wenigen Independentstreifen finden wird. In vielen morbiden und surrealen Szenarien haben Towns und McKown, den Prometheus nicht nur zum Leben erweckt, sondern lassen ihn wahrhaft triumphieren.
Entscheidenden Anteil daran hat auch die geniale Musikuntermalung von Lucien Desar. Da sind überwiegend hypnotische Klavierstücke, aber auch mal ein Solocello, dem beinahe Metal-artige Riffs entlockt werden und ganz am Ende beim Totentanz von Schöpfer und Werk ein berauschendes, festliches, klassisches Stück.
Doch nach all der Euphorie noch ein Wermutstropfen: Besonders im letzten Drittel finden sich ein paar Szenen, die doch sehr in die Länge gezogen wirken. Eine Straffung wäre hier ratsam gewesen, denn der Fluss der Geschichte ist gegen Ende schon ein paar Mal ins Stocken geraten.
Wie dem auch sei, ein faszinierendes Filmerlebnis für den acquired taste bleibt PROMETHEUS TRIUMPHANT dennoch. Danke dafür an die wagemutigen Independentfilmer aus Pittsburgh.
Independentfilmemacher aus Pittsburgh gaben dem Begriff "Retro" eine ganz neue Bedeutung und machten sich im 21. Jahrhundert daran, den klassischen Stummfilm nach Art des deutschen Expressionismus (!) aus seinem hundertjährigen Schlaf zu erwecken. Daraus wurde PROMETHEUS TRIUMPHANT. Ein Film, der wohl von Geburt an dazu verdammt ist, missverstanden und belächelt zu werden. In meinen Augen ist dieses Werk allerdings ungemein faszinierend. Eine morbide Reise zurück in eine Zeit, als Deutschland von der Pestilenz heimgesucht wurde und maskierte Phantome in entvölkerten Städten versuchen, ihre von der Seuche dahingeraffte Liebe wieder ins Leben zurückzuholen. PROMETHEUS TRIUMPHANT ist melancholisch, düster, morbid, aber irgendwie auch wunderschön. Ein nekromantischer Traum von der unsterblichen Liebe. For the acquired taste only!