OT: Delitto poco comune
GIALLO: ITALIEN, 1988
Regie: Ruggero Deodato
Darsteller: Michael York, Edwige Fenech, Donald Pleasence
Dem ebenso erfolgreichen, wie eitlen Klavierspieler Robert Dominici (Michael York) liegen die Frauen zu Füßen. Sein Leben stürzt jedoch von einem Tag auf den anderen wie ein Kartenhaus zusammen, als er erfährt, dass er an Progerie erkrankt ist. Diese tatsächlich existierende Krankheit, die jedoch im wirklichen Leben eher Kinder trifft, führt zu einer vorzeitigen Alterung, welche die kleinen Kiddies schnell wie Opi aussehen lässt.
Mit diesem Schicksalsschlag konfrontiert regiert der 35-jährige Klaviervirtuose mit Wut und Verzweiflung. Da nicht nur sein Körper, sondern auch seine kleinen grauen Zellen rapide degenerieren, verfällt er zusätzlich immer mehr dem Wahnsinn. Und da dies ja in erster Linie ein blutrünstiger Thriller, und kein feinfühliges Drama sein soll, hat all dies zur Folge, dass Robert immer wahlloser Leute absticht.
KRITIK:PHANTOM OF DEATH geht von einer, wie ich finde, sehr interessanten Prämisse aus. Leider zeigt die Umsetzung, wie man ein Projekt trotz einer vorhandenen spannenden Grundidee ganz tief in den Abgrund reiten kann. Tatsächlich funktioniert hier fast gar nichts.
Zunächst einmal funktioniert Ruggero Deodatos Film nicht als Giallo, da der Täter und sein Motiv dem Zuschauer von Anfang an bekannt sind. Aber genau die Suche nach der Beantwortung dieser beiden Fragen ist es, die den italienischen Giallo vom amerikanischen Slasher abgrenzen. Bei letzterem beschränkt sich die Spannung deshalb alleine auf die Frage, wer denn das nächste Opfer ist. Streng genommen handelt es sich bei PHANTOM OF DEATH also um keinen Giallo, sondern um einen italienischen Slasher. Das muss jetzt ja nicht von vornherein schlecht sein. Immerhin hatte Michele Soavi mit seinem ein Jahr zuvor erschienenen STAGE FRIGHT bewiesen, dass auch aus einem simplen Slasher ein guter Film werden kann, wenn die Inszenierung stimmt.
Doch leider will PHANTOM OF DEATH nicht nur ein simpler Slasher, sondern auch ein Drama sein, bei dem es darum geht, wie der Protagonist mit seinem zunehmenden körperlichen und geistigen Verfall klarkommt. Dieser interessante Grundkonflikt erinnert sehr an DIE FLIEGE, den David Cronenberg nur zwei Jahre vor PHANTOM OF DEATH neu verfilmt hatte. Und ich vermute, dass Cronenbergs Film eine der wichtigsten Inspirationsquellen für Deodatos Giallo-Slasher-Drama war.
DIE FLIEGE ist ja auch tatsächlich ein außergewöhnlich guter Horrorfilm. Aber er ist das genau deshalb, weil seine Qualitäten sich nicht allein auf die spektakulären Ekeleffekte beschränken. DIE FLIEGE ist tatsächlich auch ein bewegendes Drama und eine tragische Liebesgeschichte. Denn parallel zu der voranschreitenden körperlichen Mutation werden wir Zeuge, wie der sehr sympathische Protagonist mit seinem fortschreitenden Persönlichkeitsverlust kämpft. Das wahre Tragik seiner Verwandlung besteht eben nicht darin, dass er sich in ein glitschiges, schleimiges Monster verwandelt. Der wahre Schock ist es, dass das Fliegenbewusstsein allmählich die Kontrolle über seinen Geist übernimmt und er am Ende zu einer Bedrohung für seine geliebte Freundin wird. Und noch tragischer ist, dass er diese Persönlichkeitsauflösung selber ganz bewusst mit erleben muss.
Wie sieht die Sache nun in PHANTOM OF DEATH aus? Hier reagiert Robert auf die von der Ärztin überbrachte schlechte Kunde damit, dass er sie mal ganz spontan niedermetzelt. Von einer körperlichen Veränderung ist da noch gar nichts zu sehen. Seine Entwicklung verläuft eher in die genau entgegengesetzte Richtung: Mit seiner rapide zunehmenden Alterung kommt der vorher oberflächliche Lebemann immer mehr ins Grübeln über die letzten Fragen von Leben und Tod. Auch solch eine durch eine tragische Krankheit initiierte innere Läuterung kann ja einen äußerst interessanten Film ergeben, wie z.B. Julian Schnabel mit SCHMETTERLING UND TAUCHERGLOCKE gezeigt hat.
Bei PHANTOM OF DEATH führt all die Rührseligkeit jedoch nie dazu, dass aus Robert ein besserer Mensch wird, sondern gipfelt stets darin, dass er mal wieder dringend jemanden abschlachten muss. Ist ja auch total verständlich, denn sonst hätten wir hier keinen Slasher. Erst ganz am Ende des Films gibt es eine Szene, wo es Deodato schafft Roberts Drang zu töten und seine neue Innerlichkeit halbwegs plausibel und auch überraschend zusammenzuführen.
Doch bis dahin muss der Zuschauer Szenen über sich ergehen lassen, wie die, in der Robert mit seinem Hund (!) spricht. Ja die Hunde, die hätten es ja soviel besser, als die Menschen, da sie nicht wüssten, dass sie sterben müssten und blablabla. Doch selbst das hätte vielleicht noch interessant werden können, würden diese Szenen von einem wirklich erstklassigen Charakterdarsteller gespielt. Doch leider ist Michael York seiner Rolle in keinster Weise gewachsen und produziert gerade in solchen Augenblicken nur unfreiwillige Komik. Das kann man dann nur noch unter der Devise "So bad, it´s good!" genießen.
Also was bleibt? Wir sehen ein paar teilweise ganz nett inszenierte Morde, wo z.B. eine Frau durch eine Glasscheibe stürzt. Das ist ja auf jeden Fall eine optisch interessante Sache. Und genau deshalb baut Meister Argento diese Szene seit PROFONDO ROSSO auch immer mal wieder gerne in seine Filme ein... Ach ja, und dann ist da natürlich noch Roberts Verwandlung, die sich in immer groteskeren Masken zeigt. Die sind teilweise auch ziemlich gelungen. Doch dass eine gute Maske allein noch keinen guten Film ergibt, hat uns ja erst vor kurzem David Fincher mit seinem ähnlich gelagertem, aber zusätzlich digital aufgepimmten DER SELTSAME FALL DES BENJAMIN BUTTON deutlich genug gezeigt.
Wirklich interessant wird PHANTOM OF DEATH eigentlich nur bei den Szenen, in denen Robert dem ihn suchenden Kommissar (Donald Pleasence) direkt vor der Nase herumläuft, jener ihn aber nicht erkennt, da seine Erscheinung schon wieder entschieden von der letzten Personenbeschreibung abweicht, bzw. er inzwischen einfach zu alt aussieht, um als anständiger Massenmörder durchzugehen. Donald Pleasence hat es in diesem Film eh nicht so einfach. Nicht nur, dass er keine Ahnung hat, wer der von ihm gesuchte Mörder ist, nein, der böse Onkel bzw. Opi droht auch noch damit seinem eigenen Töchterchen an den Kragen zu gehen.
Die meiste Zeit über wirkt Donald Pleasence in PHANTOM OF DEATH einfach schrecklich niedergeschlagen und irritiert. Und man wird den Eindruck nicht los, dass er sich hier eindeutig im falschen Film wähnt. Dabei ist der alte Haudegen sowohl abgebrüht, als auch Leid erprobt. So hatte er in Argentos 1985 erschienen PHENOMENA in der Rolle eines Insektenforschers noch völlig unbeeindruckt völligen Unsinn so überzeugend von sich gegeben, dass man am Ende das Gefühl hatte hier gerade echt was Wichtiges verstanden zu haben. Aber Deodatos Drehbuch setzt in Sachen nicht vorhandener Logik noch mal kräftig einen drauf.
Als z.B. Robert den Kommissar aus einem Café direkt gegenüber vom Kommisariat anruft und ihm das auch noch mitteilt, rennt der Donald Pleasence folgerichtig gleich nach unten. Natürlich ist Robert aber schon verschwunden. Wie zu erwarten wurde er im Café natürlich auch beim Telefonieren gesehen. Der Kommissar war Robert auch bereits bei einer Gegenüberstellung begegnet, ohne jedoch zu ahnen, dass gerade der Opa der Killer war. Aber anstatt die Leute im Café jetzt nach dem Aussehen des noch eben Telefonierenden zu fragen, rennt der Kommissar lieber auf die Straße um in wildestem Overacting einmal so richtig rumzutoben. Ich vermute stark, dass dies Donald Pleasence´s Lieblingsszene war, da er hier endlich mal den ganzen während dieses absurden Drehs angestauten Frust loswerden konnte!
Die einzig wahre Freude, die dieser Film mir bereitet hat, war das späte Wiedersehen mit der einstigen Giallo-Queen Edwige Fenech. Denn obwohl ihre Glanztage (DER KILLER VON WIEN, THE CASE OF THE BLOODY IRIS) zu Zeiten dieses ranzigen 80er Giallo-Schinkens tatsächlich schon etwas zurückliegen, sieht sie im Gegensatz zu Robert noch ziemlich frisch aus. Doch wer sich davon überzeugen will, dass die Gute nach wie vor keineswegs an Progerie leidet, der schaut sich besser gleich den ungleich gelungeneren HOSTEL 2 an. Außerdem ist Ruggero Deodato laut Wikipedia ja eh der Meinung, dass Edwige Fenech in seinem Film eine Fehlbesetzung darstellte. Da will ich ihm natürlich keineswegs wiedersprechen, denn so einen Schund hat die gute Frau wirklich nicht verdient!
Ruggero Deodato zeigt in dieser Giallo-Gurke eindrucksvoll, wie man eine an sich interessante Idee so sehr gegen die Wand fährt, dass am Ende nicht viel mehr als unfreiwillige Komik übrig bleibt.