SPLATTER/MUSICAL/KOMÖDIE: USA, 2006
Regie: Lloyd Kaufman
Darsteller: Jason Yachanin, Kate Graham, Allyson Sereboff, Ron Jeremy, Lloyd Kaufman
Arbie ist frustriert, weil sich seine Jugendliebe Wendy auf dem College in eine militante vegane Kampflesbe verwandelt hat. Aus Protest nimmt er einen Job als "Kassengirl" bei American Chicken Bunker an. Weil der vom ehemaligen Ku Klux Klan-Mitglied General Lee Roy gegründete Fastfood-Tempel ausgerechnet auf einem alten Indianer-Friedhof steht, fahren die wütenden Geister der toten Rothäute ins frittierte Hühnerfleisch. Mit schmerzhaften Konsequenzen für die hungrige Kundschaft: Bald wird die beschauliche Kleinstadt Tromaville von wild gewordenen Indianer-Hühner-Zombies überrannt ...
"The chicken... the chicken has declared jihad on us all."
Wer hätte damit noch gerechnet? Auf seine alten Tage hat Troma-Mastermind Lloyd Kaufman ein weiteres Meisterwerk geschaffen, das man in einem Atemzug mit dem legendären TOXIC AVENGER und dem auch von seriösen Medien wohlwollend aufgenommen TROMEO AND JULIET nennen muss.
POULTRYGEIST - NIGHT OF THE CHICKEN DEAD komprimiert in den 100 Minuten seiner Laufzeit alles, aber absolut alles, was das New Yorker Independent-Studio seit über 30 Jahren am Leben hält. Er fällt wirklich schwer, für dieses Nonstop-Feuerwerk an aberwitzigen Einfällen, an hirnrissigen, aber auch stellenweise ziemlich cleveren Gags, an Musical-Einlagen, Geschlechts- und Spezies-übergreifenden Sex-Szenen, völlig absurden Guts- and Gore-Exzessen und fontänenweise verspritztem Blut und anderen Körperflüssigkeiten angemessene Worte zu finden.
Bluthündchen können jedenfalls die Sektkorken knallen lassen: POULTRYGEIST ist zumindest Tromas FROM DUSK TILL DAWN, wenn nicht gar Tromas BRAINDEAD. Mit Hommagen an NIGHT OF THE LIVING DEAD, POLTERGEIST, Michael Jacksons Thriller-Video und der beschissensten Toilette seit TRAINSPOTTING.
Aber das Over the Top-Funsplatter-Feuerwerk ist nur die eine Seite der Medaille. Zwischen den wahrlich unfassbaren Schauwerten ist deutlich zu spüren, dass Lloyd Kaufman der Welt etwas sagen will. Dem überzeugten Vegetarier ist die Kritik am amerikanischen Fastfood-Business offenkundig ein Anliegen. Ähnlich wie sein ungleich seriöserer Kollege Richard Linklater wurde auch Lloyd Kaufman durch die Lektüre von Eric Schlossers Bestseller Fast Food Nation zu einem Film inspiriert, der die Schattenseite des Appetits der Amerikaner auf faschierte Gatschlaberln - ähm - analysiert.
Zwei Jahre lang hat Kaufman nach eigenem Bekunden an diesem Film gearbeitet, und zwar unter Bedingungen, für die das Wort "prekär" noch beschönigend klingen: Wenn man einem Interview Glauben schenken darf, hat er seine Pensionsvorsorge aufgelöst und das Geld in den Film investiert. 400.000 Dollar hat POULTRYGEIST gekostet - und an den amerikanischen Kinokassen nur einen Bruchteil davon wieder eingespielt.
Kaufman nahm das Scheitern mit Humor: Auf DVD beginnt der Film auch mit einer - gestellten - Kino-Galapremiere vor völlig leeren Sitzreihen. Gefolgt von einem gut gemeinten Ratschlag an die Raubkopierer und Downloader dieser Welt, doch bitte per Fenstersprung ihrer parasitären Existenz ein Ende zu setzen. Eine Aufforderung, der sich der Autor dieser Zeilen gerne anschließt, eh klar.
Fans hingegen bestellen noch heute. Und zwar die beim österreichischen Label Shock Entertainment erschienene Uncut-Edition. Das Teil glänzt mit einem dem Sujet angemessen bescheuerten Artwork auf Schuber. Audiokommentar, Deleted Scenes, ein alternatives Ende und vier hübsche Sammelkarten runden die schöne Veröffentlichung ab.
Musical, Sex-Klamauk, Splatter-Komödie und, ja, gelungene Gesellschaftsatire: Ein spätes Meisterwerk straight outta Tromaville, mit den wahrscheinlich absurdesten und lustigsten Geschmacklosigkeiten, die je auf Zelluloid (ja, wirklich) gebannt wurden.
In diesem Sinne: "America isn't ready to accept a gay Mexican chicken sandwich."