OT: Gisaengchung
KLASSENKAMPF-SATIRE: KOR, 2019
Regie: Bong Joon-ho
Darsteller: Song Kang-ho, Lee Seon-gyoon, Cho Yeo-jeong, Choi Woo-sik
Familie Kim ist ganz unten: Ohne Job, ohne Geld, ohne WLAN in einer schimmligen Souterrainwohnung in den Slums von Seoul. Familie Park ist ganz oben: Luxusvilla, Luxusautos, allein der Kleiderschrank ist größer als die ganze Wohnung der Kims. Kim Junior wird den Parks als (falscher) Nachhilfelehrer vermittelt. Kim ist überwältigt ob des protzig zur Schau gestellten Reichtums. "Das kann alles uns gehören", denkt er sich. Und schmiedet einen gefinkelten Plan für eine Home Invasion der anderen Art ...
RAMBO. MIDSOMMAR. SKIN. JOKER. Und jetzt PARASITE: Die Highlights dieses Kinoherbstes sind Ein-Wort-Titel. PARASITE ist ein Film, der mich vor ein Dilemma stellt: Ich hätte einiges dazu zu erzählen. Aber es ist ein Film, der umso besser funktioniert, je weniger man im Vorfeld darüber weiß. Darum halte ich mich kurz - und 100% spoilerfrei, versprochen.
Nur so viel: PARASITE ist der neue Film des koreanischen Genre-Erneurers Boon Jong-ho (THE HOST, MOTHER, MEMORIES OF MURDER, SNOWPIERCER, OKJA), hat als erster koreanischer Film in Cannes die Goldene Palme gewonnen und ist jetzt in den Kinos zu sehen.
PARASITE ist natürlich großartig. Allerdings lässt er sich ein wenig Zeit, sein durchaus wahnsinniges Potential auszuspielen. Die ersten 20 Minuten plätschern etwas unaufgeregt dahin. Man hat zu Beginn noch nicht unbedingt das Gefühl, in einem der Filme des Jahres zu sitzen. Der Film setzt sich zielsicher zwischen sämtliche Stühle: Dysfunktionales Familiendrama, Home-Invasion-Thriller, pechschwarze Klassenkampf-Komödie, wendungsreicher Horrortrip. Oder anders gesagt: Unberechenbares koreanisches Kino in seiner besten Form, das all jene Versprechen einlöst, die der ebenfalls stark gehypte koreanische Film BURNING letztlich schuldig geblieben ist.
Dem fast schon zu perfekten Buch merkt man an, dass Boon Jong-ho nicht nur ein ausgezeichneter Regisseur, sondern auch ein eingefleischter Drehbuchautor ist. Spannung satt, Sozialkritik, Gewalt-Slapstick und Twists, die garantiert niemand hat kommen sehen. Und: Er ist filmisch einfach unglaublich gut gemacht. Es gibt ein paar Szenen, die Klaustrophobikern oder Menschen, die traumatische Erfahrungen mit Wasser gemacht haben, in unangenehmer Erinnerung bleiben werden.
Die mit 130 Minuten durchaus üppig dimensionierte Laufzeit vergeht wie im Flug. Am Ende hast du nicht nur das Gefühl, einen der spannendsten und ungewöhnlichsten Filme des Jahres gesehen zu haben, sondern auch einen, der deine Gehirnwindungen in alle erdenklichen Richtungen stimuliert. Wer ist hier wessen Parasit? Macht uns der Kapitalismus alle irre? Und: Ist es Zufall, dass einer der spektakulär präsentierten Twists auf beklemmende Weise mit der Nachrichten-Lage der letzten Tage kollidiert? Aber seht selbst ...
In diesem Sinne: "Die Menschen in der U-Bahn haben so einen charakteristischen Eigengeruch." - "Ich bin seit Jahren nicht mehr U-Bahn gefahren."
Auf den koreanischen Meister-Regisseur Boon Jong-ho ist Verlass: Die unberechenbare Sozial-Satire PARASITE ist ein möglicher Kandidat für den Film des Jahres. Klassenkampf, spannend, irrwitzig, grotesk, blutig.