ACTION: USA, 2007
Regie: Gore Verbinski
Darsteller: Johnny Depp, Geoffrey Rush, Keira Knightley, Bill Nighy, Chow Yun-Fat
"Hast du Angst, nass zu werden?" - Wer diese Frage von Davy Jones bejahen kann, sollte dem dritten Teil von Walt Disneys Piratensaga lieber fern bleiben - diesmal geht es bis ans Ende der Welt, um den guten, alten Captain Jack aus dem Reich der Toten zurückzuholen, nachdem er in Teil 2 von einem Tintenfisch mit grober Persönlichkeitsstörung bei lebendigem Leibe verspeist wurde. Doch weil man über 3 Stunden Film damit allein nicht füllen kann, gibt es noch ganz andere, karibische Probleme: Lord Beckett konnte sich Davy Jones Herz bemächtigen und schickt sich an, damit eine erbarmungslose Herrschaft über die Meere zu erreichen.
KRITIK:Entsprechend düster und vielversprechend beginnt At World's End - Massenhinrichtungen, Versammlungsverbot, Menschenjagd. Wer davon in Folge aber mehr erwartet, sitzt definitiv im falschen Film. Zwar hat es Gore Verbinski auch in den bisherigen Filmen verstanden, auch mal etwas tiefer zu gehen und nicht nur einen simplen Abenteuer- und Actionfilm zu bieten - doch trotz allem steht die Reihe ganz offen dazu, schlichte Blockbuster-Unterhaltung zu sein - das bekam Gore Verbinski bisher auch ausgezeichnet hin und man kann und darf daher auch diesen Film genau nach diesem Maßstab beurteilen.
Dead Man's Chest war durchaus eine positive Überraschung und ein würdiger Nachfolger des Originals, wenn auch erwartungsgemäß nicht am selben Level. At World's End hingegen entwickelt sich sehr schnell zu einer Enttäuschung. Wieder verstricken sich die Drehbuchautoren Elliott/Rossio und Regisseur Verbinski in ziemlich zähes Storybuilding - das diesmal aber kaum von erfrischenden Action-Sequenzen unterbrochen wird.
Dialoge und heftige Knotenbildung im Erzählstrang dominieren das Geschehen. Im erneut überambitionierten Versuch, möglichst viel Story in diese Abenteuer-/Fantasy-/Action-/Horror-Mischung zu bringen, verläuft man sich dieses mal endgültig in den selbst geschaufelten Untiefen. Es könnte ein Fehler gewesen sein, Teil 2 und 3 praktisch gleichzeitig zu drehen - auch die "Matrix"-Reihe ist an einem derartigen Vorgehen elendig zugrunde gegangen.
Nun, so schlimm wie in Matrix stehen die Aktien hier definitiv nicht, aber trotz allem haben wir hier einen Film der vergebenen Chancen. Denn ganz ehrlich: wie viele Filme in den letzten Jahren konnten sich derart gesegnet fühlen, gleich drei außergewöhnlich starke Charaktere im Line-Up zu haben: Barbossa, Davy Jones und natürlich Jack Sparrow. Jeder eine äußerst vielschichtige wie charismatische Figur, jeweils geradezu verschwenderisch tiefgründig für einen Blockbuster.
Doch genau hier fangen die Probleme bereits an: ist man gerade begeistert von Geoffrey Rushs Performance als Barbossa, steht schon wieder ein Auftritt von Jones an. Gerade als man sich begeistert zeigt, wie perfekt Mimik und Gestik dieser 100 % computeranimierten Figur dargestellt werden, darf man sich schon wieder über Captain Jack amüsieren. Und ja, leider gibt's da auch noch so einiges über Will und Elizabeth zu berichten, Vaterkonflikte gehören auch noch aufgearbeitet - und so verdrängen die - vergleichsweise langweiligen - Nebendarsteller die ohnehin schon um Leinwandpräsenz ringende Hauptdarstellerriege.
Es gibt einfach zu viele wiederkehrende und neueinsteigende Charaktere - und Gore Verbinski sieht man es an, dass er gerne jeden einzelnen bis ins Detail ausgearbeitet hätte. So aber bekommen wir leider ausgerechnet von Rush viel zu wenig zu sehen, der in diesem Film sogar Johnny Depp in die schauspielerischen Schranken verweist.
Schwer vermisst werden auch kreative und frische Action-Szenen, wie man sie in Dead Man's Chest zu Hauf zu Gesicht bekam. Denkt man sich die erneut spektakulären Special Effects weg, bleibt nicht viel mehr als ein wenig klassische Seeschlacht mit Kanonen und ein paar Bud-Spencer-Haudrauf-Massenschlägereien. Da gefielen Kraken-Angriffe und Wasserrad-Schwertkämpfe schon wesentlich besser.
Selbst Hans Zimmer scheint die Kreativität im Vorgänger liegen gelassen zu haben - der Soundtrack hat fast nichts Neues zu bieten, wirkt selten passend und setzt sich nie so spektakulär in Szene wie zum Beispiel im besagten Kraken-Gefecht des Vorgängers. Auch die Soundeffekte wirken eher lieblos, ja gar beliebig abgemischt.
Sogar Spannung ist eher ein Fremdwort - auch wenn einem nie langweilig wird weil es eben doch viel zu sehen gibt, ist es mehr eine intensive Art von Interesse als eben pure Spannung, die einem bis zum Ende bei der Stange hält. Doch ist jetzt wirklich alles so negativ, wie es bis hierher klingen mag
Nein. Das große Problem liegt darin, dass der Film keine Beständigkeit auf die Reihe bekommt. Dabei hat er durchaus großartige Momente. Jack Sparrow im Jenseits - beziehungsweise im Reich von Davy Jones - ist zum Beispiel eine ganz starke Szene für die es sich alleine auszahlt, sich das Kinoticket zu kaufen. Einige Gags sitzen wirklich gut und die Action-Szenen sind vielleicht banal, aber trotzdem spektakulär.
Ungut fallen hingegen Sequel-typische Superlative auf - zum Beispiel dass man in Sachen Fantasy noch dicker auftragen muss. Bisher konnte Verbinski das auch ganz gut mit Seefahrermythen und Legenden verbandeln - aber irgendwann wäre es besser gewesen, mehr Piratenfilm und weniger Fantasyfilm zu sein.
Am Ende ist es trotzdem nicht das erwartete, große Finale der Trilogie. Aus jetziger Sicht wäre es wohl auch definitiv besser gewesen, auf jegliche Fortsetzung des kongenialen ersten Teils zu verzichten.
Wenn man in Hollywood eine Lehre aus diesem Finale ziehen kann, dann diese, dass es nicht ausreicht, einfach möglichst viel Geld drauf zu hauen, bis es gut wird. Natürlich hat man dann viele hervorragende Puzzleteile - angefangen von einem mitreißenden Music-Score bis zu großartigen Schauspielern und überzeugenden Special-Effects. Doch am Ende muss man die Puzzleteile schlicht richtig zusammensetzen - in dem Fall waren es dafür aber offensichtlich im ganzen Übermut der Produzenten zu viele.
Bei aller Kritik gibt es trotzdem vier wesentliche Gründe, sich diesen Film anzusehen: Sparrow, Barbossa, Davy Jones - und dass der Film trotz allem Spaß macht. Dennoch ist es ein Film der vergebenen Chancen, die Überambition wird zum Verhängnis. Über dem Durchschnitt des üblichen Hollywood-Unterhaltungsfilmmaterials, aber deutlich unter den ersten beiden Trilogie-Teilen anzusiedeln. Schade, aber eine Empfehlung ist mir der Film nichtsdestotrotz wert.