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Phoenix

Phoenix

HISTORISCHES MELODRAM: D, 2014
Regie: Christian Petzold
Darsteller: Nina Hoss, Ronald Zehrfeld, Nina Kunzendorf

STORY:

Juni 1945: Deutschland im Jahre Null. Nelly (Nina Hoss), Auschwitz-Überlebende kehrt mit einem schwer verwundeten Gesicht nach Berlin zurück, um ihren Mann, Johnny (Ronald Zehrfeld), zu suchen. Dieser glaubt seine Ehefrau allerdings tot und macht Nelly einen makaberen Vorschlag: Sie soll ihre eigene Doppelgängerin spielen, sodass er an ihr Erbe kommen kann.

KRITIK:

Nach Barbara (2012) ist Phoenix der zweite Film der historischen Trilogie des deutschen Filmemachers Christian Petzold, welche im Jahr 2018 mit Transit vervollständig wird. Phoenix erzählt, nach dem Roman des französischen Schriftstellers Hubert Monteilhet Le Retour des cendres (1965), die Geschichte einer Frau und einem Land auf Identitätssuche.

Trotz zahlreicher filmischer Referenzen - von Die Mörder sind unter uns (Wolfgang Staudte, 1946) über Vertigo (Alfred Hitchcock, 1965) bis hin zu Die Ehe der Maria Braun (Rainer Werner Fassbinder, 1979) - gelingt es Petzold sein eignes Universum zu erschaffen, in dem er sich vorsichtig und mit einer gewissen Distanz eines der dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte annähert. So verzichtet der Filmemacher beispielsweise auf Flashbacks, welche den Schrecken der Konzentrationslager rekonstruieren.

Vielmehr konzentriert er sich auf den persönlichen Weg seiner Heldin, welcher durch das musikalische Leitmotiv Speak Low von Kurt Weill begleitet wird. Der Zuschauer folgt somit Nelly und der Rekonstruktion ihrer Identität. Ihr von einer Pistolenkugel entstelltes Gesicht wird zu Beginn des Films chirurgisch wiederhergestellt. Es scheint kein Zufall zu sein, dass der zuständige Arzt ihr zu einem neuen Gesicht rät, denn: "Es ist auch von Vorteil ein anderes Gesicht zu haben. Sie werden ein neuer, ein anderer Mensch."

Ein ausschlaggebender Satz mit welchem Petzold nicht nur auf die fragile deutsche Identität anspielt sondern auch auf den Wunsch der Nachkriegsgesellschaft einer schnellstmöglichen Normalität und somit das Scheitern der Vergangenheitsbewältigung. Die Verdrängung der nationalsozialistischen Vergangenheit wird perfekt durch die männliche Figur, Johnny, verkörpert. Eiskalt, berechnet und unfähig seine eigene Frau zu erkennen.

Die Blindheit Johnnys wurde von einigen Kritiken als unrealistisch eingestuft. Wir sollten allerdings nicht vergessen, dass Petzold sich bei Elementen des klassischen Melodramas bedient und diese rekonstruiert, um die emotionalen Dilemmata seiner Figuren klarer zu unterstreichen (persönliche Wunsche und Bedürfnisse versus die von der Gesellschaft erwarteten Verhaltensweisen). Zudem stellt das klassische Melodrama nicht den Anspruch auf eine realistische Darstellungsweise sondern bevorzugt einfachere Zusammenhänge, sodass die Moral des Filmes verständlicher ist. Trotz der Verflechtung vom Melodrama und historischem Film, schafft es der Filmemacher einen gewissen Bezug zur Gegenwart herzustellen und schreibt sich somit in das Postulat des französischen Historikers Marc Ferro ein; historische Filme sagen mehr über die Epoche aus in der sie gedreht werden, als über die Epoche, die sie eigentlich darstellen sollten.

Nelly ist das Gespenst der Vergangenheit par excellence, die immer wieder die Filme des deutschen Filmemachers durchstreifen, um die Strukturen der Gegenwart durcheinander zu bringen und zum Nachdenken anregen.

Phoenix Bild 1
Phoenix Bild 2
Phoenix Bild 3
FAZIT:

Trotz der Tendenz der deutschen Filme immer wieder historische Stoffe aufzugreifen, setzt sich Phoenix ganz klar von Mainstream-Produktionen ab. Wie immer lädt Christian Petzold zum Nachdenken ein. Nicht nur über unsere Vergangenheit, aber auch über die Gegenwart und die Gesellschaft in der wir leben. Ein sehr gelungener Film über die Illusion der Stunde Null und persönlicher Identitätssuche.

WERTUNG: 7/10
Gastreview von Janina Casciano
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