OT: Orca
HORROR: USA, 1977
Regie: Michael Anderson
Darsteller: Richard Harris, Charlotte Rampling, Will Sampson, Robert Carradine
Killerwale sind bekanntlich intelligente und gnadenlose Jäger der Meere. Menschen werden sie in der Regel aber nicht gefährlich, sondern zählen - ich berufe mich jetzt auf FREE WILLY - gar zu dessen besten Freunden. Auch zu Beginn von ORCA rettet ein wohlwollendes Exemplar dieser riesigen, schwarz-weißen Meeressäuger einen Menschen vor einem weißen Hai und wird zum Dank dafür von unseren ach so freundlichen Artgenossen gejagt. Dabei verliert der Orca seine Walkuh und sein Kalb an der Schiffsschraube von Kapitän Nolans Walfängerboot.
Orcas im Allgemeinen haben mit dem Menschen den Familiensinn gemein und der Orca in ORCA-DER KILLERWAL versteht darüber hinaus auch das Prinzip der Blutrache. Deshalb ist es nun vorbei mit der Freundschaft; jetzt herrscht Krieg zwischen dem Killerwal und Nolan KRITIK:Es geht einem schon ans Herz, wenn der Orca sein totes Weibchen in einer Art Trauerritual zu einem wehmütigen "Funeral March" aus dem Morricone-Score vor sich her durch die Wellen schiebt. Und dies ist auch der Teil am ansonsten Spielberg folgenden Plot, der ORCA etwas vom üblichen Tierhorror und den bekannten Vorbildern abgrenzt.
War DER WEISSE HAI noch so etwas wie das tierische Äquivalent zum Serienmörder im Blutrausch, folgt der ORCA der biblischen Motivation "Auge um Auge, Zahn um Zahn". Mit zerstörerischem Einfallsreichtum lockt er seinen Käpt´n Ahab (wider Willen) vom sicheren Festland hinaus ins Eismeer zum finalen Sühneduell. Die Crew auf dem Schicksalsboot besteht aus bekannten Gesichtern wie Charlotte Rampling und Will Sampson (dem Indianer aus POLTERGEIST 2).
Nolan selbst wird von dem 2002 verstorbenen Richard Harris, den wir in DER MANN, DEN SIE PFERD NANNTEN richtig kennen gelernt und als "Dumbledore" in den HARRY POTTER-Filmen verabschiedet haben, gespielt. Als Walfängerkapitän erinnert er rein äußerlich ein bisschen an den unvergessenen Klaus Kinski. Leider liegt ihm nicht dessen genialer Wahnsinn im Naturell, denn es wäre sicher interessant gewesen, nicht nur einen Lookalike, sondern den richtigen Kinski in der Rolle des Nolan zu sehen, aber gut
Auch Harris erledigt den Job zu unserer vollen Zufriedenheit. Noch mehr begeistern kann Morricones Musik, die in Verbindung mit einigen exquisiten Szenen dem Film eine recht düstere Atmosphäre verleiht. Neben einigen phantastischen Tieraufnahmen sind vor allem die letzten Unterwasserbilder des Films richtige visuelle Killer. Stimmung, Kamera und die Idee vom Wal, der rot sieht, sind letztendlich die starken Trümpfe, die über manch durchaus vorhandene Schwäche hinwegsehen lassen und den Streifen zu einem sehenswerten Tierhorrorflick machen. Sie lassen verschmerzen, dass die Angriffe des Tiers - von Bo Dereks berühmtem Gipsbein einmal abgesehen - nicht nur unblutig, sondern auch wenig spektakulär ausgefallen sind.
Und auch in anderen Aspekten kann sich ORCA nicht wirklich mit dem erklärten und offensichtlichen Vorbild DER WEISSE HAI messen. Der Showdown im Eis zwischen Nolan und seiner schwarz-weiß gefleckten Nemesis ist sicher nicht ohne, aber der Grand Final Slam vom WEISSEN HAI ist dagegen der pure Armageddon.
Und wenn der Killerwal dann den Widersacher mit der Flosse winkend ins Verderben lockt, pieselt auch mal kurz etwas unfreiwillige Komik ins ansonsten wirklich finstere Szenario. Anyway, nicht zuletzt, weil echte Tiere eben viel mehr als CGI knallen, sollte der Fischhorrorfan diesem rachsüchtigen Meeressäuger eine Chance geben.
Keine Ahnung, wie ein Duell zwischen ORCA und dem WEISSEN HAI in der freien Wildbahn (Meerestiefe) ausgehen würde - im filmischen Kräftemessen trägt der eindeutige Sieger Kiemen. Dennoch gehört ORCA mit Sicherheit zu den besseren Nachziehern zu Spielbergs Tierhorrorklassiker.
Ein beeindruckender Keiko, düsterer Grundton, Morricone-Musik und ein paar wirklich denkwürdige Szenen sollten über manche Schwäche hinwegsehen lassen und Garantie für einen netten Filmabend im Reich des "Siebziger Jahre-Mensch-gegen-Bestie"-Flicks sein. Wobei die Frage, wer in ORCA nun konkret die Bestie ist, erst noch diskutiert werden will.