ACTIONKOMÖDIE: USA, 2013
Regie: Michael Bay
Darsteller: Dwayne Johnson, Mark Wahlberg, Anthony Mackie, Rebel Wilson, Ed Harris
Bodybuilder und Fitnesstrainer Daniel Lugo fühlt sich zu Größerem berufen. Zusammen mit seinen Freunden Adrian Doorbal und Paul Doyle heckt er einen Plan aus - sie wollen den reichen Unternehmer Victor Kershaw entführen, foltern und ihn zwingen sein gesamtes Vermögen auf die drei zu überschreiben.
Das klappt auch, doch sie schaffen es einfach nicht ihr Opfer umzubringen. Der engagiert den Privatdetektiv Ed DuBois ihm sein Vermögen wiederzubeschaffen. Und als hätten die drei Pumper damit nicht schon genug Probleme, wird das Geld langsam knapp. Ihre Idee - was einmal geklappt hat, muss auch wieder klappen...
Okay, stellen wir als allererstes eins direkt mal klar: Michael Bay ist ein richtiger Drecksack, seine Art Filme zu machen ist obszön-verschwenderisch und seine Filme sind in der Regel ein Haufen überteuerter CGI-Schrott. Ganz zu schweigen davon, dass er das Mainstream-Actionkino mit seinem Stil so ziemlich verdorben hat. Von seinem mehr als fragwürdigen Weltbild ganz zu schweigen. Männer haben gut gebaute, muskulöse, taffe Kerle mit Bürstenhaarschnitt sein, oder sie sind nichts wert – vermutlich eine Wunschvorstellung des schlaksigen Bay. Frauen sind nichts weiter als dumme, laufende Gummipuppen mit knackigen Ärschen und prallen Titten. Und Amerika, wir sollten Amerika nicht vergessen, das großartigste Land der Erde. Daher ist es ganz wichtig sich zu merken, dass eine Einstellung in der keine amerikanische Flagge zu sehen ist, eine unpatriotische Einstellung ist. Und unpatriotische Einstellungen sind das letzte große Übel der Menschheit, neben untrainierten schwachen Männern und fetten Frauen.
Dass Bay ein Arschloch ist, sieht man sehr schön in den Extras zu PAIN & GAIN. Eines der Sets war sein Haus, denn ein anderes passendes Gebäude, das Größenwahn und extreme Egomanie so perfekt ausdrückt und als Heimstatt eines mafiösen Sex-Moguls durchgehen kann, konnte er nicht finden. Es wundert mich nicht, dass sein Haus das Passende dafür war. Im Making Of sieht man, wie Bay alle Leute zwingt Schuhüberzieher zu tragen, damit sein schöner Boden keine Kratzer bekommt. Kann ich im Prinzip schon verstehen, denn wer möchte schon, dass hunderte Leute mit ihren Straßenschuhen in der eigenen Bude rumlaufen. In welche Angst und Panik er seine Mitarbeiter jedoch versetzt, damit sie ja darauf achten keinerlei Dreck zu machen ist schon faszinierend. In einer Szene brüllt er eine arme Produktionsmitarbeiterin an, weil sie aus Versehen einen Schritt auf seinen Rasen macht – eine Todsünde, gar keine Frage. Gleich danach gibt es noch einmal eine verärgerte Mitteilung an alle, gefälligst seinen Rasen in Ruhe zu lassen. Doch allein die Tatsache, dass Bay PAIN & GAIN höhnisch einen Low Budget-Film nennt – was für seine Verhältnisse ja durchaus stimmt –, ist ein direktes „Fickt euch!“ an alle unabhängigen Filmemacher, die sich da draußen mit mickrigen Budgets rumschlagen und versuchen irgendwie über die Runden zu kommen.
Ein Blick in Bays Filmographie indes fördert jede Menge Müll zu Tage – sei es als Produzent oder Regisseur. Zusammen mit Vollpfosten Markus Nispel hat er es geschafft das FREITAG DER 13.-Franchise mit einem unsäglichen Remake, das noch viel schlechter ist als JASON GOES TO HELL in den Dreck zu ziehen. Er hat die TURTLES zu einem schlechteren Witz gemacht, als es die trashigen 90er-Verfilmungen je gekonnt hätten – immerhin hatten die jede Menge Charme. Er hat aus dem Zweiten Weltkrieg ein schwülstiges Epos im Stile von REICH & SCHÖN gemacht und nebenbei eine perfekte Wichsvorlage für jeden amerikanischen Patrioten erschaffen. Ach, und dann wären da noch die TRANSFORMERS, die verwackelten megalomanen Roboter, von denen mir nur noch Megan Foxs Hintern in Erinnerung geblieben ist.
Aber, bevor mir jetzt jemanden vorwerfen will, ich hätte ganz allgemein etwas gegen Michael Bay und würde sein Oeuvre daher grundsätzlich schmähen, nehme ich diesen Leuten lieber mal direkt den Wind aus den Segeln. Es gibt den einen oder anderen Film von Bay der mir durchaus gefällt, wenn auch aus den falschen Gründen. ARMAGEDDON zum Beispiel. Selten hat Bays schwülstig, übertriebener Pathos besser gepasst als in diesem Film – auch wenn ich mich bis heute frage, wieso es einfacher sein soll, einem Ölbohrteam beizubringen ins Weltall zu fliegen, als einer Gruppe Astronauten beizubringen einen Bohrer zu benutzen. Das von ihm produzierte Remake von TEXAS CHAINSAW MASSACRE war auch gar nicht so übel – für ein Remake. Von Bay. Mit Jessica Biel.
Ihr seht also: Ich bin weder Bay-Fanboy, noch lehne ich ihn per se ab. Ich gebe vielen seiner Filme sogar eine Chance, obwohl ich ihn für einen Drecksack halte, und manchmal überrascht er mich positiv. Wie mit PAIN & GAIN. Seiner bitterbösen, schwarzen Komödie über bitterböse, wahre und völlig absurde Begebenheiten.
So unglaublich sich die Geschichte von PAIN & GAIN auch anhören mag, so viel Wahrheit steckt immer noch dahinter. Letztlich mag es eine zwar eine rabenschwarze Action-Komödie sein, doch sie hält sich in vielen Punkten immer noch an das, was wirklich passiert ist. Die groben Abläufe sowie einige Details des Films geben tatsächlich die wahren Geschehnisse wieder. In anderen Punkten jedoch änderten die beiden Drehbuchautoren Christopher Markus und Stephen McFeely die Geschichte stark ab - was an und für sich nicht weiter ungewöhnlich und oftmals nötig ist. Schließlich war schon William Wallace alles andere als ein lieber Mel Gibson mit blauer Farbe im Gesicht. Wallace zahlreichen Brandschatzungen und Vergewaltigungen verschweigt BRAVEHEART dezent – ist vielleicht auch besser so, sonst hätte es keinen Oscar gegeben.
Obwohl bereits die wahren Ereignisse - so tragisch sie auch sein mögen - einer tiefschwarzen Komik nicht entbehren, waren einige Änderungen nötig um aus der Geschichte für das Kino eine Action-Komödie zu formen. Die wichtigsten Änderungen betreffen denn auch die Figuren, vornehmlich die von Mark Wahlbergs Daniel Lugo. Die Figuren wie sie uns im Film begegnen erscheinen uns sympathisch, was es einfach macht, trotz ihrer Taten mit ihnen zu fiebern. Diese Sympathie, die der Zuschauer den Figuren, die eigentlich Bösewichter sind, entgegenbringt sind ein großer Kritikpunkt den sowohl der echte „Victor Kershaw“, also auch die Hinterbliebenen Grigas geäußert haben, die von den Verbrechen natürlich bis heute gezeichnet sind. Inwiefern diese Anpassungen also moralisch tragbar sind, sei dahingestellt. Künstlerisch jedoch waren sie ein wichtiger und richtiger Schritt.
Mark Wahlbergs Daniel Lugo ist ein arg naiver, irgendwie liebenswerter Kerl, der einen einfachen Traum hat und diesen mit allen Mitteln verwirklichen will. Der echte Lugo hingegen wird als Soziopath beschrieben, der bereits vor der Entführung Kershaws (der in echt Marc Schiller heißt, aber ich benutze der Einfachheit halber weiter den Namen der Filmfigur) weit mehr auf dem Kerbholz hatte als der fiktive Lugo. Interessanterweise betätigte er sich in einem Betrugsfeld in dem auch das erste Opfer der Sun Gym-Gang tätig war und so einen beträchtlichen Teil seines Vermögens erwirtschaftete - wofür er nach Abschluss des Sun Gym-Prozesses auch verurteilt wurde. Lugo verstand es meisterlich Leute zu manipulieren und schaffte es so durch geschickte Desinformation und Manipulation seiner Mitstreiter die Sun Gym-Gang überhaupt erst zusammenzustellen.
Adrian Doorbal gilt neben Lugo als einer der Drahtzieher und sitzt noch immer in der Todeszelle, unter anderem für den Mord an Griga - den, anders als im Film, nicht Lugo begangen hat, sondern Doorbal. Und ein Unfall mit einer Hantelbank war es auch nicht, sondern Vorsatz. Unter der Impotenz durch Steroidmissbrauch– die man ja durchaus Bays infantil-sexistischem Humor zuschreiben könnte – litt der echte Doorball in der Tat. Allerdings war diese nicht der Grund warum er bei der ganzen Aktion mitmachte, ebenso wenig wie er seine Frau bei einer Penisuntersuchung kennenlernte. Seine echte Frau, die später gegen ihn aussagte, hatte dafür nach dem Mord sogar bei der Spurenbeseitigung geholfen. An dem Verbrechen waren nämlich weitaus mehr Leute beteiligt als es in PAIN & GAIN den Anschein erweckt.
Was uns zur letzten Figur des infernalen Trios bringt - The Rocks Paul Doyle. Im Gegensatz zu Lugo und Doorball gibt es keinen Paul Doyle. Die Sun Gym-Gang bestand auch nicht nur aus drei Personen. An und für sich bestand sie aus Lugo und Doorball als Haupttäter und weiteren Personen die jeweils in verschiedenen Abschnitten der Taten in unterschiedlicher Intensität beteiligt waren. Paul Doyle ist eine Art Querschnitt aus all diesen Personen, vermengt mit einem Großteil Fiktion. Doyle lebt im Endeffekt vor allem durch The Rock - doch dazu später mehr.
Soweit die wichtigsten Fakten zu den Hauptfiguren des Films und der echten Verbrechen. Auf weitere Details und Unterschiede zwischen Film und Realität gehe ich im Laufe der Besprechung noch ein. Wer sich jedoch wirklich für die Hintergrundgeschichte interessiert und mehr über die damaligen Ereignisse wissen möchte, dem empfehle ich uneingeschränkt Pete Collins 3-teilige Reportage, erschienen in der Miami New Times, preisgekrönt und die Inspiration für Michael Bay die Geschichte zu verfilmen.
Im Gegensatz zu dieser Artikelreihe hat der Film PAIN & GAIN von der Kritik viel Prügel einstecken müssen. Daher will ich nun für dieses viel geschmähte Meisterwerk in die Presche springen. Die Frage nach der moralischen Integrität der Macher sei jetzt einfach mal hintenangestellt - Bay hat sowas eh nicht - und inwiefern es tragbar ist, diese Geschichte in eine pechschwarze Komödie zu verwandeln sollen andere entscheiden. Fakt ist: Die zahlreichen Naziploitation-Filme die in den 70ern gedreht wurden behandeln ihre historische Grundlage nicht viel anders als PAIN & GAIN - der damit gewissermaßen in der Tradition des Exploitationkinos steht. Und Exploitation darf alles, dafür ist sie ja da.
PAIN & GAIN lebt vor allem vom genialen und spaßigen Spiel der Akteure, allen voran natürlich The Rock und Mark Wahlberg. Aber auch Anthony Mackie liefert eine sehr ordentliche Leistung ab. Der Mann kann spielen, schafft es allerdings nicht wirklich gegen das Charisma von Wahlberg und Johnson anzukommen - aber andererseits, wer könnte das schon. Als große Frechheit empfinde ich daher, dass Paramount ihn auf vielen Promo-Materialien, Kinoplakaten und dem DVD- sowie Blu-ray-Cover einfach nicht mit abgedruckt hat. Stattdessen bekommen wir Wahlberg und The Rock. Und während ein wichtiger Hauptdarsteller fehlt, ist stattdessen Bar Paly im knappen, engen Minikleid drauf - ich schätze so verkauft man Filme an die Michael Bay-Zielgruppe.
Dass PAIN & GIAN nicht nur für Bay selbst ein Spaßprojekt war, sondern auch für alle, merkt man schon alleine daran, dass bis zu den Nebendarstellern, alle vor der Kamera Versammelten mit sichtlicher Freude bei Sache waren. Tony Shalhoub spielt den arroganten und leicht abgehobenen Kershaw mit köstlicher Süffisanz - mein Highlight ist die Szene in der die Entführung klappt und er kurz vorher Doorball mit einer Gurke bewirft – als wäre das nicht allein schon skurril genug, setzt Shalhoub mit seiner Darstellung noch eins oben drauf. Bar Paly spielt das dumme Blondchen, ehemalige Schönheitskönigin und über Mexiko in die USA Gekommene - dieser Teil des Films entspricht im Übrigen den Tatsachen – so glaubwürdig, dass man fast meinen könnte sie würde nicht spielen. Einen Platz auf dem Cover verdient die Rolle, meiner Meinung nach, dennoch nicht.
Das Beste und Spaßigste ist trotzdem die Leistung von Mark Wahlberg und The Rock Johnson. Gerade Wahlberg nimmt man Lugo zu jedem Zeitpunkt ab. Angelegt als eine ironisierte Version seiner selbst - wie bei Mark Wahlberg so üblich - ist es eine wahre Freude ihm zuzuschauen.
Selten hat Bays visueller Stil besser gepasst als hier: Schnelle Schnitte, Einstellungen aus verschiedensten Winkeln, unterschiedliche Kameratypen, hochstilisierte und überfärbte Bilder, Super-Zeitlupen, amerikanische Flaggen, knackige Frauenärsche und aufgepumpte Kerle. PAIN & GAIN funktioniert einfach wunderbar. Okay, machen wir uns nichts vor, PAIN & GAIN soll eine Satire auf den amerikanischen Traum sein – in erster Linie ist PAIN & GAIN nichts weiter als eine Abbildung Michael Bays ganz eigenen amerikanischen Traums. Das aber dermaßen unterhaltsam, dass es einfach mal scheißegal ist.
Im Endeffekt dürfte es mit PAIN & GAIN ein wenig sein wie bei SUCKER PUNCH. Entweder man liebt ihn oder man hasst ihn – dazwischen gibt es nicht viel. Ich für meinen Teil habe mit PAIN & GAIN einen neuen Lieblingsfilm gewonnen.
In diesem Sinne: „Glotz nicht so blöd! Ich seh wie deine Mutter immer herschielt zu mir. In ‘ner Woche bin ich dein Stiefvater!“